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  Get the rich or die tryin’

Der Aufbruch versteift sich auf Elitenparanoia. Ein Kommentar zum neuesten Versuch linker Organisierung in Österreich.

Da nun eine ohnehin verkümmerte Fassadendemokratie schnurstracks den braunen Bach runtergeht, erlebt die oft gestellte Frage nach einem emanzipatorischen Subjekt einen neuerlichen Boom. Eine gefestigte linke Alternative wird aktuell von vielen mehr denn je als akute Notwendigkeit angesehen, andere halten’s pragmatisch im Sinne von „Hilft ja alles nichts.“

Eine organisierte Struktur, die die soziale Frage offensiv mit einem fundierten Antirassismus und Antisexismus zusammenbringt, erst das ganze reaktionäre Pack verscheucht und dann gezielt die Nahtstellen des Kapitalismus durchtrennt …das wär‘s!

Hierzulande gibt es erst einmal den Aufbruch. Und damit eine weitere Initiative, die potentiell die Chance hätte, bekannte Fehler zu umgehen und gesellschaftliche Bruchlinien offen zu legen. Tatsächlich versucht sich der Aufbruch daran. Und eine prächtige Anzahl an Menschen möchte mitmischen. Die Bewegung wendet sich explizit der sozialen Frage zu, möchte Antworten auf materielle Nöte und Gefühle der Ohnmacht geben. Man betont die Relevanz sozialer Kämpfe und macht ein Angebot, das sich nicht augenblicklich in Elfenbeinturmdebatten oder einer Subkulturfixierung verheddert. Derweil ungeklärt ist, ob der Aufbruch bei Wahlen antreten wird.

Schon länger geklärt jedoch war die strategische Ausrichtung. Der für die Aktionskonferenz vorbereitete Programmvorschlag wurde von vielen Anwesenden nicht weiter hinterfragt und sorgte andernorts für trockene Konsterniertheit: denn der Aufbruch basiert (bisher) auf einer mit linkspopulistischer Beliebigkeit beträufelten Elitenparanoia.

Ziel des Aufbruchs ist ein solidarisches Kollektiv „vielfältiger Stimmen“. Dieses offeriert ein positives Identifikationsangebot für alle von der Dauerkrise Gebeutelten, die gemeinsam die Forderung nach Freiheit und Gleichheit erheben. So weit, so gut. Nur so g‘schmeidig funktioniert das mit dem Populismus meist nicht. Er bleibt ein triviales Gegenangebot zur Rechten und deren Beschwörung eines völkisch-nationalen Kollektivs und/oder die Gesellschaftskritik bleibt so flach, dass sie Gefahr läuft zu versanden, ja, manch emanzipatorischer Absicht sogar widerspricht. (Zum Problem der linken Suche nach dem Kollektiv vgl. Bernadette Goldbergers Text „Linker Populismus als Antwort auf die Krise?“ in MALMOE #74)

Um dem Kollektiv der Vielen eine einfache Ausgangsbasis zu geben, blieb man inhaltlich vage. „So wie bisher kann es nicht weitergehen“ ist eine zunächst komplett unverbindliche Allerweltsfloskel. Als zentrale Slogans einer Kampagne Sätze wie „Wir müssen anecken“ oder „Wir müssen nützlich sein“ auszugeben, bedeutet schon fast, sich präventiv in der politischen Irrelevanz einzurichten. Daneben gibt es reformistische Dauerbrenner und eine ordentliche Dosis Moralismus. An anderer Stelle ringt man sich immerhin zu der Aussage durch, dass man ein „System aufbrechen“ wolle. Hier passt zumindest das Wording.

Letztlich kulminiert alles in der Devise „Wir können uns die Reichen nicht mehr leisten!“ Eine Abwandelung jenes Mottos, welches sich Sozialistische Linkspartei oder Linkswende seit Jahren auf die Banner schreiben. Mit überschaubarer Resonanz wohlgemerkt. Warum ist man auf diese Wiederholung so bedacht?

Der Fokus auf „die da Oben“ ist schlichtweg ein Irrweg. Wenn auch der Affekt, sich über „die Reichen“ und deren Machenschaften zu echauffieren, manchmal berechtigt sein mag, müsste dennoch gefragt werden, wohin es führen soll, denen „da oben“ verbal auf den Schädel zu schlagen.

„Die Reichen“ müssen herhalten, weil sie als kleinster gemeinsamer Nenner gelten, um dem Kollektivsubjekt etwas zu geben, gegen das es sich richten kann. Die beständigen Brüche in der Gesellschaft und deren aktuelle Faschisierung sind aber nicht und schon gar nicht allein auf manipulative Eliten zurückzuführen. Wir leben einerseits in einem Gesellschaftssystem, das seine Krisenhaftigkeit grundsätzlich in sich trägt, andererseits wird momentan deutlich, dass viele Menschen jenseits der Elitensphäre sehenden Auges die Totalzersetzung herbeiführen.

Die Losung „So wie bisher darf es nicht weitergehen“ bewahrheitet sich für den Aufbruch selbst, obwohl er quasi noch in den Kinderschuhen steckt. Vorerst darf man gespannt sein, was man auf den im Oktober stattfindenden Aufbruch-Aktionstagen zu hören bekommt. Das Thema lautet: Reichtum.



online seit 28.09.2016 12:13:21 (Printausgabe 76)
autorIn und feedback : Jannik Eder


Links zum Artikel:
www.malmoe.org/artikel/widersprechen/3127Linker Populismus als Antwort auf die Krise?
www.malmoe.org/artikel/regieren/3213„Brechen wir das System auf." Die neue Initiative Aufbruch hat bereits mehr als 35 Gruppen.
www.malmoe.org/artikel/regieren/3212Feine Unterschiede. Eindrücke von TeilnehmerInnen der Aktionskonferenz
malmoe.org/artikel/regieren/3210Was war politische Partei für die Linke?



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