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Musikland ist abgebrannt – Zeit für Neubauten Mainstream der Minderheiten im Zeitalter der Austerität Es mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, wenn in Zeiten des neuen österreichischen Popwunders und der begleitenden Jubelberichterstattung ein Text mit diesem Titel erscheint. Wir wollen hier keineswegs auf die Spaßbremse treten. Tatsächlich muss eingangs festgehalten werden, dass es viele positive Entwicklungen gibt, was Vielfalt und Qualität des heimischen Musikschaffens betrifft. Gerade die sogenannte „alternative“ Musikkultur ist dabei sich auszuweiten. Und es ist insbesondere zu begrüßen, dass alte Blasen überwunden werden und ganz unbescheiden ein größeres Publikum angepeilt wird. Diese lebendige Musikszene ist auch das Ergebnis der Arbeit vieler musikbegeisterter Menschen, die nicht auf der Bühne stehen und die am besten als Musikarbeiter_innen bezeichnet werden könnten. Deren Tätigkeit ist vielfältig und reicht von Labelarbeit, über Booking bis zum Verkauf von Tonträgern und Merchandise. Auch die in Musiklokalen beschäftigten Personen sind immens wichtig. Seien es Securities, die ein Gespür für ihr Publikum haben, Leute an der Kassa, die auch als Informationsschnittstelle dienen, hilfsbereite Tontechniker_innen oder schlichtweg Barpersonal mit hoher Toleranzgrenze, was die Lautstärke betrifft. Clubbetreiber_innen (siehe Text zur aktuellen Initiative Clubcharta 2030) und unabhängige Veranstalter_innen (siehe Text von Shilla Strelka zu den Widersprüchen in deren Arbeit) arbeiten überhaupt oft unter schwierigen bis prekären Bedingungen, in der Regel mit großem finanziellem Eigenrisiko und Enthusiasmus im Dienst einer größeren Sache. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass es nicht nur um Musiker_innen und DJs geht, wenn von der Musikszene die Rede ist. In öffentlichen Diskussionen werden rund ums Musikgeschäft Beschäftigte oft als Schmarotzer_innen dargestellt, die nur an der Kreativität von Künstler_innen hängen. Da heißt es in schönster Regelmäßigkeit, das Geld soll möglichst nur bei den Musiker_innen landen. Warum eigentlich? Hinter erfolgreichen musikalischen Projekten stehen seit jeher immer eine Menge Leute und nicht nur jene, die man auf der Bühne sieht. Die Frage ist überhaupt anders zu stellen: Wer hat heutzutage überhaupt noch Geld und wie wird dieses innerhalb der Musikindustrie verteilt? Where is the Money? Denn diesbezüglich hat sich viel verändert. Früher war alles viel einfacher. Hier die bösen vermögenden Großfirmen, angeführt von der Tonträgerindustrie, welche Musik für die Massen herstellen und den Einzelnen zur größtmöglicher Anpassung an diese Massen zwingen wollen. Auf der anderen Seite die kreativen Kräfte, verankert in verschiedenen Subkulturen, die idealistische Inhalte und Traditionen transportieren. Das Musikbusiness hat sich in den letzten Jahren allerdings so gravierend verändert, wie vielleicht seit Einführung der Schallplatte nicht mehr. Von dieser Entwicklung blieb auch Österreich nicht verschont. Einst stolze Tonträgervertriebe mit zahllosen Mitarbeiter_innen sind zu Ein-Personen-Unternehmen zusammengeschmolzen, sofern sie überhaupt das große Vertriebssterben vor etwa zehn Jahren überlebt haben. Wie der Autor und Musikveranstalter Berthold Seliger in seinem Ende 2013 erschienenen Buch „Das Geschäft mit der Musik“ ausführlich darstellt, hat sich das Zentrum der Musikwirtschaft vollkommen verlagert. Das große Geld machen heutzutage nicht mehr Tonträgerfirmen sondern riesige Medienkonzerne im Live-Bereich und Ticketing-Firmen, die selbst nicht die Risiken einer Plattenproduktion oder die der komplexen Organisation von Konzerten, Festivals oder Touren tragen. Wenn solche Unternehmen auch noch Plattformen betreiben, über die Musik digital verkauft oder gestreamt wird, sind wir mit einer Monopolstellung ungeheuren Ausmaßes konfrontiert. Sind diese Informationen erst einmal vernetzt, können die Großkonzerne einen ungeheuren Schatz an Daten heben. Das große Geld liegt weder im Verkauf von Musik (sei es digital oder analog) noch im Live-Geschäft sondern im Big Data. Wer soll sich das alles anhören? Diese neue Situation hat Konsequenzen. Gerade der schwächelnde Tonträgermarkt macht es möglich, mit Hilfe einer treuen Fan-Gemeinschaft schon mit viel geringeren Verkaufszahlen an die Spitze der Charts zu stürmen und so breite Aufmerksamkeit zu ernten. Ein Grund für den Boom heimischer Musik ist ganz einfach die Schwäche des alten Geschäftsmodells vom globalen Superstar. Der heutige Markt ist nicht nur genremäßig viel kleinteiliger organisiert, sondern auch regional stärker ausgeprägt. Es gilt: hier ein Star und im Nachbarort völlig unbekannt. So sind die großen Player gezwungen, sich stärker mit kleineren Strukturen zu beschäftigen und bedienen sich dazu subkultureller Strategien. Mainstream und Untergrund vermischen sich völlig. Große Veranstalter_innen mieten sich in Clublokale ein, um Fans und Bands möglichst früh an sich zu binden. Gleichzeitig wittern aber auch Vertreter_innen der alten Subkulturen ihre Chance, geben sich den professionellen Anstrich der alten Majors und bedienen sich deren Methoden was den alles bestimmenden Kampf um die rare Währung Aufmerksamkeit betrifft. Denn bei all der vorhandenen Qualität muss festgestellt werden, dass es vollkommen unmöglich ist, sich auch nur annähernd einen Überblick zu verschaffen, was heute an Musik veröffentlicht wird. Und zwar schon auf nationaler Ebene. Geschweige denn, diese nach ihrer Relevanz – für wen auch immer – zu beurteilen. Hier rächt sich der Bedeutungsverlust der Vermittler_innen zwischen Publikum und Künstler_innen. Seien es Plattenverkäufer_innen oder Journalist_innen, die früher eine Gatekeeper Funktion innehatten und über den Zugang zum „coolen Wissen“ wachten, der nur nach einer Art von „Aufnahmeprüfung“ gestattet wurde. Die Rückkehr zu diesem alten, äußerst elitären System wird hier keineswegs als Lösung aus dem Dilemma angepriesen, doch die Frage, woran sich der Wert von Popmusik bemessen soll, muss neu gestellt werden. Hier könnten eben jene schon beschriebenen engagierten Musikarbeiter_innen eine Rolle spielen, die ja anders als die alten Heroen des Untergrunds nicht als Einzelfiguren agieren, sondern stark in Netzwerken organisiert sind. Pop is over – eine neue Kartografie überfällig Von einem muss man sich aber auf jeden Fall verabschieden: Die alten Ideen von Pop entweder als kommerzieller Massenkultur oder subversiver Gegenkultur entsprechen nicht mehr der gegenwärtigen ökonomischen Realität. Wie Thomas Edlinger in seinem eben erschienen Buch „Der wunde Punkt: Vom Unbehagen an der Kritik“ feststellt, gibt es kein Außen mehr, gegen das sich Pop stellen könnte. Heutzutage ist quasi jegliche Massenkultur Pop, auch klassische Musik und Volksmusik operieren mit popkulturellen Elementen. Wir müssen uns damit anfreunden, dass Pop zur Kampfzone geworden ist, innerhalb derer es gilt, eine Auseinandersetzung über Repräsentation und Ethik zu führen. Im Grunde ist das keine großartig neue Erkenntnis und wurde schon ausführlich im 1996 veröffentlichten Sammelband „Mainstream der Minderheiten. Pop in der Kontrollgesellschaft“ analysiert. Doch leider blieb diese Erkenntnis fast ohne Konsequenzen. Um zu verstehen, was heute überhaupt musikalisch abgeht und wie bestimmte Phänomene und Äußerungen einzuordnen sind, wäre es nötig, sich in der ganzen Breite mit gegenwärtigem Pop zu beschäftigen und nicht nur mit jenen Varianten, die aus irgendeinem Grund für „musikalisch wertvoll“ erachtet werden. Leider ist die gegenwärtige Strategie der meisten Popjournalist_innen sich – je nach persönlichen Vorlieben – bestimmte Acts und deren Musik herauszupicken für die Erstellung einer neuen Pop-Kartografie nicht sehr gewinnbringend. Um diese in unübersichtlichen Terrain anfertigen zu können, ist es notwendig, sich mitunter in Untiefen vorzuwagen, alten Subkulturen (Metal! Rockabilly!) einen neuen Besuch abzustatten, sich im Irrgarten digitaler Soundportale zu verirren und generell keine Berührungsängste mit den grellen Bildern zu kennen, die gegenwärtiges Musikschaffen so begleiten. Unbeschmutzt kommen wir hier nicht heraus. Auch die angesprochene Rolle der Musikarbeiter_innen muss erst erforscht werden. So pädagogisch das klingen mag, aber dem populistischen Treiben im Pop muss immer wieder von Gegenkräften Einhalt geboten werden, die ein Publikum heranziehen und es mit seiner eigenen Dummheit und Unwissenheit konfrontieren. Denn von Dummheit und Unwissenheit sind wir alle nicht gefeit. In dieser Haltung, des sich selbst auch nicht zu ernst und wichtig nehmen, war Punk richtig gut. Ein funktionierendes Netzwerk an Musikarbeiter_innen entwickelt eben eine eigene Vision, fügt sich nicht immer den Wünschen einer Mehrheit oder auch einer Minderheit und agiert eher als Reibefläche zwischen Kommerz und Anspruch. Eines ist sicher: Der symbolische Kampf um Pop ist wichtiger denn je, sonst werden über kurz oder lang die Andreas Gabaliers und Helene Fischers das Popgesicht dieser Welt. Da waren Michael Jackson und Madonna um einiges cooler. online seit 16.10.2015 11:35:01 (Printausgabe 72) autorIn und feedback : Christian König |
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Mixtape by Kid Pex Kid Pex – der selbsternannte „Tschuschenspitter vom Dienst“ – ist einer der wenigen Hip-Hop Musiker in Österreich mit Migranten-Hintergrund, die in der eigenen Muttersprache rappen. [24.01.2018,Kid Pex] Auftakt in Schwarz-Blau In Oberösterreich führt das Sparpaket im Sozial- und Kulturbereich zu Protesten in der Kulturszene. Ein Szenario auch für den Bund? [16.12.2017,Christian König] Mixtape by Femdex Femdex ist eine Initiative, die weibliche und nicht-binäre Künstlerinnen in der elektronischen Musik fördert. [25.11.2017,femdex] die vorigen 3 Einträge ... die nächsten 3 Einträge ... |
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