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  Clubs United

Wiener Clubbetreiber_innen haben sich zu einer Interessensgemeinschaft zusammengeschlossen und treten mit der Wiener Clubcharta 2030 an die Öffentlichkeit

Dieser Tage geschehen außergewöhnliche Dinge. Wer hätte es für möglich gehalten, dass kommerzielle Großraumclubs mit kleineren Lokalen, die sich den Vorlieben eines Publikums abseits des Mainstreams verschrieben haben, gemeinsam Sache machen und dieser auch den Anstrich eines politischen Programms geben, das sich gegen Diskriminierung richtet. Dabei sind zur Zeit z.B. Praterdome, die Passage, die Kantine, Arena Wien, Fluc, rhiz, Celeste und die Liste wird immer länger.

Aufhänger der im Herbst startenden Kampagne für eine stärkere Wahrnehmung der Clubs durch die Politik ist die x-te Aktion gegen die Vergnügungssteuer. Derzeit müssen in Wien (diese Abgabe ist Ländersache) bei Veranstaltungen mit Tanzcharakter 15% vom Eintritt und 8% von der Bar als Vergnügungssteuer abgesetzt werden. Das ist nicht gerade wenig. Gerade für kleinere Clubs, die knapp kalkulieren und es sich aufgrund ihrer Publikumsstruktur nicht leisten können, diese Steuer komplett an ihre Gäste, z.B. mit teureren Getränken, weiterzugeben.

Von der Einhebung der Vergnügungssteuer wird zwar abgesehen, wenn der für den Betrieb genehmigte Fassungsraum 200 Personen unterschreitet, aber hier sind behördlicher Willkür Tür und Tor geöffnet – so heißt es auf der Informationsseite der Stadt Wien: „Die Befreiung entfällt, wenn die Teilnehmerzahl den behördlich genehmigten Fassungsraum während der Veranstaltung überschreitet.“ Gerade bei Veranstaltungen in dieser Größenordnung gibt es am Wochenende oft keinen Eintritt und durch Fluktuation im Laufe der Nacht ist schnell die genehmigte Menge an Leuten überschritten. Wie soll die Überschreitung hier also festgestellt werden? Im Endeffekt sind die Clubs in dieser Sache immer auf ein gutes Verhältnis mit dem Amt angewiesen.

Bagatellsteuer

Immer wieder versuchten verschiedene Initiativen gegen die ungeliebte Abgabe Stimmung zu machen und sind bisher regelmäßig gescheitert. Doch diesmal scheint das Fenster für die neue Kampagne günstig. Denn durch die Abschaffung des kleinen Glücksspiels, welches bisher den Großteil der Vergnügungssteuer ausmachte, entwickelt sich diese zur Bagatellsteuer und es stellt sich für die Stadt ganz ernsthaft die Frage der Kosten/Nutzenrechnung.

Zumal sich die steuerliche Diskriminierung von Veranstaltungen mit Tanzcharakter auf Dauer nicht argumentieren lässt. Der Charakter der Clubkultur hat sich in den letzten zehn Jahren in Wien so stark verändert, dass sich die Trennung zwischen Kultur-, Konzert- und Clubveranstaltung mit Tänzer_innen völlig aufgehoben hat. Viele Clubs sind in Wirklichkeit ganz normale Kulturveranstalter, die ihre Aktivitäten eben später in die Nacht verlegt haben und in einer ungezwungeneren Atmosphäre als die klassischen Institute bürgerlicher Kultur, wie z.B. das Theater, agieren.

Es werden Lesungen, Diskussionsrunden und Ausstellungen ausgerichtet, dazu Konzerte mit anschließenden DJ Sets. Viele Clubbetreiber_innen in Wien haben kein Interesse an der Anhäufung großer Reichtümer, sondern sehen sich eher als Ermöglicher_innen kultureller Vielfalt und stellen ihren Ort als Freiraum zur Verfügung. Es ist ganz schön bunt geworden und zwar durchaus auch in größeren Clubs, wie der Grellen Forelle. Von der klassischen Diskothek ist wenig übrig geblieben.

Eine Stadt, die Millionen für kommerzielles Musical-Theater ausgibt, sollte sich im Gegenteil überlegen, wie sie die lebendige Clubkultur nach Möglichkeit fördern könnte. Zumal diese eine Menge Umsatz erwirtschaftet und Wien gerade für junge Menschen zu einer attraktiven Stadt macht.

Besuch vom Magistrat und WEGA

Gegenwärtig erleben Wiener Club­be­trei­ber­_in­nen die Stadt immer wieder von einer ganz anderen Seite. Vor kurzem kam es zu einer amtlicher Umstrukturierung was die Betriebsanlagengenehmigung betrifft. Ohne Betriebsanlagengenehmigung – welch monströses Wort – geht nämlich gar nichts. Es geht bei dieser allerdings nicht um die Tonanlage, das ist oft das geringste Problem, sondern um den Lokalraum als Ganzes und im speziellen um Fragen der Sicherheit.

Natürlich sind die Clubs ebenso an der Sicherheit ihrer Gäste interessiert und die für den Betrieb nötigen Auflagen (z.B. Fluchtwege) in diesem Zusammenhang auch sehr sinnvoll. Das Amt kann sich hier allerdings auch sehr unberechenbar zeigen und es wird schon mal über ein paar Zentimeter bei einem Stiegenaufgang gestritten oder über falsche Formulierungen bei Hinweisen auf Fluchtwegen. Die neue Amts-Leitung hielt es außerdem für notwendig, manchen Betriebsstätten mitten in der Nacht einen Besuch mit dutzenden WEGA- und Magistratsbeamten abzustatten, um mal schnell die Einhaltung der Betriebsanlagengenehmigung zu kontrollieren. Die Party ist damit natürlich zu Ende, die Gäste sind verunsichert und die Betreiber_innen fühlen sich wie Kriminelle behandelt. Selbst wenn nichts beanstandet werden kann, ist der Schaden groß.

Die Wiener Clubbetreiber_innen, die sich hinter der Charta 2030 versammelt haben, möchten einfach als Gesprächspartner von der Stadt Wien ernst genommen werden. Und zwar sowohl als Wirtschaftstreibende als auch als Ausrichter von Kulturveranstaltungen. Die Stadt schmückt sich zwar gerne mit ihrer lebendigen Clubkultur, tut aber kaum etwas dafür und verhindert im schlimmsten Fall mehr als sie ermöglicht. Zumal das Leben für die Clubs nicht einfacher wird. Denn mit der Registrierkassenpflicht sind alle Lokale dazu verpflichtet, ihren Gästen einen Rechnungsbeleg auszuhändigen. Wie das im hektischen Betrieb des Nachtlebens organisiert werden soll, weiß kein Mensch.

online seit 16.10.2015 11:39:53 (Printausgabe 72)
autorIn und feedback : Christian König, Stefan Koroschetz




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