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  Die windige Observation

Folge 2 des MALMOE-Mikrokrimis

The Real Crime Inc Presents
Die geheimnisvollen Fälle von Inspektor Zwezler und seinem Partner Moik

Inspektor Zwezler schob das Laub zur Seite, als es plötzlich in seinem Ohr zu knistern begann. Der Kontakt funktionierte. Diensteifrig zog er den Block aus der Tasche und notierte: Zielperson 1 ist noch nicht eingetroffen. 1 hat demnach einen 0-Wert Status. Zielperson 2 ist bereits in umfangreichen Kontakt getreten – hastig notierte er ein „sie ist als Kompensator der Ermangelung von 1 zu werten“ in Klammer und lauschte weiter den Ausführungen:
„1 befindet sich wahrscheinlich im Gebäude X. Alles verläuft sehr konspirativ und undurchsichtig. Andere Zielpersonen verhalten sich ebenso unauffällig. 1 verhält sich aber auffällig unauffällig. Hier stimmt was nicht, Inspektor. Warte auf Unterstützung.“

Einsatz vor Ort. Das war, was Zwezler am wenigsten mochte. Nicht ein vages Gefühl der Ablehnung seinerseits gab dafür den Ausschlag, sondern es verhielt sich umgekehrt, da ihm die Witterung auf so unverblümte Art, mitten in seine Anwesenheit, entgegen trat. Kühl und feucht. Und am Boden glich sich jedes Blatt auf eigenartige Weise, als hätten sich die Bäume abgesprochen, bereits im Frühjahr. Vor seinen Füßen lag ein Blätterwirrnis, das niemals zu einer fachmännischen Bestandsaufnahme taugte.
Es war immer schon seine Vermutung, dass alles unzulänglich, kaum einer Anklage, gar einem Schuldspruch... wie auch immer. Denn im Sinne von 0 und 1 lässt sich zwar einiges entziffern, jedoch in der Fundamentalrealität ergibt sich stets ein Verdacht, der sich weder zu Baum, noch zu Busch zuordnen lässt. Auch nicht zum Gestrüpp. Das war, was Inspektor Zwezler so schön zum Ausdruck gebracht hatte, als er die erste Kontaktaufnahme mit
„es steht bereits 1 : 0“ beendete. In dem Moment kam Moik zwischen den
Sträuchern hervor und schob sich seine Son- nenbrille ins Gesicht. Zwezler hatte ihn bereits erwartet. Moik versuchte, als er sich mit der Hand kurz, auf jeden Fall flüchtig, zwischen den Beinen, nicht genau mittig sondern seitlich, zupfte, etwas anzudeuten. Dann streifte er die Hand über den Oberschenkel, ließ sie sogleich hoch schnellen und bei der Fahrt nach unten schlug er klatschend in die Hand von Zwezler ein. Der Gruß war bewusst auffällig, um eine etwaige Tarnung nicht auffliegen zu lassen.

„Es geht los Moik. Die Ruhe ist vorbei. 1, 0 und 2 formieren sich gerade.“
In dem Moment sah Zwezler in das von Schrecken gezeichnete Gesicht Moiks. Zunächst glaubte er, dass Moik etwas überreagiere, doch gleich darauf wurde ihm bewusst: „Verdammt, es geht wirklich los.“ Er drehte sich um. In dem Moment wurde ein Transparent ausgebreitet, das farblich den Servierplatten in der Kantine glich. Es war riesengroß und voller Buchstaben. „Lauter Zielpersonen, es sind hunderte, Moik!“, rief Zwezler in der Verzweiflung eines in der Lawine Versinkenden und heischte ihn an, sich in die Menge zu stürzen. Denn dort sollte er sein, aktiv mitten in der Bewegung und nicht pissend am Rand.
Während sich Moik unter die Menschen mischte, begann Zwezler in seinem Schreibblock die Zusammenhänge zukünftiger Ereignisse zu skizzieren. Doch als sein Schuh das letzte Blatt zur Seite kehrte und nur mehr der nackte Asphalt hervor zu blinken begann, wurde es ihm bewusst: „Unter dem Unmut liegt die Wut. Und wenn die auf die Straße tritt...“ Plötzlich zischte es in Zwezlers Ohr.

„Es sind gut dreihundert. Genaues ist kaum absehbar. Das ist nicht uninteressant, in Bezug auf das Transparent, es sieht aus wie unsere Servierplatten. Aber alles wird immer mehr, wie bei uns zu Mittag, in der Kantine.“
Das war der Moik. Er versuchte die Situation so schnell wie möglich zu durchschauen ohne dabei eine gewisse Angestrengtheit erkennen zu lassen.
„Ganz ruhig Moik. In der Situation sind die Details immer unüberschaubar. Und im Ganzen bleiben nur wenige Indizien übrig, aber die dafür umso stärker. Unsere Deutung ist der Schlüssel zum Erfolg.“
Die Gelassenheit des Inspektors, wie er die Blätter weiter in die Wiese schob, bereits versuchte, genau jene Deutung, abseits der Geschehnisse zu finden, war die Kunstfertigkeit, für die er so berühmt war und meister- haft in den Berichten für die Staatsanwaltschaft, die klar und doch voller Geheimnisse waren, verarbeitete.

„Aber was, wenn sich eine Zielperson als vollkommen inkompatibel entpuppt? Mit Ort, Tat und Zeit?“
„Haben wir damit ein Problem? Ist nicht der Wind im November manchmal wärmend wie die Sonne?“
„Von dem her müsste es funktionieren. – In der Tat, eine genaue Temperatur ist nicht auszumachen.“
Während Moiks Finger, den Wind prüfend, mitten aus der Demonstration ragte, stocherte Zwezler mit seinem Fuß in einem Häufchen Blätter auf der Wiese. Als sich die Menge auf die Straße, obwohl diese weder abgesperrt noch freigegeben war, bewegte, war er bereits ganz im Gedanken der anstehenden Deutung versunken. Kurz blickte er noch auf, notierte und unterstrich es doppelt: Ein allgemeines Bewegungsprotokoll erstellen.

online seit 26.08.2012 14:15:35 (Printausgabe 57)
autorIn und feedback : Andi Pavlic


Links zum Artikel:
www.malmoe.org/artikel/erlebnispark/2326Folge 1



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