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Panik davor, krank zu werden Ein Interview mit Carina Spak von AmberMed, der ambulant-medizinischen Versorgung für Menschen ohne Versicherungsschutz AmberMed* ist, neben dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, dem Louisebus der Caritas und dem Neunerhaus, eine der wenigen Einrichtungen in Wien, die Menschen ohne Versicherungsschutz medizinische Betreuung anbietet. Um die 100.000 Menschen leben in Österreich ohne Versicherung. Aus diversen Gründen fallen Menschen aus dem „besten Gesundheitssystem der Welt“ bzw. bekommen keinen Zugang. MALMOE sprach mit Carina Spak, der Leiterin von AmberMed über ihre Arbeit und darüber, wie im Rahmen der Möglichkeiten Abhilfe geschaffen werden kann. MALMOE: Die Asylgesetze verschärfen sich in den letzten Jahren beständig, auch Rassismus und soziale Ausgrenzung spitzen sich zu, inwieweit sind Einrichtungen wie AmberMed politischen Anfeindungen ausgesetzt? AmberMed: Interessanterweise keinen. Ich habe den Eindruck, dass der Gesundheitsbereich eine so sensible Sache ist – jeder kennt das, ein gesundheitliches Problem zu haben. Und die Vorstellung, nicht versorgt zu sein, macht allen Angst. Welche Menschen wenden sich in erster Linie an AmberMed und wie unterscheidet ihr euch von anderen Einrichtungen? Die Zielgruppe des Neunerhauses sind vor allem obdachlose Menschen, die aus sozialen und ökonomischen Gründen nicht ins System hineinkommen. In der Ambulanz der Barmherzigen Brüder werden Notfälle behandelt, hier ist ja auch ein Spital angebunden. Bei uns ist das anders, die Menschen, die zu uns kommen, leben zumeist nicht auf der Straße, können aber aus irgendeinem Grund nicht am legalen Arbeitsmarkt teilnehmen. Auch geht es um mehr als Notfälle – Gesundheitsvorsorge und zum Beispiel den Versuch, Zähne nicht gleich zu ziehen. Wir haben viele FrauenärztInnen, Hebammen, einen Kardiologen und Physiotherapie. ÖsterreicherInnen machen bei AmberMed nur drei Prozent aus, das sind z. B. MaturantInnen, die vergessen haben, sich mitzuversichern, oder Frauen nach Scheidungen, die zuvor mit dem Ehepartner mitversichert waren. Unsere zwei Zielgruppen sind AsylwerberInnen und MigrantInnen. Wer diese MigrantInnen sind, ist immer im Umbruch – jetzt z. B. werden viele Menschen aus Rumänien und Bulgarien AmberMed nicht mehr brauchen, weil sie seit Anfang 2014 legal arbeiten dürfen. Das sage ich auch, um dieses Klischee des „Sozialschmarotzens“ zu widerlegen – unsere Erfahrung ist, dass sobald die Menschen arbeiten dürfen, wir sie nicht wieder sehen! Da bleibt nur jene Gruppe über, die es trotz Arbeitsgenehmigung nicht schafft, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, zumeist weil sie auch in den Heimatländer marginalisiert und diskriminiert sind. Das sind vorwiegend Roma. Wie kann man sich den Ordinations- und Arbeitsalltag bei AmberMed vorstellen? Wir haben drei mal die Woche offen, am stärksten Tag kommen an die 60 PatientInnen. Die ÄrztInnen arbeiten ehrenamtlich, die Sozialberatung machen die bezahlten MitarbeiterInnen, wir haben Zivildiener und AMS-Praktika. Von 2011 auf 2012 hatten wir einen enormen PatientInnen-Zuzug , das liegt auch an der stärkeren Öffentlichkeit. Als ich vor fünf Jahren begonnen habe, war nur eine Ordination offen. Jetzt haben wir zwei ÄrztInnen, die parallel arbeiten, dennoch warten die PatientInnen länger. Wir platzen aus allen Nähten. Wird mit den Spitälern kooperiert? Was ist mit Fällen, wo eine ambulante oder stationäre Behandlung notwendig ist? Es kommt drauf an. Meine großen Sorgen sind die Unfälle: E-Card und Ausweis oder Cash – sonst kommt man nur sehr schwer in die heiligen Hallen. Wenn wir eine Behandlung wollen, müssen wir das durchkämpfen. Das mache ich im Einzelfall auch, weil es geht mir auf die Nerven, dass ich Leute mit Brüchen in die Ambulanz schicke und die werden nicht eingegipst. Müssten die ÄrztInnen in den Ambulanzen die PatientInnen nicht behandeln? Ja, die ÄrztInnen dürften sie nicht wegschicken. Aber soweit kommen die PatientInnen nicht, sie scheitern an der Verwaltung, die die Ambulanz abschirmt. Wenn wer einen Patienten begleitet, der am Schalter vehement diskutiert, dann werden manchmal Ausnahmen gemacht. Aber gerade die Betroffenen haben berechtigte Angst. Sie versuchen sich möglichst unauffällig zu verhalten und nicht abgeschoben zu werden. Armut ist sicher ein zentrales Thema – Menschen mit ungesichertem Aufenthalt und oft Fluchtgeschichte(-n) sind sozial und ökonomisch nicht abgesichert. Was sind Probleme, was spezifische Bedürfnisse? Armut ist ein großes Thema. Die Armut, mit der wir konfrontiert sind, ist eher versteckt, das sind Menschen, die im Alltag nicht auffallen. Wir haben auch psychologische Beratung, aber eigentlich nur um Krisen abzufangen. Psychotherapie bei TraumapatientInnen ist eine ganz heikle Geschichte. Mit ehrenamtlichen MitarbeiterInnen wäre das fahrlässig. Es gibt Einrichtungen in Österreich, die das machen. Aber die Wartezeiten dort sind acht Monate. Wir versuchen zumindest entlastende Gespräche anzubieten. Langfristig geht wenig, weil die PatientInnen auch nicht wissen, ob und wann sie abgeschoben werden. Und mit dieser Unsicherheit haben die PatientInnen zu kämpfen. Die sprachliche Barriere ist natürlich ein Thema. Wir haben sehr viele ehrenamtliche DolmetscherInnen. Und sensibel sind Themen rund um Schwangerschaft und Sexualität, Geschlechtskrankheiten, selten auch HIV. Bei Hepathitis gibt es ein Problem, weil die Medikamente so teuer sind. Überrepräsentativ viel gibt es Depressionen, Schlafstörungen und Panikattacken. Gibt es seitens von AmberMed Absprachen mit der Polizei, sodass nicht etwa Menschen nach dem Ordinationsbesuch abgefangen werden? Nein, aber die Fremdenpolizei kommt nicht und das wissen auch die PatientInnen. Eine viel größere Angst ist das Schwarzfahren – wenn Migrant_innen am Weg zu uns erwischt werden, da gibt es Meldungen an die Polizei. Viele sparen sich die Fahrscheine ab, damit sie nicht auffallen. AmberMed und andere versuchen mit bescheidener öffentlicher Unterstützung Lücken im Versicherungsnetz zu füllen. Was sind Ihre Forderungen auf politischer Ebene? Das sind in erster Linie zwei Sachen: Manche Lücken kann man mit Information und Aufklärung oder mit einer Verordnung füllen, z. B. Scheidungen und Trennungen: Nach einer Scheidung ist der oder die PartnerIn noch sechs Wochen mitversichert, bei Lebensgemeinschaft ist die Versicherung sofort zu Ende. Das macht besonders Frauen erpressbar. Das wäre sehr leicht zu ändern … Andererseits kann ein System gar nicht so engmaschig sein, dass alle erfasst werden. Und weil das so ist, muss es genug Mittel für Organisationen wie uns geben. Und es muss einen EU-weiten Ausgleich geben, die sozialen und gesundheitlichen Belange sind ja immer noch Sache der Nationalstaaten. Anmerkung *) AmberMed – Ambulant-medizinische Versorgung, soziale Beratung und Medikamentenhilfe für Menschen ohne Versicherungsschutz getragen von Diakonie und Österreichischem Roten Kreuz (Adresse: Oberlaaer Strasse 300 - 306 , 1230 Wien) online seit 16.04.2014 09:17:50 (Printausgabe 66) autorIn und feedback : Interview: Nikola Staritz Links zum Artikel:
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