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Imperialismus, Krieg und Opium

WER HEUTE AN OPIUM UND SEINE DERIVATE DENKT, HAT sofort Afghanistan im Kopf. Doch das war nicht immer so. Im 19. Jahrhundert war Indien das Opiumland. Bis zu 7.000 Tonnen wurden jährlich produziert und für den Export verarbeitet – das entspricht in etwa der aktuell weltweit produzierten Menge.

Das Außergewöhnliche an Indiens Opiumindustrie war, dass die Droge innerhalb eines staatlichen Monopols produziert wurde. Eine Aktiengesellschaft, die britische East India Company, machte sich auf indischem Boden zum Staat. Eine ihrer ersten wirtschaftspolitischen Aktionen war es, eben dieses Monopol auf Opium auszurufen, das sie mit politischer und militärischer Macht durchzusetzen wusste. Zu diesem Zeitpunkt spielte Opium gesamtwirtschaftlich gesehen nur eine marginale Rolle. Man vermutet, dass um 1770 etwa 2,5 Tonnen jährlich produziert wurden. Vor allem für den Hausgebrauch, als Mittel gegen Durchfall und dergleichen.

MIT ZUNEHMENDER TERRITORIALMACHT KONNTE DER BRITISCHE Kolonialapparat ein Produktionssystem aufbauen, das weite Teile Nordindiens umspannte. Basis waren bis zu 1,5 Millionen Bauern, die auf ihren Feldern Schlafmohn pflanzten und das gewonnene Rohopium zu fixierten Preisen an den Staat lieferten. Als Herzstück des Geschäfts galten die zwei Opiumfabriken, in denen tausende Arbeiter die Droge verarbeiteten. Die Briten kontrollierten jeden Schritt des Geschäfts, von der Aussaat am Feld bis zum Export in den Häfen von Kalkutta und Bombay. So war es ihnen möglich, Quantität und Qualität zu bestimmen. Das Logo der East India Company auf einer Kugel Chandu, einem etwa eineinhalb Kilo schweren Opiumball, war Garantie für exakt 75 Prozent Reinheit.

Mit China fand sich ein idealer Markt. Mehr als genügend Abnehmer und eine lange Küste, die eine wirksame Einfuhrkontrolle kaum möglich machte. Mit den beiden Opiumkriegen in der Mitte des 19. Jahrhunderts wurden auch die letzten Hindernisse aus dem Weg geräumt. Von solchen Bedingungen können heutige Drogenhändler_innen nur träumen.

IM LAUFE DES 20. JAHRHUNDERTS VERLOR OPIUM ZUNEHMEND an Bedeutung. Unter dem Druck der eigenen Bevölkerung stellte England Produktion und Handel in Indien ein. Auch China, das nach den Opiumkriegen selbst zum Produzenten geworden war, konnte mit dem Aufstieg Maos das Opiumverbot flächendeckend durchsetzen. Die weltweite Produktionsmenge sank auf durchschnittlich 2.000 Tonnen jährlich. Das änderte sich erst 1980. Dieses Jahr markiert den Eintritt Afghanistans als großer Player im globalen Opiumgeschäft. Das Land stieg innerhalb weniger Jahre zum größten Produzenten auf und sorgt bis heute für bis zu 90 Prozent des weltweiten Outputs. Die Expansionskurve ist beinahe linear und erreichte im Jahr 2007 mit unglaublichen 7.400 Tonnen einen vorläufigen Höhepunkt. Was war passiert?

Zum Zeitpunkt des sowjetischen Einmarsches 1979 wurden nicht mehr als 200 Tonnen Opium in Afghanistan produziert. Beim Rückzug der Roten Armee 1989 hatte sich diese Menge versechsfacht und man begann von einer Narko-Ökonomie zu sprechen. Die Mudschaheddin, Guerilla-Gruppen, die gegen die sowjetische Besatzung kämpften, nutzten die Droge, um ihren Kampf zu finanzieren. Indirekt waren auch die CIA und der ISI, der pakistanische Geheimdienst, an der Expansion des Opiumgeschäfts beteiligt. Beide unterstützten die Mudschaheddin im Kampf gegen die Sowjets, belieferten sie mit Waffen und stellten ihnen Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung. So konnten die Mudschaheddin ihr Opium aus dem Land bringen.

NACH ZEHN JAHREN KALTEM KRIEG IN AFGHANISTAN VERFIEL das Land in einen Bürgerkrieg. Regionale Warlords kämpften um die Vormachtstellung und da mit dem Rückzug der Sowjetunion auch die finanzielle Unterstützung der USA plötzlich versiegte, setzten die einzelnen Gruppierungen verstärkt auf das Opiumgeschäft. Auch die Taliban, die vor allem durch die Kontrolle des fruchtbaren Südens ihr Drogengeschäft enorm expandieren konnten. Als die Taliban 1996 die Hauptstadt Kabul kontrollierten, war die Produktionsmenge mit 3.400 Tonnen bereits siebzehnmal höher als vor dem Einmarsch der Sowjetunion. Auch der Einmarsch der USA 2001, als Reaktion auf 9/11, änderte nichts daran.

Das Opiumverbot von Präsident Karzai blieb wirkungslos, viel zu mächtig waren die Warlords bereits geworden. Ihre Macht speist sich aus dem Drogengeschäft. So sorgen sie für einen instabilen Zentralstaat, der wiederum ein florierendes Drogengeschäft ermöglicht. Ein Kreislauf, der sich nur schwer durchbrechen lässt. Die Vermutung, dass es einen Zusammenhang zwischen politischer Instabilität und Drogengeschäften gibt, bestätigt sich, wenn man nach Laos oder Thailand blickt. Je stabiler beide Länder wurden, desto weniger spielte Opium eine Rolle. In Afghanistans Wirtschaft spielt Opium eine wichtige, wenn nicht die zentrale Rolle. Die UNO schätzt, dass in den Jahren 2006 und 2007 über fünfzig Prozent des afghanischen Bruttoinlandsproduktes dem Geschäft mit Opium zuzuordnen sind.

DIE PROFITE AUS DEM DROGENHANDEL WERDEN UNGLEICH verteilt. Je näher man dem Endprodukt ist, desto höher der Anteil, was natürlich auch mit dem Risiko zu tun hat, das der Heroinschmuggel mit sich bringt. Die Bauern, also die Produzenten des Rohstoffes, bekommen den geringsten Anteil. Der ‚Ab-Hof-Preis‘ für ein Kilo Rohopium beträgt maximal 300 US-Dollar, während die daraus gewonnenen 100 Gramm Heroin in Europa um 13.000 bis 15.000 Dollar verkauft werden können.

Dennoch scheint Schlafmohn für viele Bauern die profitabelste Saat zu sein. Es fehlt in einigen Gegenden von Afghanistan schlicht an den Möglichkeiten, Weizen oder Kartoffeln abzusetzen, weil größere Märkte nicht in Reichweite sind. Opium dagegen braucht kaum eine wirtschaftliche Infrastruktur. Die Ware lässt sich lange lagern und wird von den Händlern abgeholt. Zudem locken die Händler mit zinslosen Krediten, sollte sich ein Bauer entschließen, für sie zu produzieren. In Afghanistan fehlt es den Bauern meist an Alternativen, an einer funktionierenden Wirtschaft und einem stabilen Staat. Hier müsste die Anti-Opium-Politik der internationalen Gemeinde ansetzen.

online seit 06.03.2014 10:08:11 (Printausgabe 65)
autorIn und feedback : Rolf Bauer




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