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Österreichische Justiz­anstalten:

Ihre Wirtschafts­partner

Ob es um die Fertigung von Mäusefallen, das Zerlegen von Elektroschrott oder das Falten von Papier geht: Verurteilte im österreichischen Strafvollzug erledigen alles – und das auch noch billig, hoch motiviert und ohne Betriebsausfällen. Warum? Weil sie müssen.

LAUT STRAFVOLLZUGSGESETZ (StVG) HERRSCHT IN ÖSTERREICH für alle arbeitsfähigen Strafgefangenen Arbeitspflicht. Das liegt einerseits darin begründet, dass Verurteilte einen Beitrag zu den Kosten des Strafvollzugs zu leisten haben (75 % des auch so schon mickrigen Gehaltes werden als Kostenbeitrag von der Arbeitsvergütung abgezogen) und andererseits in der Überzeugung, dass Re-Sozialisation, also das Funktionieren in einer Gesellschaft, sich primär darin äußert, als Arbeitssubjekt re-integriert zu werden. Laut Ramón Reichert eine der zentralen Funktionen des Gefängnisses seit der frühen Aufklärung und Bentham: nämlich die „delinquente Arbeitskraft“ zu verwerten und „einen Kriminellen in einen Arbeiter zu transformieren“. (1)

In den Justizvollzugsanstalten selbst befinden sich verschiedene Werkstätten und Betriebe. Die dort produzierten Waren können direkt verkauft und vertrieben werden, allerdings unter „Bedachtnahme auf die Volkswirtschaft“. Denn würden die Waren zum Produktionspreis verkauft, so drückten sie aufgrund des geringen Lohns und der nicht zu zahlenden Sozialversicherungsbeiträge die marktüblichen Preise. Die Einnahmen gehen an den Bund. Diese Einschränkung betrifft aber nicht jene Arbeiten, die im Auftrag für Unternehmen der freien Wirtschaft getätigt werden bzw. Arbeitsschritte, die Unternehmen in die JVAs auslagern. Denn gerade mit der „billigen Arbeitskraft“ versucht das Justizministerium Unternehmen zu überzeugen, mit den JVAs zu kooperieren – „Österreichische Justizanstalten, Ihre Wirtschaftspartner“ nennt sich folgerichtig die entsprechende Werbebroschüre. (2)

UND: „[D]ER VORTEIL FÜR SIE ALS UNTERNEHMER BESTEHT DARIN, dass hochmotivierte Arbeitskräfte sofort zur Verfügung stehen und bei einem derartigen Beschäftigungsverhältnis der Arbeitgeberbeitrag für die Sozialversicherung bei den Lohnkosten entfällt.“ Das sei eine „Alternative zu einer Produktionsverlagerung ins Ausland“ – weil mindestens so billig! Das Gefängnis wird als „verlängerte Werkbank“ beworben und das billige Produzieren dann auch noch als CSR-Maßnahme (Corporate Social Responsibility) für Unternehmen verkauft. Arbeiten für private Auftraggeber_innen können im Einzelfalle übrigens auch außerhalb des Gefängnisses verrichtet werden.

Eine dritte Möglichkeit der Gefängnisarbeit stellen Tätigkeiten dar, die im Gefängnis anfallen (Kochen, Putzen, Verwaltung, Bibliothek,…), welche allesamt wenn möglich von Insass_innen zu erledigen sind. Die Zuweisung zur Arbeit geschieht je nach körperlicher Konstitution, Ausbildung, Strafe und der Gefahren- und Missbrauchseinschätzung seitens der Justizbeamt_innen, und zu guter Letzt ist auch noch „endlich auch auf seine Neigungen angemessen Rücksicht zu nehmen“ (StVG). Die Arbeitszeit richtet sich nach der allgemeinen Höchstarbeitszeit und die Entlohnung erfolgt, so die Arbeitsleistung zufriedenstellend war, nach einem Schema, dass in der niedrigsten Vergütungsstufe einen Monatslohn von in etwa 640 Euro und in der höchsten von 960 Euro ausmacht. Davon werden dann 75 % als Kosten für Logis und Verpflegung und der Arbeitslosenversicherungsbeitrag abgezogen. Die Hälfte von dem was dann überbleibt, wird an die jeweilige Person als Taschengeld ausgehändigt.

UM DIE ZEIT HINTER GITTERN „SINNVOLL ZU GESTALTEN“ muss der Vollständigkeit halber gesagt werden, dass auch Fort- und Ausbildungen sowie „Freizeitangebote“ in den JVAs möglich sind: neben der verpflichtenden Einrichtung einer Gefängnisbücherei in allen Anstalten – bei der übrigens auf fremdsprachige Sprachgefangene unbedingt Bedacht zu nehmen ist – können „mangelnde Fertigkeiten und Kenntnisse“ nachgeholt werden. So die „Oberen“ das gut heißen.


FUSSNOTEN

(1) Ramón Reichert: „Homo Laborans. Allgemeine Gefängnisstimmung und das Leitbild der Arbeit“, in: Kulturrisse 03/2004

(2) hier zum Download: http://strafvollzug.justiz.gv.at/_downloads/Folder%20Unternehmerarbeiten.pdf

online seit 04.11.2013 09:05:43 (Printausgabe 64)
autorIn und feedback : Nikola Staritz




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