menueleiste1
home archiv suche messageboard abo hier gibts malmoe feedback alltag verdienen regieren widersprechen funktionieren tanzen erlebnispark
Wieder aufgetaucht

Die Debatte um Wasserprivatisierung

Sie ist wieder da, die Debatte um „Wasserprivatisierung“. Diskutiert wird etwa über den Entwurf einer EU-Konzessionsrichtlinie zu Wettbewerbsregeln im Wassersektor, eine dagegen aufrufende Europäische Bürgerinitiative namens „Wasser als Menschenrecht“ (1), sowie in Österreich über politische Stellungnahmen quer durch das Parteienspektrum.

EIGENTLICH SCHIEN DIE SACHE IN „DIESER“ Form schon fast erledigt. Das Paradigma der Privatisierung städtischer Wasserwerke schien noch vor ein paar Jahren als überwiegend gescheitert. Nachdem in den 1990er-Jahren unter dem Druck internationaler Finanzinstitutionen weltweit zahlreiche Konzessionen für den Betrieb städtischer Wasserwerke an einige der damals größten transnationalen Multi-utility-Konzerne übergeben worden waren, zeigten sich spätestens seit der Jahrtausendwende unlösbare Widersprüche. Gerade die, von den zuvor finanziell ausgetrockneten Kommunen erhofften, langfristigen Investitionen in die Infrastruktur wurden nicht getätigt und statt dessen unter der Prämisse „Kostendeckung“ die Verbrauchspreise drastisch gesteigert. Die in vielen Fällen dramatischen sozialen und ökologischen Effekte führten zu Protesten und wurden von einer wachsenden und zunehmend gut vernetzten globalen Wasserbewegung erfolgreich politisiert.

Angesichts der hohen ökonomischen und politischen Risiken sowie der Feststellung, dass langfristige Investitionen in Infrastruktur und eine flächendeckende Versorgung auch armer Bevölkerungsteile nur in äußerst günstigen Fällen profitabel betrieben werden können, reorientierten auch Unternehmen ihre Strategien: Privatsektorbeteiligung in der flächendeckenden Trinkwasserversorgung wurde entweder an finanzielle Garantien gekoppelt oder auf ausgewählte profitable Teilbereiche fokussiert (wie etwa die Bereitstellung von Aufbereitungstechnologien). In der Trinkwasserversorgung zeichnete sich seither eher ein Trend in Richtung „Rekommunalisierung“ ab – verbunden mit allen praktischen Fragen, was es überhaupt heißen kann, ein „öffentliches Unternehmen“ (wieder) zu betreiben. (2)

DIE DERZEIT WIEDER AUFKOMMENDE KONTROVERSE um „Wasserprivatisierung“ erscheint vor diesem Hintergrund als eine Klammer für sehr verschiedene Anliegen. Das könnte dringend notwendige Debatten anschieben. Die bislang damit einhergehende begriffliche Ungenauigkeit ist aber auch gefährlich. Denn mit der Forderung „Privatisierung verhindern“ lassen sich zwar inzwischen einfache politische Punkte erzielen, sie reicht aber nicht, da die Konfliktlinien im Wassersektor komplizierter (geworden) sind.

Da ist zum einen der andauernde und sich eher verstärkende Trend der Kommerzialisierung öffentlicher Unternehmen, auch im Bereich der Daseinsvorsorge. Auch dort wird mittlerweile gewinnorientiert operiert, es wird filetiert und ausgegliedert, und zahlreiche Stadtwerke agieren inzwischen auch international. Zum anderen treffen Austeritätspolitiken gerade diese Sektoren besonders hart. Und die EU-Vorschläge für die „Krisenländer“ zeigen, dass dabei noch nicht mal das Modell der Vollprivatisierung von Wasserwerken vom Tisch ist. Darüber hinaus zeichnen sich jenseits der Debatte um die Trinkwasserversorgung bereits wachsende sozialökologische Konflikte ab, wie und für wen der immense Wasserbedarf für das Wachstum der „Green Economy“ abgesichert werden kann (z. B. für Agrarindustrie, Rohstoff- und Energiegewinnung).

DIE „WASSERDEBATTE“ IST SICHERLICH IN Österreich besonders anfällig für „unheilige“ Allianzen und politisch fragwürdige Argumente, und für einige vielleicht gerade deshalb unattraktiv. Dringend notwendig erscheinen jedoch wieder grundsätzlichere und proaktivere Debatten, etwa darüber, nach welchen sozialen und ökologischen Kriterien öffentliche Unternehmen agieren sollten, welche sozialräumlich umverteilende Funktion Dienstleistungen der Daseinsvorsorge oder Service Publique erfüllen sollten, oder nach welchen Prioritäten kommunale Haushalte organisiert werden. Alles politische Fragen, die nicht nur technokratischen Institutionen überlassen werden müssen und die sich an vielen Orten soziale Bewegungen bereits selbstbewusst unter Stichworten wie water justice oder aber Demokratisierung der Naturverhältnisse angeeignet haben.


ANMERKUNGEN
(1) www.right2water.eu
(2) www.tni.org/tnibook/reclaiming-public-water-2

online seit 06.03.2013 00:28:17 (Printausgabe 62)
autorIn und feedback : Bettina Köhler




Feministische Ökonomie #6

Welcome to Prison Island
[01.10.2018,Dr. Ingo Schneepflug]


Feministische Ökonomie #5

Ökonomie und Gewalt
[28.09.2018,Dr. Ingo Schneepflug]


Privatisierung des ­Menschenrechts

Während die FPÖ sich ihren Lagerfantasien hingibt, wittern ÖVP-nahe Firmen unterdessen gute Geschäfte mit der Unterbringung von Schutzsuchenden
[02.05.2018,Bernadette Schönangerer ]


die nächsten 3 Einträge ...
 
menueleiste2
impressum kontakt about malmoe newsletter links mediadaten