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  Zwischen Glanz und Ruhm

PR oder Kritik: Backstage sind wir alle gleich

Kürzlich ging der bekannte Motorjournalist Phil Waldeck in Ruhestand und präsentierte zu diesem Anlass seine Autosammlung. Durch die Jahrgänge Spitzenmodelle ihrer jeweiligen Klassen, füllen sie seine weitläufigen Garagen, die er extra zu diesem Zweck unter einem kleinen Wald errichten hat lassen. All die Autos hat er zu Testzwecken bekommen und dann behalten dürfen. So dankte ihm die Autoindustrie für all seine Publicity.

Skepsis ist berechtigt: Phil Waldeck ist nach wie vor aktiv, und die Autos, über die er schreibt, stellen ihm die Hersteller, Importeure oder auch seine Freunde als Leihgaben zur Verfügung. Vielmehr geht es hier um ein Gleichnis, denn: PopjournalistInnen, der Autor inklusive, verfügen tatsächlich über mehr oder weniger große Sammlungen von Tonträgern, die uns als Trophäen unserer Berichterstattungen geblieben sind. Teilweise kommen sie selbstständig zu uns oder in die Redaktionen, teilweise bitten wir darum, wenn wir über einen Act berichten wollen. Alte Meister (tatsächlich sind es vor allem Herren) von großen Szenemedien erzählten mir aber von Zeiten der „Vollbemusterung“: Platten, CDs und teilweise auch Merchandise Material liefen in großer Menge ungefragt ein. Presseleute wurden zu Interviews und Präsentationen geflogen. Zu einer Zeit, als Tonträger nur physisch und oft beschränkt verfügbar waren, konnten Überschüsse lukrativ weiterverkauft werden. Inzwischen kommt die Musik über digitale Kanäle, was den Reiz der Tätigkeit offenbar nicht schmälert. Das niederschwellige Internet hat zwar wiederholt die Geschäftsmodelle der Popmusik ramponiert, aber zugleich die Möglichkeiten vermehrt, sich mit Pop zu schmücken: als BloggerIn, in einem Webzine, oder mit geringstem Aufwand in einem virtuellen Umfeld, dem Popmusik als Inhalt und Ware dient: Wer Videos und Musik direkt auf Youtube oder über Social Media kommentiert, genießt den Abglanz des Popstartums. JedeR will dazugehören. Das war schon immer das Prinzip Pop.

PromotorInnen oder Nerds – süchtig sind sie alle!

Die Autotests in meiner Tageszeitung sind mittlerweile von Compliance-Hinweisen umgeben, bei CD- und Konzertkritiken ist Derartiges kaum üblich. Die Aussicht auf Gratis Musik hat viele Popmedien ins Leben gerufen. Meist verhalten sich PR und Presse symbiotisch, Popkritik stellt ein Kuriosum dar: Die Idee der professionellen Kritik an kultureller Produktion, wie sie die bürgerliche Gesellschaft im 19. Jh. für Musik und Theater hervorgebracht hat, trifft beim Pop auf Marktschreierei: Die ersten Radioprogramme wurden von den Geräteherstellern gestaltet, Musik von Platten war ein billiger und beliebter Inhalt (LivemusikerInnen kosteten mehr). So entstand in den USA das Hitradio: kommerziell erfolgreiche Platten und Radio-DJs, die dazwischen als unterhaltsame Marktschreier für Musik und andere Produkte fungierten und damit bestenfalls selber populär wurden. In dieser Henne-Ei-Konkurrenz weiß niemand mehr, ob die Platten nun durchs Radio populär werden oder umgekehrt. Diesem Modell steht nun die Figur „Popkritiker“ gegenüber: Auch diese treibt Leidenschaft für das Produkt, dazu gesellt sich der bürgerliche Anspruch von Expertise, Distanz und Reflexion (freilich gibt es auch in der großen Kunst „Fanzines“ usw.). Gewissermaßen ist die Professionalisierung der Ausweg für heillose Nerds, während andere es schaffen, Kultur als Asset in ein „normales“ Leben einzubetten.

Selbst erfüllte Leidenschaft

Mit dem Erfolg wuchs das Misstrauen gegenüber den Mechanismen des Popstar-Hitradio-Systems: Fanzines wollten die PR Maschine der Industrie ausspielen und Musik präsentieren, die nicht diesen Kanälen entsprang. Der Idealismus der Fanzine-MacherInnen bedeutete oft Selbstausbeutung, Tonträger und Konzertkarten waren der Lohn. Mitunter bringt der eine oder andere Job als Promo-TexterIn ein Honorar – dieselbe Arbeit, aber nun für Geld. Warum nicht? Fixe Posten sind selten und setzen jahrelange Vorarbeit voraus. Das wissen auch die großen Player. In einer Jobbörse für Studierende suchte vor einigen Jahren ein heimisches Veranstalterkonglomerat jemand zum Schreiben von Reviews und Konzertkritiken für seine Website, für freien Eintritt und Gratis-CDs. Auf Kritik reagierten die Veranstalter mit dem Verweis, dass man ganz bewusst in einer Jobbörse für Studierende inseriert habe. In einer Zeit, wo große Medienunternehmen ganz ähnliche Strategien verfolgen, verhalten sich im Pop PR und Presse nicht symbiotisch, sondern eher wie zwei Seiten derselben Münze – oder Platte. Aber war das nicht schon immer so?

online seit 16.10.2015 11:34:57 (Printausgabe 72)
autorIn und feedback : PowLee




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