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Der 1. November als Restauration? Die AKP-Herrschaft in der Türkei verstehen Die AKP hat bei der Türkei-Wahl am 1. November dieses Jahres die absolute Mehrheit, die sie am 7. Juni verloren hatte, zurückgewonnen. Es scheint, als wäre es der AKP und Präsident Recep Tayyip Erdoğan gelungen, ihre zerbrochene Hegemonie zu restaurieren. Auch wenn die Festigung der politischen Macht fürs Erste gelungen sein mag, so ist diese Schlussfolgerung dennoch ein Trugschluss: Die Türkei befindet sich weiterhin in einer tiefen ökonomischen und politischen Krise, ausgelöst durch die Weltwirtschaftskrise und die seit 2013 offen sichtbaren Widersprüche der AKP-Herrschaft. Diese Widersprüche fanden ihren Ausdruck im Gezi-Aufstand im Juni 2013 und im Erstarken der kurdischen Bewegung – das Land kam seither nicht mehr zur Ruhe. Für ein adäquates Verständnis der aktuellen Situation gilt es, das sozio-ökonomische Modell der AKP und seine Widersprüche zu verstehen. Bei der Wahl 2002 war die AKP, nur ein Jahr nach der Parteigründung, allein an die Macht gekommen. Dieser Erfolg war bedingt durch den Bankrott aller großen Parteien in den 1990ern (das „Krisenjahrzehnt“), der in der größten wirtschaftlichen Krise der Republik Türkei 2000/2001 seinen Höhepunkt fand; und andererseits durch die Zusammenführung mehrerer Strömungen des rechts-konservativen Lagers und der Unterstützung aller großen Kapital- und Mediengruppen. Die Vorgeschichte Während die AKP ihre Politik als einen Bruch mit dem alten korrupten System und dessen Eliten darstellt, ist ihr Erfolg nur auf Basis der Entwicklungen seit dem Militärputsch 1980 zu verstehen. Der Putsch war gegen die stärker werdende organisierte Linke und Arbeiter*innenbewegung gerichtet. Die Grundlinien des damals brutal installierten Systems setzen sich bis heute fort. Die zwei wesentlichen Ziele des Putsches waren die Einführung des Neoliberalismus in der Türkei und die Durchsetzung eines nationalistisch-konservativen Gesellschaftsmodells. Dies sollte unter Rückgriff auf die türkisch-islamische Synthese geschehen, deren ideologische Wurzel aus dem Umfeld der faschistischen MHP stammt. Diese Grundzüge hat die AKP weitergeführt, vertieft und in gewissem Sinne umfassend durchgesetzt. Zudem wurde an der Putschverfassung von 1982 zwar einiges verändert, im Grunde aber besteht diese bis heute fort. Die schrittweise Durchsetzung der AKP-Hegemonie Das ökonomische Programm der AKP in der Anfangsphase ihrer Herrschaft war nichts als die Umsetzung eines erzneoliberalen Programms, entworfen vom früheren Vizepräsident der Weltbank Kemal Derviş. Diese Phase fiel mit günstigen internationalen Wirtschaftsbedingungen zusammen, von denen die türkische Wirtschaft, die stark vom Fluss internationalen Kapitals abhängig ist, profitierte. Das „legendäre“ Wirtschaftswachstum war allerdings ein typisch neoliberales: Während die Profite in der Bauwirtschaft und im Dienstleistungssektor explodierten und gleichzeitig eine ungeheure Finanzialisierung stattfand, stiegen die Reallöhne der Arbeiter*innen nicht oder sanken in einigen Sektoren sogar. Allerdings ist es kein Zufall, dass die Mehrheit der armen und arbeitenden Bevölkerung die AKP wählt. Besonders über zwei Mechanismen wurde sie in das AKP-Projekt ökonomisch eingebunden: zum einen durch – ideologisch islamisch verkleidete – Charity und relativ willkürliche, teilweise direkt an die Partei gebundene sozialstaatliche Maßnahmen, zum anderen durch den stark erleichterten Zugang zu Privatkrediten. Das Volumen von Verbraucher*innen- und Kreditkartenkrediten stieg von 2004 bis heute von 27 Milliarden Neuen Türkischen Lira auf etwa 350 Milliarden Türkischen Lira – umgerechnet von etwa neun auf rund 113 Milliarden Euro. Über diese Kredite wurde also auch bei Bevölkerungsschichten, die eigentlich an der Konsumkultur nicht teilhaben konnten, der Eindruck erweckt, dass es ihnen unter der AKP ökonomisch viel besser gehe. Gesellschaftlich-ideologisch machte sich die AKP daran, einem konservativ-religiösen Lebensstil alleinige Hegemonie zu verschaffen. Dazu brachte sie Schritt für Schritt alle wesentlichen Staatsapparate sowie die staatlichen und privaten Medien völlig unter ihre Kontrolle. Diesen Prozess verkaufte sie als „Demokratisierung“, als Kampf gegen die alten Eliten, besonders gegen die Militärs. Spätestens mit dem Verfassungsreferendum 2010, das die Dominanz des Militärs brach und stattdessen eine zivile Diktatur der Exekutive (Polizei und Justiz) errichtete, schien dieses Ziel vollends erreicht. Das Auseinanderbrechen der Hegemonie In den Jahren 2011-12 war die AKP auf der Höhe ihrer Macht und nichts schien sie aufhalten zu können. Alle Opposition im Staat war gebrochen, die kurdische Bewegung war noch nicht wieder erstarkt, die ökonomische Lage war noch gut und die Aufstände des arabischen Frühlings ließen das Modell Türkei – moderater-pragmatischer Islam plus Neoliberalismus – als Vorbild im ganzen Mittleren Osten erscheinen. Doch dann kam es Schlag auf Schlag: Die Weltwirtschaft erlahmte und die Krise erreichte mit etwas Verzögerung auch die Türkei. Mit dem Gezi-Aufstand 2013 wurde der AKP-Hegemonie zum ersten Mal von unten ein schwerer Schlag versetzt. Diese Risse führten zum Konflikt zwischen der AKP um Erdoğan und der Cemaat-Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, die instrumentell und wichtig in der Übernahme der Staatsapparate war (Polizei, Justiz, Medien). Hinzu kam der Aufstieg der kurdischen Bewegung mit der Revolution in Rojava. All diese Faktoren führten zur Wahlniederlage der AKP am 7. Juni. Nach der Wahl am 1. November scheint es, als hätte die Politik von Krieg und Angst funktioniert und die AKP um Erdoğan ihre Macht wiederhergestellt. Angesichts der lauen Wirtschaftslage und weiter bestehender hoch explosiver sozialer Widersprüche, sowohl innen- wie auch außenpolitisch, ist die von der AKP versprochene „Stabilität“ jedoch eine trügerische. Die Aufgabe der demokratischen und revolutionären Kräfte in der jetzigen Periode ist somit auch klar: Die Intensivierung der sozialen Kämpfe in der ganzen Türkei und die Verbindung dieser mit dem Kampf der kurdischen Bewegung. online seit 07.12.2015 12:49:54 (Printausgabe 73) autorIn und feedback : Güney Işıkara, Alp Kayseriloğlu, Max Zirngast |
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Schauprozess gegen die Röszke11 Ein Update zur ungarischen Abschottungspolitik (September 2017, aus: MALMOE #80) [14.11.2018,Bernadette Schönangerer] Wadde hadde Dudde da? Lars* Kollros und Alexandra Zaitseva präsentieren mit Festival der Demokratie einen Film, der sorgfältig die Geschehnisse rund um den G20-Gipfel 2017 mittels Interviews aufbereitet. Zum Haareraufen. [06.11.2018,Frank Jödicke] Ein Weg aus der Sackgasse? Eine „Streitschrift für eine politisch unkorrekte Links-Linke“ versucht einen solchen aufzuzeigen [05.10.2018,Frederike Hildegard Schuh] die nächsten 3 Einträge ... |
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