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Zur Plage …

… der Sommerlochdebatte über die Fristenlösung

„Ungewollte Schwangerschaften sind Teil des Lebens“, meinte Christian Fiala, ärztlicher Leiter des Gynmed Ambulatoriums in Wien und Initiator des Museums für Verhütung & Schwangerschaftsabbruch, lapidar, als Anfang August SPÖ-Gesundheitsminister Alois Stöger das innenpolitische Sommerloch füllte. Stöger hatte in einem „News“-Interview gefordert, es müsse in jedem Bundesland bzw. jeder Region zumindest ein öffentliches Spital geben, das Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Und er dachte laut darüber nach, Abtreibungen in den Katalog der Mindestanforderungen aufzunehmen, die im Zuge der geplanten Spitalsreform erfüllt sein müssen, um Geld vom Bund zu erhalten.

Derzeit gibt es im Burgenland überhaupt keine Möglichkeit, einen Abbruch durchführen zu lassen, und in Tirol und Vorarlberg existieren nur insgesamt drei private Ambulatorien, die zudem immer wieder von militanten AbtreibungsgegnerInnen belagert werden. „Es geht aber nicht, dass man Schwangerschaftsabbrüche aus ideologischen Gründen prinzipiell nicht anbietet“, so Stöger in Richtung Westen. Womit er die nun folgende Debatte schon vorwegnahm. Die üblichen Plagegeister der Nation, FPÖ, ÖVP und katholische Kirche, heulten unisono auf – es gebe kein Recht auf Abtreibung, Abtreibung sei keine staatliche Aufgabe, Stöger ermutige zu Abtreibungen, man müsse vielmehr „Mut zum Kind“ machen, man dürfe ÄrztInnen nicht zwingen, Abtreibungen vorzunehmen, und Stöger habe die Fristenlösung nicht verstanden.

Geltendes Recht vs. herrschende Praxis

Das Strafgesetz, das Abtreibungen verbietet und mit Freiheitsstrafen ahndet, stellt sie straffrei, wenn sie in den ersten drei Monaten nach ärztlicher Beratung und durch eine/n ÄrztIn vorgenommen werden. Dem Ganzen wurde noch eine sogenannte „Gewissensklausel“ beigestellt, die besagt, dass kein/e ÄrztIn – außer bei Lebensgefahr für die Schwangere – verpflichtet ist, eine Abtreibung durchzuführen oder an ihr mitzuwirken (§ 97, Abs. 2 StGB). Und Absatz 3 besagt, dass kein/e ÄrztIn beruflich benachteiligt werden darf, egal, ob er/sie sich für oder gegen das Vornehmen von Abbrüchen entscheidet.

Dieser seit 1975 geltende Gesetzestext sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben und v. a. in Krankenhäusern dazu führen, dass sich die ÄrztInnenschaft frei entscheiden kann – was aber mitnichten der Fall ist, wie Sandra Ernst-Kaiser in einem diestandard-Kommentar verdeutlicht: „Die nach wie vor von konservativen Kräften geführte Ärztekammer etwa“, schreibt sie, „nimmt dabei eine bedeutende Rolle ein. Denn exponiert sich eine Ärztin/ein Arzt als BefürworterIn, muss sie/er mit Karrierebrüchen oder anderen Schwierigkeiten rechnen. An der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck wurde in den 1970er Jahren ein Beschluss gefasst, dass grundsätzlich keine Schwangerschaftsabbrüche im Sinne der Fristenlösung durchgeführt werden dürfen. Dieser Beschluss gilt bis heute.“ Und als Mitte der 2000er Jahre die Salzburger SPÖ-Landeshauptfrau Gabriele Burgstaller Abtreibungen in öffentlichen Spitälern forderte, konnte man sich nur auf ein merkwürdiges Modell einigen: Seit 2005 führen MitarbeiterInnen des Wiener Gynmed Ambulatoriums im Landeskrankenhaus Salzburg an einem Tag in der Woche Abbrüche durch.

Maßnahmen zur Verbesserung der Situation

„Es wird ja eine ganze Personengruppe, nämlich die Frauen, nicht ernst genommen, wenn es in ganz Westösterreich kein Angebot gibt“, begründete Alois Stöger in dem Interview seine Initiative. Er solle sich zurückhalten, tönte es aus Tirol, und in Vorarlberg wurde Anfang September ein entsprechender Antrag der SPÖ im Landtag von der ÖVP-FPÖ-Mehrheit abgelehnt.

Dabei hat Stöger ja nicht einmal gefordert, dass die Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch gestrichen oder dass der Eingriff von den Krankenkassen bezahlt werden soll. Das wären aber die geeigneten Maßnahmen, um diese vor reaktionären Ideologismen triefenden Debatten zu verhindern, die wie das Amen im Gebet auf jeden Versuch folgen, die Situation auch nur ein wenig zu verbessern. Die heutige Lage in Westösterreich führt zur willkürlichen Festsetzung der Tarife durch die drei privaten Anbieter, von den entstehenden Reise- und Aufenthaltskosten ganz zu schweigen. Sehr junge Frauen, die noch nichts oder nur sehr wenig verdienen, oder Frauen, die gerade aufgrund ihrer prekären ökonomischen Situation die Entscheidung für eine Abtreibung fällen, betrifft das durchaus auch finanziell. Verschärft wird das Ganze dann noch, wenn die Frauen ihr Vorhaben verheimlichen müssen. Die Stellungnahme des burgenländischen Gesundheitslandesrats Peter Rezar zum Vorstoß seines Parteikollegen Stöger war in dieser Hinsicht durchaus verräterisch. Das Burgenland, so Rezar, sei zu klein, um Anonymität zu gewährleisten: „Aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte wissen wir, dass Burgenländerinnen die Anonymität im Großraum Wien und Graz suchen.“ Warum wohl?

online seit 17.10.2011 14:39:42 (Printausgabe 57)
autorIn und feedback : Sylvia Köchl




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