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Zur Plage …

... staatlicher Repression gegen die Tierrechtsszene in Europa

Von Wr. Neustadt und Santiago de Compostela

Nach über einem Jahr Prozess verkündete Richterin Sonja Arleth in Wr. Neustadt am 2. Mai 2011 das Urteil im Verfahren wegen „Bildung einer kriminellen Organisation“ nach § 278a und sprach alle 13 angeklagten Tierrechtsaktivist_ innen frei. Die Wende im Prozess stellte die Enttarnung der Verdeckten Ermittlerin „Danielle Durand“ dar. Sie war von Aktivist_innen ausgeforscht und als Zeugin geladen worden. Ihr durchwegs entlastender Bericht und vor allem die Tatsache, dass die „Soko Bekleidung“ diesen vorenthalten hatte, dürften bei der Richterin ein Umdenken veranlasst haben. In der Urteilsbegründung erteilte Arleth den Vorwürfen von Staatsanwalt Handler eine überraschend deutliche Absage. Handler meldete Berufung an, derzeit warten alle auf die Ausfertigung des schriftlichen Urteils. Die Erleichterung über den Freispruch soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass er die Ereignisse der letzten drei Jahre nicht ungeschehen machen kann, zu tief und verheerend waren die Einschnitte in das Leben aller Betroffenen.

Ähnliche Erfahrungen müssen derzeit Aktivist_innen in Spanien machen: Am 22. Juni wurden dort bei Hausdurchsuchungen elf Personen verhaftet, acht von ihnen sind mittlerweile auf Kaution frei gekommen, über drei wurde U-Haft verhängt. Die Tierrechtler_innen von Equanimal und Igualdad Animal werden mit Hilfe des Vorwurfs der „kriminellen Organisation“ für Befreiungen von Nerzen aus Zuchtbetrieben verantwortlich gemacht. Die österreichischen und spanischen Behörden folgen damit einem internationalen Trend der verstärkten Repression gegen Tierrechtsaktivist_innen, dem auch im kürzlich erschienen Buch zum §278a-Prozess einige Kapitel gewidmet sind.

§278a – Gemeint sind wir alle!

„… einer der Demonstrant_innen läuft sogar meinem Transporter ein Stück nach. Ich winke durch das winzige Fenster raus. Mir kommen die Tränen. Offenbar haben doch Leute mitbekommen, dass wir verhaftet wurden. Das beruhigt mich erst mal etwas. Leute wissen, wo ich bin, und ich bin nicht vergessen.“

Einen Monat nach Ende des §278a-Prozesses Anfang Mai dieses Jahres erscheint der Sammelband „§278a – Gemeint sind wir alle!“, herausgegeben vom Politikwissenschafter, Mitglied der Basisgruppe Tierrechte und Angeklagten Christof Mackinger und der Historikerin und Tierrechtsaktivistin Birgit Pack im Rahmen der politischen Edition „kritik und utopie“ des Mandelbaum Verlages. Er beschreibt und analysiert in mehreren Texten verschiedener Autor_innen den Prozess gegen die Tierbefreiungsbewegung Österreichs und stellt seine politischen Hintergründe dar. Er ist direktes Sprachrohr eines Teils der Betroffenen und somit ein weiterer Widerstand gegenüber staatlicher Repression. Die erste Hälfte des Bandes konzentriert sich auf die chronologische Dokumentation und Analyse der Ereignisse seit Beginn der Ermittlungen bis zum Prozessende. Die Aufarbeitung ist dabei sehr detailliert, wird aber durch ausgewählte Zitate und beigefügte Infoboxen niemals langweilig.

Einzig und allein das Ende der Chronologie, das überraschende Urteil, ist in seiner Beschreibung sehr kurz geraten, was sich wohl mit dem fast zeitgleichen Erscheinen des vorliegenden Bandes erklären lässt. Die Herausgeber_innen betonen dabei schon im Vorwort, dass die Dokumentation nur vorläufig einen Abschluss gefunden hat, denn das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Vor allem die Darstellung der Zeit in der Untersuchungshaft beschreibt die alltäglichen und psychischen Auswirkungen von staatlicher Repression, wie Depressionen, Zukunftsängste, Jobverlust etc. auf die Betroffenen. Wir erfahren, wie wichtig solidarische Aktionen wie Kundgebungen oder Briefkontakte mit den Gefangenen sein können, wie sie Trost und Kraft spenden und dabei helfen, sich vom Gefühl der Hilflosigkeit nicht auffressen zu lassen, wenn sich der gewaltige Staatsapparat gegen die eigene Person richtet.

Der zweite Teil des Bandes widmet sich der Auslotung des politischen Hintergrundes der Repression. Dabei wird deutlich gemacht, dass die Paragraphen 278ff. auch ein institutionalisiertes Instrument rassistischer Verfolgung darstellen – wurden sie doch in der Vergangenheit vielfach gegen Migrant_innen eingesetzt (Operation Spring bspw. war einer der ersten Anwendungsfälle). Nun werden sie vermehrt auf politische Aktivist_innen angewendet. Die Kriminalisierung von politischem Aktivismus ist nichts Neues. Die erstaunliche Tragweite aber, in der mit aller Kraft die Tierbefreiungsbewegung zu einer gesellschaftlichen Gefahr stilisiert wird, wird in der zweiten Hälfte des Bandes deutlich, die sich auch mit der internationalen Verfolgung von Tierrechtsaktivist_innen beschäftigt. Beispielsweise bezeichnet die US-Regierung Tierrechts- und Umweltaktivist_innen als größte terroristische Gefahr aus dem eigenen Land.

Der Band schließt mit solidarischen Statements, Prozesserklärungen einiger Angeklagter und einer Auflistung unterschiedlicher Solidaritätsaktionen seit der Untersuchungshaft. „278a – Gemeint sind wir alle!“ informiert sachlich, stimmt traurig über die Schicksale der Betroffenen, amüsiert durch die Absurditäten der Ermittlungsstrategien der Soko oder der Prozessführung, schockiert durch internationale Vergleichsbeispiele und ist vor allem aufgrund seiner inhaltlichen Vielfalt lesenswert!


Literatur
Mackinger, Christof/Pack, Birgit (Hg.): „§278a: Gemeint sind wir alle! Der Prozess gegen die Tierbefreiungs-Bewegung und seine Hintergründe.“, Wien, Mandelbaum Verlag, 2011

online seit 22.08.2011 17:23:04
autorIn und feedback : B.Y.




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