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  Stadt / Land

Flucht & Liebe

Die Stadt als Freiraum, als Zufluchtsort für die Misfits vom Land. Kultur, Nachtleben, nicht nur eine, sondern verschiedene Szenen zum Aussuchen? Aber auch Städter_innen brauchen manchmal frische Luft und sehnen sich nach dem Land. Manche gehen sogar so weit, dort hin zu ziehen, starten Biolandwirtschaften und politische Projekte abseits der städtischen Blase. Speziell in Österreich ist das Verhältnis zwischen der einzigen Großstadt Wien und den Bundesländern traditionell ein schwieriges. Von Großkopferten und Gscherten, Landeiern und Stadtratten – ein Diskursiv.


I want to live close to downtown
to be near my friends
I want to be close to them,
And still be out by the trees and the wind
Havin’ both will be hard to find I’m sure,
But then ain’t that the way of the world,
I want the city but I want the country too.

I want to be with my friends by the fire
and the starlight
But I want music, music in my life
Yes, I want a bar hoppin’ music scene
And I want to pick from ten or fifteen
I want the city but I want the country too.

My mind is quiet, when my thoughts are slow
I stop to learn what I been wantin’ to know
I need to live in the ancient world
If I’m gonna do what I want to do
I want the city but I want the country too

I’ll never have both moon and sun
But one never knows, does one?
I want the city but I want the country too.

(City vs. Country, Jonathan Richman)






Kirche, Landjugend, ­Postbushaltestelle

Am Land gab’s für mich sozial wenig Anknüpfungspunkte. Zur Auswahl standen die katholische Jungschar, die Landjugend und die Kids, die sich am Wochenende an der Postbushaltestelle treffen, um dort zu rauchen, zu trinken und auf den Boden zu schlatzen. Die Dorfkinder teilten sich nach der Volksschule ungefähr im Verhältnis 1:10 auf Gymnasium (Stadt) und Hauptschule (anderes Dorf) auf, um fortan nie wieder miteinander zu reden. War das Gymnasium schon in Richtung Abfallen von der Kirche verdächtig, wird spätestens mit dem geisteswissenschaftlichen Studium eine gewisse Entfremdung deutlich. Eben noch im Queer Theory Seminar, schon zu Besuch im Paralleluniversum, wo die Geschichten von „tüchtigen Burschen“, „liaben Madln“ und „genügsamen Frauen“ handeln (die zwar zeitlebens von ihren Männern eingesperrt worden waren, sich aber trotzdem nie beschwerten). Dort im Dorf herrscht die ÖVP quasi absolut und wer Bürgermeister ist, bleibt das meist auf Lebenszeit. Politisiert und getratscht wird in den Real-Life-Echokammern, auf dem Kirchenplatz und im Wirtshaus.

Zu Besuch in der Provinz bringe ich gerne ein bisschen Distanz zwischen mich und mein Dort-Aufwachsen. Hie und da ein „ur“ ins Gespräch eingestreut - das mögen sie am Land gern. Die Arroganz der Wiener_innen, alles außerhalb Wiens pauschal als „Land“ zu bezeichnen ist übrigens leider ansteckend. Aber auch das Land verändert sich. Während manche Gegenden richtiggehend aussterben, Postämter gibt es sowieso kaum mehr, und in vielen Orten Volksschulen und Pfarrhöfe aufgelassen werden, bekommt stadtnahes Land, wie das Dorf in dem ich aufgewachsen bin, zunehmend den Charakter von Vorstädten. Junge, moderne Menschen ziehen dort hin(aus) und starten Projekte, die mit Solarenergie, Bio-Landwirtschaft und Nachhaltigkeit zu tun haben. Das Land, so scheint es mir, ist generell eher etwas für Leute, die aus der Stadt dort hin ziehen. Ich wiederum freue mich nach ein paar Tagen in der Natur, wenn’s zurück geht zur U-Bahn, zurück zum Beton.

Bernadette Schönangerer




Queere Freiheit auch auf dem Land!

Großstädte haben für LGBTIQ*s einiges zu bieten. Es gibt eine Vielzahl von Veranstaltungen und Partys, aber vor allem andere Menschen, mit denen sie sich identifizieren können. Der urbane Raum bietet somit die Möglichkeit, Gemeinschaft und Zugehörigkeit zu finden und sich in einem geschützten Rahmen auszuprobieren.

Aber was ist mit dem ländlichen Raum? Die dominantesten Diskurse, sowohl innerhalb als auch außerhalb der akademischen Welt, scheinen in dieselbe Richtung zu zeigen: In Städten findet ein queeres Leben jenseits der heterosexuellen Norm statt, während das Land als ein heterosexueller und oftmals rückständiger Raum beschrieben wird. Viele persönliche Geschichten handeln von der Freiheit der Stadt und der Enge des Landlebens und bestätigen diese Theorie.

Aber gibt es auch alternative Erzählungen dazu, Erzählungen, die ein positives Leben für queere Menschen auf dem Land zeichnen? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich im Rahmen eines Forschungsprojekts unterschiedliche Menschen auf dem Land interviewt, die unter den LGBTIQ*-Begriff fallen, und habe dabei queere Seiten des Landlebens entdeckt.

In Großstädten gibt es eine große Auswahl an Menschen, die zu Identifikation und Gemeinschaft einladen. Der ländliche Raum dagegen bietet die Natur, einen Ort der Ruhe und des Unbeobachtet-Seins, wo du zu dir selbst, wenn auch nicht zu anderen finden kannst. Eine Transfrau, mit der ich gesprochen habe, drückte es so aus: „Natur gibt mir ganz viel … da ist keiner, der mich blöd anguckt … da draußen ist nichts … und das ist immer sehr befreiend …“.

Aber es lässt sich auch in der Mitte der ländlichen Bevölkerung gut leben. Einer meiner Gesprächspartner, der in seinem Heimatdorf lebt, hat mir von seiner Travestiekarriere erzählt, die schon in den 1980ern in diesem Dorf begonnen und ernormen Zuspruch gefunden hatte. Noch immer hat er dort einen großen Fanclub. Als er jung war, zog es ihn in die Großstadt, aber heute fühlt er sich wohl auf dem Land und ist zusammen mit seinem Mann ein Teil der dörflichen Gemeinschaft.
Andere lehnen das Ideal eines städtischen queeren Lebensstils ab und suchen bewusst ein Zuhause auf dem Land, wie mir eine junge Frau berichtete, die vor ein paar Jahren mit ihrer Partnerin ein Haus in einem kleinen Dorf gekauft hat.

Diese Geschichten zeigen, dass das Landleben eine Freiheit jenseits der urbanen queeren Normen und einen ganz eigenen queeren (Spiel)Raum bieten kann.

Selma Steitz




Ruralize it!

Im Ersten Bezirk arbeiten zu müssen, ist kein Segen: Wähnt man sich im urbanen historischen Zentrum einer Großstadt, so wird man bitter enttäuscht. Am Wiener Heldenplatz reiht sich das Erntedankfest an die Steirerwochen, die Waldviertler Tage gehen nahtlos in das Tiroler Fest über, die nationalfeiertägliche Waffenschau tanzt in klassisch ausgelasser bis latent aggressiver, typisch österreichischer Stimmung Schuhplattler zu volkstümlicher Blasmusik vor dem zweitberühmtesten Balkon Wiens. Schäkernde Leute, die Hand immer gefährlich nahe am Ausschnitt der Nächsten, reden so, wie ihnen das Maul gewachsen ist. Der Duft nach Schnaps, Spanferkel und Speck erfüllt die Luft; Lederhosen, Dirndln und Lebkuchenherzen soweit das Auge reicht. Und mitnichten sind es nur die offiziell Reaktionären, die die Stadt zur Provinz machen: Auch am Ersten Mai ziehen massenhaft Blasmusikkapellen, bezahlt von der Sozialdemokratie, in Lodenkluft und Jägerhemd durch die Straßen Wiens – und ich meine nicht irgendwelche fetzigen Brassbands, sondern genau diese Tschimbum-Truppen, deren Rhythmusgefühl beim Preußischen Stechschritt beginnt und unter dem Tisch liegend endet. Wo bleibt hier der Kampf des aufgeklärten, fortschrittlichen Roten Wiens gegen den Rest des Landes?

Die meisten Menschen, die ich kenne und die am Land aufgewachsen sind, sind genau deshalb in die Stadt gekommen, weil sie das nie wieder erleben wollten. Doch jetzt werden sie heimgesucht von eben jenem Landleben, wie es am Land in dieser Reinform wahrscheinlich gar nicht möglich ist. Doch woher kommt sie, diese Landnahme des Provinziellen in der Stadt, die mit dem Oktoberfest-Wahn seit einigen Jahren traurige Höhepunkte feiert? Ist es die komplexe Welt vor der sich mancheine_r in die Idylle flüchtet? „Die Berg kennen ka Sünd’,“ denkt sich vielleicht das lustige Wienerherz und glaubt, auf dem Provinzfestl am Heldenplatz endlich alles raus lassen zu können, weil am Land ist das halt noch so! Ohne die maroden Stadtemanzen weiß man dort wenigstens noch, was a Manderl und was a Weiberl ist. Oder ist den Menschen wirklich jeder Anlass recht, um sich zu betrinken?

Nikola Staritz




Wien und das Bild vom „­Wasserkopf“

Eine Bezeichnung Wiens aus der Perspektive der anderen Bundesländer, die geläufiger wird, je mehr sich die Entfernung zu Wien vergrößert, ist die vom „Wasserkopf“. Sie geht zurück auf die Zeit unmittelbar nach der Transformation der Habsburgermonarchie in die Erste Republik Österreich, wodurch sich das Verhältnis Wiens zum restlichen Land wesentlich verändert hatte. Denn als eben noch politisches und administratives Zentrum eines Großreiches war Wien seit 1918 zur überdimensionierten Hauptstadt eines „geschrumpften Zwergstaates“ geworden. Der auf dem „schmachvollen“ Weg – nämlich über den Verlust fast aller Kronländer – in die Höhe geschnellte Anteil Wiens an der Gesamtbevölkerung und der überproportional gewordene Verwaltungsapparat veranlasste zynische Zeitgenoss_innen, der Stadt den Spitznamen „Wasserkopf“ zu verpassen. Der Begriff bezeichnete aber nicht nur das neue Verhältnis Wiens zum restlichen Österreich, das nicht mehr zu stimmen schien. Mit dem Bild des „Wasserkopfes“ war vielmehr der Vorwurf angesprochen, (das „Rote“) Wien lebe auf Kosten der (mehrheitlich schwarzen) Länder und entziehe seinem Hinterland deren erwirtschaftete Gelder. Mit seiner Unverhältnismäßigkeit würde der offenbar nicht besonders rationale Kopf den gesamten Staat gefährden, der mit den Attributen eines menschlichen Körpers vorgestellt wurde. Die Bezeichnung Wiens als „Wasserkopf“ geht aber über die Kritik an der ungleichen Verteilung staatlicher Gelder und dem sozialdemokratisch gelenkten Wiener Zentralismus hinaus. Denn sie bedient sich der Vorstellung einer „Missbildung“ des österreichischen Staates und belegt ihn mit dem Attribut der Lebensunfähigkeit. In dieser Hinsicht unterschied sich die Vorstellung vom „Wasserkopf“ zur Zeit der Ersten Republik wenig vom deutschnationalen Diskurs, der die Gebiets- und Identitätsbeschneidungen eines bereits konzipierten „Deutschösterreich“ bedauerte, wovon der österreichische Staat als „Krüppel“ übrig geblieben sei. Die Rede von der österreichischen Nation als „ideologische Missgeburt“ (Jörg Haider) oder gar die Verleugnung ihrer Existenz, wenn von der „geschichtswidrigen Fiktion einer ‚österreichischen Nation’“ gesprochen wird (Burschenschaft Marko-Germania, deren Mitglied Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer ist), sind aktuelle Beispiele dieses Denkens, das von der historischen Verwendung des „Wasserkopfes Wien“ nicht ganz zu trennen ist.

Eva Hallama




Die Natur hinter der Windschutzscheibe

Das beschauliche Örtchen Finkenstein, am Fuße des malerischen Kanzianiberges, verfügt über ein kurzes Gässlein, genannt Fliedergasse. Diese Gasse wurde jüngst in die ehemalige Weide hinein verlängert, um dort Eigenheimträume zu bauen. Weshalb die Fliedergasse „Fliedergasse“ heißt? Prosaische Geister vermuten einen Zusammenhang mit dem großen Fliederstrauch, der am Wegesrand wächst. Da die Eigenheimträume ausschließlich mit Kfzs beschickt werden, die alte Gasse aber sehr schmal ist, entstand das praktische Bedürfnis, eine Ausweichmöglichkeit zu haben, um die Fahrzeuge aneinander vorbeizuführen. Zu diesem Behufe sollte der Fliederstrauch gestutzt oder ganz ausgerissen werden. Eine energische Anwohnerin verhinderte dies. Dieses kurze und wahre Geschichtlein gemahnt an ein wichtiges Faktum: Das Leben auf dem Land ist keines in der Natur, sondern eines im Auto.

Das Auto ist viel wichtiger als die Natur. Wer das Land erfährt, erfährt es durch eine Windschutzscheibe. Die Distanzen sind groß und somit verbringen LandbewohnerInnen einen wesentlichen Teil ihres Lebens hinter dem Steuerrad. Alternativen gibt es keine. Der Fahrplan der Finkensteiner Bushaltestelle führt zwar neckisch die Rubrik „Sonn- und Feiertag“, aber diese ist ohne Eintrag. Wer kein Auto hat, bleibt sonntags daheim. Dies wird meist nur von StadtbewohnerInnen als bedauerlich empfunden, am Land überwiegt die Liebe zum Automobil. Längst sind die SUVs auf die Größe von Schützenpanzern angeschwollen und der Flieder der „Fliedergasse“ wird ihnen früher oder später allein deswegen zum Opfer fallen, weil sich nicht einmal mehr ein einzelnes Fahrzeug durch die Gasse wird zwängen können.

Die Gasse wird übrigens auch ohne Flieder weiterhin „Fliedergasse“ heißen und nicht etwa „Breite Gasse“ oder „Ausweichmöglichkeitsgasse“, denn die Menschen schätzen die Natur den Worten nach. Nur ist die Liebe der Leute aus der Stadt zwar recht sentimentalisch, die der LandbewohnerInnen aber kein bisschen naiv. So wie das Fell des Panthers allein durch Gitterstäbe bewundert werden kann, weil eine Raubkatze ohne Käfig ein gehöriges Ärgernis ist, so ist ein blühender Flieder im Frühlingswind lediglich ein Fotomotiv für die Fremdenverkehrsbroschüre. Taucht das überflüssige Gewächs beim Zurücksetzen im Rückspiegel auf, dann steigt zuverlässig eine Grausbirn über den Schultern der geplagten AutofahrerInnen auf. Deswegen gehört es einfach entfernt. Und wie die Menschen Indiens ihre Panther kaum je vermissen, weinen KärntnerInnen bei freier Fahrt keinem lästigen Gehölz hinterher. Das machen allenfalls die naiven und sentimentalen StadtbewohnerInnen. Während der Sommerfrische.

Frank Jödicke




Der Blick über den ­Gartenzaun

Viele entfliehen der Engstirnigkeit der Dörfer, wo es schon reicht, nicht über Autos reden zu wollen oder Schwulenwitze nicht witzig zu finden, um anzuecken und zur Närr_in erklärt zu werden. In der Stadt treffen sie auf Gleichgesinnte und auf Interesse, anstatt auf die tauben Ohren der ewig gleichen Platzhirschen, die einem übers Maul fahren und der Lächerlichkeit preisgeben. Dort gewinnen sie an Selbstvertrauen, erheben ihre Stimme, formen politische Subjekte und fordern ihren Platz ein.

Die sozialistische Stadt befriedet solche Initiativen, schüttet Fördermittel aus und stellt ihnen Spielwiesen zur Verfügung. Die neoliberale Stadt greift auf das kritische Potential zurück und nutzt es für die urbanen Creative Industries oder für die Informations- und Dienstleistungsbranchen. Allen ihr Narrenkastl, in denen sie sich in selbstreferentiellen Diskursen austoben oder zur Schau stellen können. Außerhalb ihrer Blase bleiben diese Diskurse ebenso bedeutungslos wie die Äußerungen des Dorfdeppen am Land. Der einzige Unterschied ist, sie sind weniger einsam.
Die Stadt ist Quelle und Produkt der kapitalistischen Weltökonomie: Als Bäur_innen zu Arbeiter_innen wurden und in die Arbeiter_innenbaracken an den Stadtrand zogen, begannen die Städte rasch zu wachsen. Die Urbanisierung der Welt ist auch heute eines der einschneidendsten Prozesse der kapitalistischen Welterschließung. Zahlreiche Versorgungssysteme (Fließwasser, Energie, Wohnraum, Nahrung, Arbeitsvermittlung) verbinden die urbanisierten Menschen mit der globalisierten Wirtschaft. Sie werden ihnen zur alltäglichen Natur. Im Gegenzug verlieren sie die Hoheit über ihre Reproduktion an globale Akteur_innen, die den Zugang zu den Pipelines und Netzwerken managen.

In der Peripherie versuchen sich deswegen wieder Menschen in der Selbstversorgung, dem Einkochen, dem Nachernten und Verwerten der Reste, die von der Agroindustrie auf den Feldern liegenbleiben. Sie bauen Kontakte zu lokalen Produzent_innen auf. Von einem Rückzug ins Private lässt sich schwer sprechen, denn das Private ist am Land weit öffentlicher als im Schutz der urbanen Anonymität: Hier weiß jede_r, wann du aufstehst und schlafen gehst, wie oft du den Rasen mähst, und mit deinem Garten befasst sich schnell einmal der Bauausschuss, wenn er dessen konservative Augen beleidigt. Hier findet die eigentliche politische Auseinandersetzung am Land statt – mehr noch, als im Gemeinderat.

David Kien




Eine paradiesische Bergluft weht vom Billa her

Das Wochenende sitzt noch tief im Mark, der Kragen liegt tief im Gesicht, meine Augen, kleine Schlitze, auf der Suche nach Schätzen. Ich bemerke, ich bin nicht der/die einzige Jagende am Praterstern an diesem kalten Sonntagabend. Ich manövriere mich Richtung gelblicher Sonne, die mich anlacht, „BILliger LAden“ BILLA – Final Destination. Tumult, man kennt sich nicht, Blicke jagen aneinander vorbei, man will sich nicht kennen, aber wäre doch bestimmt gut befreundet – uns verbindet mehr als uns lieb ist. Die Automatik der Schiebetüren scheint überflüssig, schließen sie doch nie richtig, zumindest nicht bis 22 Uhr.
Ich streife durchs Gartentor, das Neonlicht im Blaustich simuliert mir die Bergsonne, einladende Plakate von fröhlichen Tieren auf grünen Weiden in österreichischen Alpen sollen ein Übriges tun. Ich treibe weiter in den Garten Edens, mit all den verbotenen Früchten. Links die Hokkaido-Biokürbisse von „Ja! Natürlich.“, ich sehe, sie wachsen dort drüben im Heu. Auf der anderen Seite „ProPlanet“ Bio-Bierrettich aus Oberösterreich. Mein Kopf versucht zu verarbeiten, „Ja! Natürlich.“ „ProPlanet“ „Oberösterreich“, die Versuche scheitern.

Ich gleite weiter vom Feld zum Schlachthaus: „Bergsteiger Salami“ von Wiesbauer. Vom Schlachthaus zur Molkerei: „Weidenjogurt“ und „Alpenbutter von österreichischen Bauernhöfen“. Österreichische Bauernhöfe, komischer Beigeschmack bei dem Gedanken ans Hinterland. „Bergbauern Heumilch“ im Kühlregal, gestapelt, wie viel Heu die Kühe wohl gefressen haben müssen für diese 50 Liter Milch, die vor mir liegen. Und sind die genauso glücklich wie die lila Milka-Kuh? Fragen, die mir heute Abend nicht mehr aus dem Kopf gehen sollen.

Mein Körbchen füllt sich, dazu gesellen sich noch ein „Landbrot“ und „Waldviertler Trüffelkäse“. Wie ich mich schon auf den nächsten Morgen freue, auf meiner rotkarierten Picknickdecke all die Leckereien auszubreiten und so nah wie selten an Mensch und Natur zu sein. Montags mit „Zurück zum Ursprung“ die Woche zu starten, kann nur die unbeschwerte landwirtschaftliche Vielfalt im Supermarkt.

Teo Klug



online seit 08.03.2017 15:13:34 (Printausgabe 77)
autorIn und feedback : REDAKTION




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