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  Ich wünsche mir 200.000 Anfragen

Eine Gesprächsrunde zu Potential und Risiken von Zwischennutzung, dem Bedürfnis nach längerfristigen Lösungen und den damit verknüpften politischen Forderungen

Das Thema Leerstand und dessen Nutzung beschäftigt MALMOE nicht zum ersten Mal. Seit unserem letzten Schwerpunkt dazu (Heft 58) sind allerdings mehr als vier Jahre vergangen, in denen sich auf diesem Feld viel getan hat.

Das Koalitionsabkommen der Wiener Stadtregierung sah schon seit 2010 die Gründung einer städtischen Leerstandsagentur vor, umgesetzt wurde diese aber erst heuer. Kreative Räume Wien – Büro für Leerstandsaktivierung bekam vorerst ein Budget für drei Jahre. Mittlerweile sind allerdings auch schon privatwirtschaftlich organisierte Agenturen wie NEST – Agentur für Leerstandsmanagement aktiv geworden. Wie gerne betont wird, ist die Zusammenarbeit der Akteur_innen von Partnerschaftlichkeit geprägt. Überwiegt doch die große Nachfrage nach Raum und das viel zu geringe Angebot. Zuletzt gab es von Seiten der IG Kultur Wien Kritik aufgrund mangelnder Berücksichtigung zentraler Forderungen von Kulturschaffenden und Raumsuchenden in der bisherigen Laufzeit von Kreative Räume Wien und vergangenen Juni wurde auf Initiative der IG Kultur Wien ein eigenständiger begleitendender Nutzer_innenbeirat gegründet.

Am Gespräch nahmen Fanja Haybach (IG Kultur Wien), Ula Schneider und Sonja Schön (Kreative Räume Wien), Angie Schmied (NEST) und die Architektin und Stadtplanerin Gabu Heindl (ÖGFA) teil.

MALMOE: Die IG Kultur hat immer die Einrichtung einer Leerstandsagentur gefordert und vor kurzem die Gründung eines Nutzer_innenbeirats initiiert. Mit welchem Ziel?

Fanja Haybach: Als IG Kultur ist es unser Ziel, die Interessen der Nutzer_innen zu vertreten. Da gibt es eindeutig den Wunsch nach langfristigen oder zumindest mittelfristigen Nutzungen. Durch Zwischennutzung werden Kunst- und Kulturschaffende, die ohnehin schon in prekären Verhältnissen arbeiten, noch weiter in die Prekarisierung getrieben.

Den begleitenden Nutzer_innenbeirat betrachten wir als zentral, um Bedürfnisse unterschiedlicher Interessengruppen einzubeziehen – nicht nur aus der kreativen Ecke, sondern auch sozialer und soziokultureller Initiativen – und einen Kommunikationsfluss zu gewährleisten. Es war der Wunsch der IG Kultur, dass dieser Nutzer_innenbeirat schon in der Ausschreibung verankert wird, beziehungsweise in Kooperation mit der Agentur Kreative Räume ein Modell zu erarbeiten. Das war dann nicht der Fall und deshalb haben wir im Juni dessen Gründung initiiert. Wir finden, das ist ein wichtiges Tool. Es gibt ja ganz viel bestehendes Wissen, von dem auch die Agentur profitieren kann.

Wie sehen eure konkreten Erfahrungen bei Kreative Räume Wien aus?

Ula Schneider: Seit unserer Gründung gibt es eine große Bandbreite von Anfragen. Das beginnt bei der Ateliersuche bis hin zu Flüchtlingsunterkünften. Es gibt auch Personen, die ganz regulär Lokale zur Miete suchen. Die Anfrageseite ist überbordend. Zum anderen sind wir an der Anbieterseite dran. Unsere beiden Architekten haben gute Kontakte zur Immobilien-Wirtschaft. Da muss man immer subtil vorgehen und im persönlichen Gespräch ein Vertrauensverhältnis entwickeln. Viele Hauseigentüme­r_innen scheuen die Öffentlichkeit.
Wenn wir an etwas Großem dran sind, fragen wir auch z.B. bei NEST an, weil wir es nicht als unsere Aufgabe sehen, ein ganzes Gebäude zu verwalten. Wir sehen uns nicht in Konkurrenz zu anderen, die in diesem Feld tätig sind und das kommerziell machen. Zwischennutzung ist ja an und für sich keine optimale Lösung, weil die Immobilien oft in schlechtem Zustand sind. Andererseits können wir nur Zwischennutzungen vermitteln, weil wir keine Maklerkonzession haben.
Momentan haben wir zwei Fokusgebiete. Eines im Raum Hernalser Hauptstraße / Kreuzgasse und ein zweites am Floridsdorfer Spitz. Wir arbeiten dafür u.a. eng mit dem Bezirk zusammen und werden auch gemeinsam mit den jeweiligen Gebietsbetreuungen Veranstaltungen abhalten, damit die Menschen vor Ort auch informiert werden und sich einbringen.

Wie ist das mit Immobilien der Stadt Wien, die leer stehen?

Sonja Schön: Da gibt es tatsächlich viele. Wir möchten die Stadt natürlich auch dazu bewegen, diese zu öffnen und zugänglich zu machen.

US: Als wir in der Hernalser Haupt­straße die Leerstände eruiert haben, haben wir gesehen, dass es auch in zwei Gemeindebauten viel Leerstand gibt.

Bekommt ihr von der Stadt Wien besondere Ressourcen zur Verfügung gestellt?

SoS: Die Ressourcen sind wir selbst. Wir haben jetzt ein Budget auf drei Jahre und versuchen einmal überhaupt festzustellen, was überhaupt machbar ist und wo die Problemfelder liegen. Wir thematisieren diese natürlich auch in unseren gemeinsamen Besprechungen mit der Stadt.

Wie ist dazu euer Zugang bei NEST. Ihr macht das ja privatwirtschaftlich?

Angie Schmied: Ich habe während des Studiums gemeinsam mit meinem Kollegen Lukas Böckle mit einem Verein Interventionen im öffentlichen Raum gemacht. Lukas hat für sein Diplomprojekt ein ganzes Haus zur Verfügung gestellt bekommen. Das war die Schönbrunnerstraße 111. Die meisten, die bei diesem Projekt dabei waren haben uns gebeten, dass wir unbedingt nach Ablauf der Nutzungszeit etwas anderes suchen, weil sie weiterhin Raum brauchen. So haben wir das nächste Haus aufgestellt, mit dem Verein zum Test eine Raumsuchmaske gestartet und darin 800 Leute gesammelt. Dann haben wir bei Departure (Anm.: Kreativzentrum der Wirtschaftsagentur Wien) eingereicht und tatsächlich gewonnen. Eine Bedingung war, dass wir nicht mehr als Verein tätig sind. So sind wir jetzt eine GmbH. Und was das Wirtschaftliche betrifft: Wir verdienen mit der Firma nichts mit Zwischennutzungen, sondern nur mit Planungsleistungen.
Ich kann bestätigen, was Kreative Räume sagt, es ist wahnsinnig schwer an Raum ranzukommen und es braucht das persönliche Gespräch um diese Vertrauensbasis zu schaffen. Das steht in keinem Verhältnis, was man angeboten bekommt und wie die Nachfrage nach Raum ist.
Es ist auch unser Ziel nicht nur mit Zwischennutzungen zu arbeiten, sondern langfristig für die Nutzer etwas zu finden. Es gibt tatsächlich die, die nur etwas kurzfristiges brauchen, für eine Ausstellung, für einen Filmdreh, für eine Veranstaltung. Aber es gibt natürlich auch jene Leute, die längerfristig Räume suchen.

US: Aber ihr entwickelt ja auch Projekte? Stichwort Viertel Zwei.

AS: Das entwickeln nicht wir. Wir sind in der Krieau Vertragspartner der IC Projektentwicklung und konzipieren nur die Zwischennutzung. Die sind als Eigentümer an uns herangetreten. Es soll dort im Endeffekt ein kreatives Dorf entstehen, mit dem Ziel, gemeinsam zu wirtschaften und voneinander zu profitieren. Es wird also eine gemeinwirtschaftliche Gewerbenutzung sein. Und wir machen dort auch Veranstaltungen. Dort sind ja keine Anrainer_innen und man kann laut sein.

FH: Du meinst also einen kommerziellen Veranstaltungsort? Gerade bei Zwischennutzungen wäre es wünschenswert, dass da hauptsächlich nichtkommerzielle Projekte realisiert werden.

AS: Es wird auch nichtkommerzielle Veranstaltungen und Einrichtungen geben, wo man selbst ausschenken kann oder sich selbst Getränke produzieren kann. Es wird beides geben, weil Investitionen, die dort gemacht werden müssen, zu refinanzieren sind. Es gibt z.B. noch keine Toiletten auf dem Gelände.

Gabu, wo siehst Du als Architektin und Stadtplanerin die Chancen und Risiken bei Leerstand und Zwischennutzung?

Gabu Heindl: Zwischennutzungen sind gut, weil Leute Kurzzeitbedarf an unterschiedlichen Flächen und Räumen haben. Es gibt Langzeitbedarf, mittelfristigen und auch kurzfristigen. Bei vielen Zwischennutzungsformen steckt aber die Gefahr drin, dass sie ein Terrain für kommerzielle Nutzung aufbereiten. Nachdem Zwischennutzung die Frage des Leerstands an sich thematisiert, ist es wichtig, dass man die politische Komponente nicht vergisst. Z.B. mit der Forderung nach einer Leerstandssteuer, nach proaktivem Städtebau, nach gerechtigkeitsorientierter Stadtplanung.
Grundsätzlich ist zu hinterfragen, warum gibt es überhaupt Leerstand? Am Wohnungsmarkt ist so manches Leer-Stehen-Lassen offenbar lukrativer als Vermietung. Wie kann es sein, dass leerstehendes Eigentum nicht zu seiner Öffnung verpflichtet ist, wenn andere Menschen in Raumnot sind?
Die Frage, die wir uns auch stellen müssen, ist: Wo hilft Zwischennutzung mit, um zu spekulieren, oder ein Gebiet zu erschließen um es wertvoller zu machen? Die Entwicklung rund um die Krieau ist ein Beispiel, das wirklich kritisch ist, weil dort in einer Prime Location Grundstücke erschlossen werden, die zuvor Teil des Prater-Naherholungsgebiets waren.

FH: Ich würde mir von einer Leerstandsagentur wünschen, dass sie auch Empfehlungen an die Stadt abgibt und nicht nur diesen Fokus auf private Eigentümer_innen hat und auch sagt, es gibt diesen Bedarf an mittelfristigen und langfristigen Nutzungen und den Bedarf, auch Immobilien der Stadt zu öffnen. Da kann sehr wohl auch eine langfristige Nutzung ermöglicht werden. Kurzfristige Nutzungen können dazu führen, dass es zu diesem viel diskutierten Prozess kommt, dass Kunst- und Kulturschaffende zu Wegbereiter_innen für langfristige Veränderungen werden. Stichwort Gentrifizierung.

US: Gentrifizierung schwebt ständig im Raum, ist aber nie monokausal. Und in manchen Gegenden passiert gar nichts, da ist völlige Stagnation. In anderen Gebieten Wiens sind die Entwicklungen wiederum sehr schnell, weil viel gebaut wird.

GH: Das stimmt schon, Gentrifizierung ist so ein Totschlagargument. Bei Gentrifizierungskritik wird allzuoft genau der Wunsch Vieler nach einem besseren Leben unterschlagen. Aber ich würde mir von einer von der Stadt Wien ins Leben gerufenen Institution erwarten, auch das zu analysieren: Wie kommt es zu Vertreibungsprozessen, warum gibt es immer mehr spekulativen Leerstand? Ein anderes Thema aber ist der Leerstand von Seiten der Gemeinde Wien? Stadtrat Ludwig behauptet, es gibt nur so viel Leerstand, der nötig ist, um einen Wechsel für MieterInnen zu organisieren. Da muss man genauer hinschauen.

SoS: Wir setzen ganz stark auf die Forderung an die Stadt Wien, auch Räume für Nutzer_innen zu öffnen. Die zahlreichen Anfragen sammeln sich zunächst direkt bei mir. Dabei ist erkennbar, dass deren Zahl derzeit in deutlich ungleichem Verhältnis zu den Flächen steht, die wir bis dato anbieten können. Wir arbeiten allerdings gerade daran Räume und Flächen der Stadt Wien für Zwischennutzung zugänglich zu machen und sind daher sehr bemüht dieses Verhältnis annähernd anzugleichen.

FH: Genau! Sagt doch der Stadt, sie soll Leerstand offen legen und transparent machen. Ihr seid genau in der Position, so etwas tun zu können. Das würde ja sogar eure Arbeit erleichtern. Das macht einfach Dinge sichtbar, damit können dann keine Aussagen mehr getroffen werden wie, es gibt keinen Leerstand. Stadteigene Immobilien zur Verfügung zu stellen ist ein Schritt, Transparenz, im Sinne einer Datenbank herzustellen oder Besteuerung einzuführen ist eine andere rechtliche Maßnahme.

US: Wir wollen in den drei Jahren, die wir jetzt haben, schauen, dass wir wirklich was weiterbringen. Unsere Verantwortung ist uns da bewusst.

GH: Eine richtige Motivation für Hausbesitzer_innen wäre eine Leerstandssteuer. Historisch hat sich schon an der Wohnbausteuer des roten Wien gezeigt, dass eine progressive Besteuerung wirksam ist. Leerstand ist ein Luxus und kostet die Öffentlichkeit, kostet damit uns alle, unheimlich viel. Die Tatsache, dass um jede leere Wohnung oder jedes leere Erdgeschosslokal die gesamte Infrastruktur der Stadt Wien rundherum fährt, ist eigentlich für uns auch nicht leistbar. Wenn man einmal berechnen würde, wie viel alleine eine 30m² Shop-Front, eine mittelgroße Wohnung, eine Werkstatt im städtischen Raum tatsächlich kostet, wenn sie leer steht, geschweige denn ganze Häuser. Das sind Kostenwahrheiten, die öffentlich thematisiert gehören.

Welche Strategien zum Umgang mit dieser aktuellen Situation sind denn für eine euch zielführend? Bei allen unterschiedlichen Zugangsweisen, sehe ich doch bei allen am Tisch hier das gleiche Problembewusstsein.

AS: Ich bin mir nicht sicher, ob es eine Antwort gibt, die für alles passt. Es gibt natürlich Leute, die spekulieren mit ihren Immobilien. Ich glaube, da muss man Sanktionen einführen, da wird ein Anreiz, dass sie vielleicht ein positives Image kriegen, wenn sie ihre Räume zur Verfügung stellen, nicht reichen. Man muss entweder eine Steuer einführen oder die Absetzbarkeit abschaffen.

GH: Man muss auch fragen, wer sind die Zwischennutzer_innen? Ich hätte wirklich ein Problem damit, wenn die Frage nach Leerstandsnutzung allzu sehr mit Temporalität oder auch mit Kreativwirtschaft gekoppelt wird. Es gibt viel mehr Leute, die Raum brauchen, die haben oft nicht die Zeit oder das Pouvoir sich in kreative Teilhabeprozesse einzubringen. Es wäre gut, proaktiv vorzugehen, die offensichtlich erste Zielgruppe weiter aufzumachen.

Wenn es so viel Bedarf gibt, nach welchen Kriterien kommen dann Kooperationen mit Menschen zustande? Wer bekommt den Raum? Wie sind die Kriterien?

AS: Also bei uns ist es so, wir schauen natürlich zuerst, welche Kosten es gibt. Das heißt, dort, wo die Kosten niedrig sind oder nur wenig zu zahlen ist, schauen wir, dass wir Leute rein bekommen, die auch tatsächlich wenig Geld haben. Dort wo die Kosten höher sind, ergibt es sich ohnehin schon so, dass die wegfallen, die es sich nicht leisten können und dann andere Leute dafür die Räume nutzen.

GH: Ich finde es schade, wenn selbst Zwischennutzung ganz klassisch kommerziell funktioniert: Okay, das Haus ist teurer und darum wohnen da jetzt die drinnen, die sich mehr leisten können und das Haus ist abgerockter und billiger und drum dürfen da jetzt die drin wohnen oder es nutzen, die weniger Geld haben.

SoS: Wir versuchen passende Nutzer_innen für die passende Räumlichkeit zu finden. Das First Come First Serve Prinzip ist da eigentlich nicht anwendbar. Man muss sich jeden Fall immer individuell anschauen und überlegen welcher Raum/Fläche eignet sich, seine Funktionalität betreffend, für welche_n Interessent_in mit dem jeweiligen Nutzungsvorhaben. Was die Strategien zur Öffnung von Räumen betrifft, so glaube ich, dass es auch total wichtig ist, dass vor allem bei den älteren Hausbesitzer_innen mehr Aufklärung passiert. Von denen gibt es so viele in Wien und sie sollten besser darüber informiert werden, was Zwischennutzung eigentlich bedeutet und welche Vorteile sich dadurch ergeben. Beispielsweise dass Objekte dadurch bewirtschaftet werden und nicht brach liegen. Durch Zwischennutzung ergibt sich eine Win-Win-Situation. Während Nutzer_innen eine günstige Fläche zur Verwirklichung von Ideen erhalten, meist nicht gegen eine reguläre Miete sondern gegen das Übernehmen der Betriebskosten, wird die Fläche des Eigentümers gepflegt und instand gehalten.

AS: Wir haben jetzt mehr als 2000 Anfragen in nur eineinhalb Jahren seit Firmengründung. Was man angeboten bekommt kann nie den Bedarf decken. Ich sage dann schon ganz klar, wenn ich gerade gar nichts anbieten kann. Wenn es aber etwas Passendes gibt, weiß ich darüber Bescheid. Obwohl es sehr viele Anfragen sind hab ich da einen ganz guten Überblick. Ich bleibe dann auch mit den Leuten in Kontakt und telefoniere nach ein paar Wochen oder Monaten wieder mit ihnen. Aber ich muss dann sagen, bitte schaut Euch woanders auch noch um. Ich kann nicht nur Akquise betreiben, das geht sich zeitlich nicht aus.

US: Man muss an verschiedenen Punkten ansetzen. Zum Beispiel Anreize schaffen, dass es interessant wird, ein Geschäftslokal nicht leer stehen zu lassen. Ich sehe es auch als unsere Aufgabe, dass wir einmal mit allen Playern, die in der Stadt für das Thema Leerstand relevant sind, in Kontakt sind.

FH: Vorhin war die Rede davon, dass die Immobilienfirmen und die Eigentümer_innen die Öffentlichkeit scheuen. Da wäre es auch interessant zu schauen, wie kann man sie dazu bewegen, dass das öffentliche Gespräche werden, dass die Auseinandersetzung in irgendeiner Form öffentlich wird.

Würde da ein funktionierender Leerstandsmelder helfen?

FH: Der Leerstandsmelder, den wir betreuen, funktioniert so: Du gehst auf der Straße, siehst ein leeres Haus und kannst das dann digital eintragen. Das hat aber überhaupt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern begegnet einem politischen Mangel mit einer Problematisierung und kollektiver Wissensproduktion. Eine Strategie wäre, dass die Meldung als rechtlich verpflichtend verankert wird und die Stadt eine Datenbank führt, in der alle Leerstände registriert sind und diese mit Hilfe dieses Wissens dann auch besteuert werden können.

GH: Ich war als Mitglied von Raum4Refugees damit befasst Notquartiere für Geflüchtete zu finden und war auf Bürgermeister_innen-Treffen. Es gibt eine Menge von Gemeinden und Städten, die viel Leerstand haben. Kleinstädte, die im Zentrum komplett leer sind und wo der Bürgermeister oder die Bürgeremeisterin einen verzweifelt fragt, wie die Leute zu motivieren wären, diesen nutzen zu lassen – im konkreten Fall für Asylwerbende. Ich hab da mitbekommen, dass sie selbst an ihre jeweiligen Landtagsräte und auch an die Bundesregierung schreiben und um politische Unterstützung in dieser Sache bitten. Da muss man sagen, das kann nur politisch umgesetzt werden. Und es geht natürlich nicht nur um Ökonomie. Letztlich aber hilft wahrscheinlich nur eine Steuer oder die Nicht-Absetzbarkeit. Es kostet uns alle was, wenn Wohnraum leer steht.

FH: Es gibt da eine Verbindung zum Thema dezentrale Kulturarbeit, die auch gerade Schwerpunkt in der IG und auf Stadtebene ist. Aber nicht nur auf Ebene der Kultur, sondern es geht darum, die Verbindung von kultureller, politischer und sozialer Teilhabe zusammen zu denken. Mit der Gebietsbetreuung gemeinsam Veranstaltungen zu machen, um auch die Bewohner_innen lokal einzubeziehen, ist auf jeden Fall ein guter Ansatz.

GH: Was wäre, wenn sich die IG Kultur auch mit den Bürgermeister_innen zusammentäte? Wir müssen klar machen: Das wollen nicht nur die Kulturschaffenden. Das will nicht nur die Stadt Wien. Die kleinen Dörfer und die Städte am Land leiden auch darunter. Puchenstuben ist zum Beispiel eine Ortschaft, die schon längere Zeit Geflüchtete aufgenommen hat. So wurde der Ortskern revitalisiert und sie können die eigene Volksschule betreiben. Leerstand öffnen bringt sowohl einer Kleinstadt, einem Dorf oder einer Großstadt etwas, die Zentren könnten wieder saniert und lebendig werden, und auch volkswirtschaftlich kann es ein Gewinn sein.

US: Da braucht es manchmal auch Personen, die Bedürfnisse übersetzen können, Ideen entwickeln und mit Hilfe der Gemeinde umsetzen.

GH: Das Wissen über gestalterische Möglichkeiten kann extrem brauchbar sein, für eine neue Form von Raumentwicklung, egal ob in der Stadt oder am Land, die etwas mit Empowerment zu tun hat und die sich tatsächlich auch für eine größere Bandbreite von Nutzer_innen öffnet und sich zugleich proaktiv damit auseinandersetzt, wie Gentrifizierungsprozessen gegengesteuert werden kann. Da sollte man auch auf das Scheitern schauen, nicht nur auf das Gelungene, dort kann man oft am meisten lernen. Und ich würde mir wünschen, dass es bei Kreative Räume Wien nicht 2000 Anfragen gibt, sondern 200.000. Nicht nur von Kreativschaffenden, sondern von möglichst vielen, die einen Bedarf an leistbarem Raum in der Stadt haben. Dann wird der Druck richtig groß.

online seit 22.02.2017 11:15:41 (Printausgabe 77)
autorIn und feedback : Moderation: Christian König




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