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  Bike.Polo.Stadt. #1

Die Befreiung des Pferdes

Wer sich zuerst getraut hat, weiß heute niemand mehr. Dem Naturell von HeldInnen eingedenk selbstverständlich jedeR zuerst. Als gesichert gilt, dass ab 1869 die ersten Wagemutigen ihre Füße vollständig vom Boden abhoben und sich in wilder Fahrt ganz dem Wechselspiel Mensch-Maschine anvertrauten. Die Maschine: selbstverständlich das Fahrrad.
Gerade erst von deutschen Radvereinen so getauft, hatte sie bereits eine lange Geschichte als Draisine bzw. Veloziped hinter sich – Gefährte, die noch ein Abstoßen vom Boden erforderten. Nun aber gewann der Spaß an Fahrt, die RadfahrerInnen – vormalige VelozipedistInnen – begannen sich und so manche Last bei einer Geschwindigkeit von etwa 20 km/h über weite Strecken zu transportieren: der Beginn einer bekannten Erfolgsgeschichte.
John Henry Watson (1851–1908) hatte von dieser Entwicklung zweifelsohne gehört, war aber – wir befinden uns im Jahr 1870 – anderweitig beschäftigt. Er schickte sich an, Vater des britischen Polosports zu werden. Eine ursprünglich aus Pakistan, dem Iran und Afghanistan stammende, von der britischen Armee um 1860 in Indien entdeckte Sportart, die wie gemacht war für britische Offiziere: Der Hauptakteur des Sports – das Hauspferd – gilt als medienscheu, sehr bescheiden und äußerst wortkarg. So versprach er für Menschen bei einem Minimum an persönlicher Leistung und Risiko ein Maximum an persönlichem Erfolg – ein Umstand, an den britische Offiziere in ihren Kolonien überaus gewohnt waren. (In „The Polo Encyclopedia“ von Horace A. Laffaye ließen sich zum Beispiel fast ausschließlich menschliche SpielerInnen anführen und ablichten, die Pferde dürften vermutlich mehrheitlich abgelehnt haben.) Es überrascht wenig, dass sich der Sport rasch einer großen Beliebtheit in Indien und darüber hinaus erfreute.
Doch zurück zu Watson. Er ersann während seiner Militärzeit in der britischen Kolonie ein Regelwerk und brachte es mit nach Großbritannien. Die Watson-Regeln erhöhten die Popularität der auf den britischen Inseln wenige Jahre alten Sportart und Watson selber schwang sich, dank seiner Pferde, in den 1880er-Jahren zu einem der bekanntesten Spieler seiner Zeit auf. Der Rest ist britische Sportgeschichte: Unter anderem gab’s mehrmaliges britisches Olympiagold.
So weit, so gut – zumindest für den menschlichen Part. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte es besser werden, diesmal für die nichtmenschlichen Akteure. Oder zumindest nicht schlechter. Die Popularität des Polosport stagnierte weltweit, zu olympischen Ehren kam es nicht mehr, die Zahl der SpielerInnen stieg nicht signifikant an und es blieb eine Randsportart. So blieb auch die Zahl der Poloschlägerverletzungen bei Hauspferden in den letzten 70 Jahren in etwa gleich. Selbstverständlich müssen heute wie damals regelmäßig Polopferde eingeschläfert werden, aber Sport ist bekanntlich Mord. Die Pferde schweigen beharrlich und so spielt es sich aus menschlicher Sicht auch heute noch vorzüglich auf hohem Ross.
Der Gegenentwurf zum Polo-Konzept Mensch-auf-Tier sollte allerdings nicht lange auf sich warten lassen. Bereits 1891 kam der Ire Richard J. Mecredy auf die simple und geniale Idee, die ungefragten MitspielerInnen beim Polo durch Fahrräder zu ersetzen. Die Idee kam an. Zum ersten Mal in der Geschichte des Polosports waren menschliche Erfolge auch tatsächlich nur menschliche Leistung. Bereits 1908 schaffte es Cycle Polo zu den Olympischen Spielen. Europaweit wurden Clubs gegründet, aber es sollte fast ein Jahrhundert vergehen, bis Bike Polo den Sprung zur weltweit gespielten Sportart schaffte. Ende der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts ließen FahrradbotInnen in Seattle die Pferde im Stall und ersetzten sie durch ihre Fahrräder. Gespielt wurde, wo Zeit und Asphalt es zuließen – das Rad war ohnehin immer dabei. Die Geschwindigkeit, mit der sich Bike Polo nun auszubreiten begann, überrascht. Bereits Mitte der 1990er-Jahre fanden die ersten internationalen Turniere statt. Von Argentinien bis Sri Lanka, von Neuseeland bis Kanada wurden Bike Polo Vereine gegründet. Völlig neue Nationen erschienen auf der Landkarte des internationalen Radsports. So gewann zum Beispiel Indien viermal die „International Bicycle Polo Championships“.
Und die Pferde? Sie schweigen weiterhin beharrlich. Fast schon störrisch. Als ZuschauerInnen beim Bike Polo wurden sie jedenfalls bisher nicht gesichtet.

PAF (Pony Asphalt Force)

online seit 10.07.2015 12:43:17 (Printausgabe 71)
autorIn und feedback : Stefan Breitwieser




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