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  Im Kaffeehaus

Folge 4 des MALMOE-Mikrokrimis

The Real Crime Inc Presents
Die geheimnisvollen Fälle von Inspektor Zwezler und seinem Partner Moik

Inspektor Zwezler war diesmal ganz privat unterwegs. Vollkommen ungezwungen, ohne einen primären Verdacht im Hinterkopf, einfach gewöhnlich und normal, betrat er gut gelaunt das Kaffeehaus. Es war ihm zur Gewohnheit geworden, sich über grundsätzliche Probleme seiner Fälle Gedanken zu machen, ohne dabei, wie er es nannte, die Dienstmütze auf zu haben. Kreativ und offen sein, die Probleme auf eine andere Ebene stellen, sie überraschen, sie in einen Hinterhalt locken. „Ein Inspektor,“ so Zwezler, „benötigt eine gewisse intellektuelle Schlagfertigkeit, und im Kaffeehaus existiert die notwendige Stimmung, diese zu trainieren.“ Im Büro fehlte diese stimulierende Atmosphäre vollkommen. Voll geräumte Schreibtische, der tropfende Seifenspender, die traurigen Pflanzen am Fensterbrett und überall nur Akten und Akten. „Das Büro ist eine intellektuelle Bedürfnisanstalt“, murmelte Zwezler vor sich hin und suchte sich einen Tisch in der Ecke. Zufrieden mit der Wahl, begann er sich einen Überblick zu verschaffen und analysierte die

Situation im Raum. Vier Tische besetzt, jeweils zwei Menschen, drei rauchen … – Hoppla, warum rauchen die? Nachdenklich holte er seinen Block aus der Tasche und begann zu notieren, drehte sich mit dem Block in der Hand, bevor er sich setzte, den Block auf den Tisch legen konnte, sogleich um, ging wieder vor zur Eingangstür und bog rechts in den Nebenraum. Dort sah er schließlich, dass der Raucherraum hier fälschlicher Weise vor und nicht hinter dem Nichtraucherraum, also falsch disponiert war, und während Zwezler dies einer Kellnerin hinterherlaufend erklären konnte, befand er sich schon im Nichtraucherraum, und plötzlich in einer ganz neuen und eigenartigen Situation. Denn unverkennbar saß hier der Moik, mitten unter einer zunächst unbeschreibbaren Menge an Menschen und spielte Karten. In diesem Moment muss auch der Moik die neue Situation bemerkt haben, denn er blickte ebenfalls erschrocken, als er einen Mann mit weißem Hemd und braunem Sakko die Tür herein schreiten sah, der in der Hand einen Block hielt, einen Bleistift im Mund hatte und obendrein der Vorgesetzte seiner Abteilung zu sein schien. „Na so eine Freude, da Herr Zwezler“, wollte er in diesem Moment sagen, als sein Spielpartner, Herr Trimmel, ihm gerade versicherte, dass „in hundert Joa, de Olte, ka zwate Sau hod.“

Das schien auch wirklich kaum wahrscheinlich. Wer hat schon eine zweite Ass, die gleich der Ersten, im entscheidenden Moment, eine neuerliche Wendung herbei führt. Dies alles, während der Zufall gerade damit beschäftigt war, den Vorgesetzten hervorzuzaubern. „Was für eine Freude, der Herr Moik.“ In kaum zu überbietender Spontanität erklärte sich Zwezler sogleich bereit, sein fachkundiges Spielwissen als Teilnehmer der Runde zu offenbaren. Der Zwezler sah sich generell als ein gern gesehener Mitspieler, weil er fand, dass er etwas Charmantes und Ausgefuchstes habe und als Polizist nebenbei auch darauf achten könne, ob alles regelkonform ablaufe. Er setzte sich zum Tisch, nickte Moik lächelnd zu und warf seinen Einsatz auf den Tisch. Die zugeteilten Karten hob er vorsichtig; sein linker Mundwinkel zuckte. Es war schon eine Herausforderung mit diesem Blatt gleich zu erhöhen, doch Zwezler gab sich zuversichtlich, warf eine Karte und beobachtete die Runde. Im Hintergrund erblickte er eine etwas ältere Dame am Billardtisch, die eben eine Kugel in das ihr gegenüber liegende Loch versenkte. Das mochte nicht weiter außergewöhnlich sein, wäre es nicht eine Vier gewesen und das machte Zwezler sogleich stutzig, denn eine Vier hatte er eben abgelegt. Zwezler sah wieder auf sein Blatt. Er legte eine Zehn nach, drehte sich um und in diesem Moment verschwand die Zehn im Loch. „Sapperlot!“, dachte er sich. Als hätte die Dame ihn gehört, drehte sie sich zu ihm und lächelte ihm zu. Zwezler zwinkerte lässig und spielte eine Ass. Das war natürlich riskant, in dieser Situation des Spieles nicht ganz ungefährlich, doch hinten lag die Dame mit halbem Körper bereits über dem Tisch und versenkte mit einem lauten Stoß die schwarze Kugel. Zwezler war fasziniert. Er wollte eben Moik auf diesen Vorfall aufmerksam machen, als er sah, wie dieser nach einem freudigen Ausruf, das ganze Geld auf seine Seite schob. Verdammt!

„Herr Moik, bitte, was machen sie da? Sind sie gar nicht im Bilde, was hier eben passierte? Da verschwinden Kugeln in der Reihenfolge meiner Karten in den Löchern und sie bemerken das gar nicht und stechen …“ Zwezler stockte etwas irritiert. „Sie meinen, ich hätte nicht stechen sollen?“

„Das nicht, aber sie hätten den Umfang der Situation nicht außer Acht lassen dürfen. Sie hätten …“ Zwezler starrte kurz auf seine Karten, dann zur Dame am Billiardtisch und schließlich in die Gesichter seiner Mitspieler. Eine Dame der Runde trank hastig von ihrem Spritzer und meinte: „Sie hätten eben auf unser Spiel und nicht immer bei der Dame hinten nachschauen dürfen.“ „Ich musste in ihr Spiel schauen, da es meine Pflicht ist, mir ein Bild davon zu machen. Es gilt herauszufinden, ob es hier Zusammenhänge gibt. Schließlich geht es um viel Geld.“ „Nua ned übatreibn, Herr Kollege Vorgesetzter,“ fiel Herr Trimmel ihm ins Wort und nahm einen Geldschein in die Hand. „Des Geld hob i eigentlich aus unsra DKT Schachtl, weil seid unsa Tochta aus‘m Haus is, spült koana mehr damit. Oba mocht nix, de Ass hätt’ i trotzdem ned gspült.“ Während Moik, sein Geld auf den Stapeln verteilte, die Dame hinten, die Kugeln für ein neues Spiel zusammen schob, notierte Zwezler in seinen Block: „Im Nichtraucherraum wird mit Falschgeld gespielt. Moik hat gewonnen. Obwohl meine Karten exakt mit den Kugeln übereinstimmten. Merkwürdig.“

online seit 30.08.2012 18:31:52 (Printausgabe 59)
autorIn und feedback : Andi Pavlic


Links zum Artikel:
malmoe.org/artikel/erlebnispark/2453Folge 3



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