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Die Universität – eine Kampfzone seit 650 Jahren Oder: Ein Jubeljahr und seine weißen Flecken Die Wiener Universität hat im vergangenen Jahr ihr 650. Jubiläum gefeiert. Den Feierlichkeiten setzte das Jüdische Museum Wien mit der Ausstellung Die Universität. Eine Kampfzone eine kritische Schau entgegen, die noch bis 28. März zu sehen ist. Der Ausgangspunkt der Ausstellung stellt das Jubiläum der Universität Wien dar, deshalb befasst sich die Ausstellung bereits im Prolog mit Selbstbildern und Selbstinszenierungen der Universität Wien anno 2015. So verwendete die Universität Wien in Werbe- und Merchandising-Kampagnen den Slogan Open since 1365 und verkaufte Plakate mit der Aufschrift Besserwisserin seit 1365 – beides entbehrt jeder historischen Grundlage: jüdischen Männern wurde über 400 Jahre lang der Zugang zur Universität verwehrt, Frauen können erst seit 1897 an der Universität Wien studieren, ihnen war das Studieren also über 500 Jahre untersagt. Anhand der Wiener jüdisch-universitären Beziehungsgeschichte, die die Ausstellung nachzeichnet, wird auch der bis in die Gegenwart gültigen Frage nach der Offenheit der Hochschulen, nach Inklusion und Exklusion im akademischen Feld nachgegangen. Die Universität Wien hatte im Rahmen der erwähnten Werbe-Kampagne auch mit dem Slogan Wir stellen die Fragen. Seit 1365 für sich und sein Jubiläum geworben. Eine zentrale Frage hat man sich im Laufe dieser Geschichte lange nicht gestellt: Warum war gerade die Universität ein solcher Hort des Antisemitismus? Antisemitisch seit 1365 Befasst man sich mit der Geschichte der Wiener Universität(en) drängt sich diese Frage auf. Einen ersten Berührungspunkt zwischen der Wiener Universität und Jüdinnen und Juden stellt das Jahr 1421 dar. In diesem Jahr wurde im Zuge der sogenannten Wiener Gesera die jüdische Gemeinde vertrieben bzw. ermordet. Die Synagoge wurde dabei zerstört – die Steine des Gebäudes für den Bau der neuen Universität verwendet. Erst ab 1782 – also über 400 Jahre nach der Gründung der Universität – war es jüdischen Männern dann erlaubt an der Universität Wien zu studieren, freilich fielen mit dem Toleranzpatent nicht alle bürokratischen Hürden und diskriminierenden Mechanismen. Eine kurze Periode in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kann als hoffnungsvolle Zeit beschrieben werden, ja, die Universität selbst wird zum Hoffnungsgebiet für Juden. Einige werden – gegen alle weiterhin bestehenden Widrigkeiten – für ihre Disziplinen maßgebliche Impulse setzen. Dennoch: viele müssen sich taufen lassen, um hier reüssieren zu können. Sexistisch seit 1365 Aus der Perspektive der Frauen ist der Blick auf die Geschichte (und Gegenwart) der Wiener Universität wahrlich kein positiver. Sie konnten erst ab 1897 studieren, es blieb ihnen der Zugang zur Universität Wien also über 500 Jahre verwehrt. Aus jüdischer Perspektive lässt sich dabei feststellen, dass eine anfangs überwiegend sexistische Exklusion bald in antisemitische Diskriminierung umschlug und diese Frauen nur ein äußerst kurzes Zeitfenster von 41 Jahren – von 1897 bis 1938 – an der Universität Wien für ihre Studien und Forschungen nutzen konnten. 1875 und danach: Universität als Ort roher Gewalt Spätestens 1875 schlägt der religiös motivierte, antijudaistische Alltag an der Universität Wien durch die Schrift Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften des bis heute vielgerühmte Chirurgen Theodor Billroth in rassischen Antisemitismus um, der in der Folge – und weit vor 1938 – institutionalisiert wird. Die Brutalität, die rohe Gewalt, die insbesondere an der Anatomie in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren zum Alltag gehörte, sucht ihresgleichen: StudentInnen werden in Vorlesungen verprügelt und an den Ausgängen bewusstlos geschlagen. Sie findet Fortsetzung und Ende in einer beispiellosen Vertreibung von Studierenden und Lehrenden nach dem „Anschluss“. (Post-)faschistische Kontinuitäten 1945 ist auch an der Universität keine „Stunde null“: Die bereits in der Zwischenkriegszeit formierten schwarz-braunen Netzwerke bestehen weiterhin, ehemalige Rektoren werden für ihre Amtswaltung in der NS-Zeit gehuldigt, mit der Affäre Borodajkewycz 1965 kommt es nach 1945 zum traurigen Höhepunkt in der universitären Kampfzone: bei den Demonstrationen für und gegen den antisemitischen Professor Taras Borodajkewycz wird der ehemalige Widerstandskämpfer Ernst Kirchweger von einem RFS-Mitglied so hart auf den Kopf geschlagen, dass er wenig später seinen Verletzungen erliegt. Dieses Klima führt auch dazu, dass nur eine Handvoll vertriebener WissenschaftlerInnen nach Wien zurückkehrt, der damit einhergehende Braindrain bleibt irreversibel – und teils bis heute bemerkbar. Antisemitismus der (Bildungs-)Eliten Mit der Rekonstruktion der 650-jährigen Hochschulgeschichte Wiens aus jüdischer Perspektive erklärt sich jedoch die eingangs gestellte Frage zur antisemitischen Tradition als solche nicht. Die Gründe liegen, verkürzt gesagt, im Laufe der ersten 500 Jahre und in der katholischen Tradition der Wiener Universität und ihrem Antijudaismus und stehen seit dem 19. Jahrhundert im Kontext des rassischen Antisemitismus, der spätestens mit Billroth seinen Weg an die Wiener Universität fand. Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive ist es sinnvoll, die damit zusammenhängenden Ausschluss- und Diskriminierungsmechanismen gegenüber Minderheiten im Allgemeinen und gegenüber Jüdinnen und Juden im Besonderen zu berücksichtigen: Höhere Bildung, Studium, akademische Berufe und universitäre Laufbahn stellten für die von vielen Bereichen der Gesellschaft und des Arbeitslebens de jure bzw. de facto ausgeschlossene Minderheit eine existentielle Perspektive und Chance dar. Dass viele der jüdischen StudentInnen aus den östlichen Teilen der Monarchie nach Wien kamen – viele von ihnen als Pogromopfer und Kriegsflüchtlinge –, verschärfte die Vorbehalte der Mehrheitsgesellschaft. Diese MigrantInnen, die sich gesellschaftliche Teilhabe erkämpften bzw. Teil der universitären Eliten wurden, erklärten die erstarkende deutschnationale wie auch die christlich-soziale Bewegung zum Feindbild. Die Ausstellung Die Universität. Eine Kampfzone befasst sich am Beispiel der jüdisch-universitären Beziehungsgeschichte Wiens grundsätzlich mit der Frage nach Inklusion und Exklusion. An Aktualität hat diese Frage bis heute nicht verloren, sehr vieles spricht sogar dafür, dass sie in den letzten Jahrzehnten wieder an Bedeutung gewonnen hat. Sie begegnet uns heute weniger in Form von Antisemitismus, vielmehr sind es generelle Exklusions- und Ungleichheitsvorstellungen, wie Rassismus und Sexismus – aber in diesem Kontext sicherlich auch Klassismus –, die dominieren. 650 Jahre – und nun? Zwar kam für die Erstellung der Ausstellung keine Zusammenarbeit mit der Universität Wien zustande, immerhin gelang es aber dank einer Kooperation mit derselben und der ÖH Uni Wien, StudentInnen kostenlosen Eintritt in die Ausstellung zu ermöglichen. Zudem bietet das Jüdische Museum gemeinsam mit der ÖH Führungen für StudentInnen an, die auf großes Interesse stoßen. Bei diesen Rundgängen wurde deutlich, dass die Vermittlung und der Dialog über die Geschichte der Wiener Universität(en) sowie Fragen der Offenheit selbst oder gerade unter StudentInnen ein Desiderat darstellen, da die TeilnehmerInnen erschrocken und betroffen auf die Geschichte ihrer Hochschule reagierten. In diesem Sinne wäre es zu begrüßen, wenn die Wiener Hochschule(n) in jedem Studium eine Pflichtveranstaltung anböte(n), in der die Geschichte der jeweiligen Hochschule, gegebenenfalls mit besonderem Fokus auf das jeweilige Fach, kennengelernt und diskutiert werden könnte oder man sich zumindest darum bemühte, die Geschichte der eigenen Institution in den bestehenden Lehrkanon zu integrieren. Damit würde dem Feiertaumel rund um das Jubiläum nachträglich eine in hohem Maße angebrachte historische Bewusstseinsbildung zur Seite gestellt werden. Adina Seeger ist Assistenzkuratorin am Jüdischen Museum der Stadt Wien Hinweise: Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen: Werner Hanak-Lettner (Hg): „Die Universität. Eine Kampfzone“, Wien 2015 Zur Geschichte des Antisemitismus an der Uni Wien: Klaus Taschwer: „Hochburg des Antisemitismus. Der Niedergang der Universität Wien im 20. Jahrhundert“, Wien 2015 online seit 06.06.2016 15:47:15 (Printausgabe 74) autorIn und feedback : Adina Seeger |
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