Ein schönes Ausländerkind von Toxische Pommes ist keine humorige Autofiktion einer Satirikerin, denn es schildert eine Realität, die einfach nicht lustig ist
Natürlich folge ich Toxische Pommes und ja, ich finde ihre Videos sehr lustig. Aber der Roman Ein schönes Ausländerkind sollte nicht wie die lustigen Videos werden, sondern „ernst“, sagte sie. Das hat mich beruhigt, denn obwohl ich Satire mag, finde ich es wichtig, dass über Erfahrungen, die ein Mensch mit Migrationshintergrund macht aus meiner eigenen Perspektive gesprochen, speziell mit Migrationshintergrund aus Ex-Jugoslawien.
Denn manchmal finde ich es ärgerlich, wenn Leute, vor allem diejenigen, die nicht migriert sind und aus Ex-Jugoslawien kommen, nur durch solche Witze über postmigrantische Erfahrungen Bescheid wissen. Die serbisch-österreichische Kabarettistin Malarina konnte ich anfangs überhaupt nicht leiden, weil mich ihr gefaktes, gebrochenes Deutsch mit serbischem Akzent, in dem sie ihre Witze erzählt, so irritiert hat. Jetzt finde ich sie toll und sehr lustig, weil sie im PCCC (Wiens erstem queeren Comedy Club) aufgetreten ist und ich erst in diesem Zusammenhang den überspitzten Charakter gesehen habe, den sie verkörpert. Aber in einem Saal voller Menschen ohne Migrationshintergrund, die lachen, wenn Malarina mit einem Akzent spricht, den sie genau so imitieren, wenn sie sich über Ausländer lustig machen, ärgert es mich immer noch.
Das Buch Sprache und Sein von Kübra Gümüşay hat mich fast zum Weinen gebracht, weil ich zum ersten Mal etwas gelesen habe, das genau das angesprochen hat, was ich erlebt und gedacht habe, und das nicht satirisch. Nie mehr Leise von Betiel Berhe hat mich sehr berührt – sehr zu empfehlen! Ja, und in Ein schönes Ausländerkind hat mich doch auch zum Schmunzeln gebracht, weil es zu einem sehr großen Teil mit meinen Erfahrungen übereinstimmt. Ich war zwar nicht so ein hübsches Ausländerkind, aber zumindest kein Problemkind. Ich hatte auch blonde Haare, aber braune Augen. In meiner Familie gab es auch viele Renates, und in der Schule hatte ich nur deshalb eine Zwei in Deutsch, weil die Lehrerin meinte, sie könne mir keine Eins geben: Das wäre den österreichischen Kindern gegenüber ja unfair, denn ich könne doch nie so gut Deutsch wie die. Das hübsche Ausländerkind im Roman hatte nicht nur den Vorteil, „hübsch“ zu sein, sondern war besonders interessiert und gut in der Schule. Bildung als einzige Möglichkeit sich zu wehren und gehört und ernst genommen zu werden – das versuchten meine Eltern mir auch beizubringen: „Wenn du Wissen hast und gut lernst, dann können die Lehrerinnen und Lehrer dich auch nicht schikanieren.“ Oder: „Niemand kann dir dein Wissen wegnehmen, das, was du gelernt hast, bleibt hier oben.“
Blöd nur, wenn einem das Lernen nicht so leicht fällt oder gar nicht erst richtig beigebracht oder zugetraut wird. Meinen Eltern wurde, wie auch der Hauptperson im Buch, geraten, mich auf eine Hauptschule zu schicken, weil ich für ein Gymnasium nicht gut genug sei, dabei hatte ich nur eine Zwei in Deutsch. Also sind wir umgezogen und dann bin ich aufs Gymnasium gegangen. Im Roman geht es auch viel um den Vater der Protagonistin, dem nach österreichischen Integrationsstandards die Integration nicht gelungen ist, weshalb sich eine Kluft zwischen der „perfekt“ integrierten Tochter und ihm aufgetan hat. Es ist wirklich herzzerreißend, wie stark Integration mit Scham einhergeht, für das, was man ist, war und oder noch werden muss. Mir hat Österreich die Staatsbürgerschaft gegeben, da war ich 18 Jahre alt, und mittlerweile war ich schon ein paar Mal wandern und campen. Vielleicht mache ich bald sogar meine erste Radtour! Aber was mir besonders viel bedeutet, ist, dass ich seit kurzem in einer Queer Balkan Gruppe bin und mich regelmäßig mit Personen austauschen kann, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Teil einer Community zu sein, die einen versteht und unterstützt, ist so wichtig und schön!
Toxische Pommes (2024): Ein schönes Ausländerkind. Zsolnay, Wien.