Dino Pešuts Roman Daddy Issues ist ein schmerzhaft schönes literarisches Kleinod
Luka hat Probleme. Mit sich selbst. Mit seinem Vater. Mit seinem Umfeld. Als queerer Mann, der Gedichte schreibt, hat er es im Zagreb der späten 2010er Jahre schwer. Als sein Vater an Krebs erkrankt und er aus seiner dunklen, feuchten Mietwohnung geworfen wird („In dieser Wohnung habe ich nicht viel erlebt. Ich kenne keine Nachbarn. Ich habe immer Angst, dass jemand im Wohnhaus homophob sein könnte“) beschließt er aus Mangel an Alternativen, in die Wohnung der Eltern in einer Kleinstadt nahe Zagreb zurückzuziehen. Seine Mutter ist vor Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, nun möchte Luka zumindest noch die Chance nutzen, mit seinem Vater ein Verhältnis aufzubauen, mit dem er sich einverstanden erklären kann. „Wir sollten einiges besprechen, aber dazu kommt es nie“.
Dino Pešut gibt Einblicke in die Psyche eines etwa Dreißigjährigen, der drauf und dran ist, vom Leben erdrückt zu werden. Seine Freund:nnen haben vermögende Eltern, sind in Europas hippen Hauptstädten verstreut, verdienen gut, haben Kinder und/oder Haustiere. Seine Lover sind entweder so alt wie sein Vater (siehe den Titel des Buches) oder prätentiöse Jungunternehmer, die er insgeheim verachtet, und seine wenigen Bezugspersonen versinken ebenfalls in psychischen Problemen verschiedenster Art. Während er ohne Geld und Perspektive noch immer in Kroatien lebt und zunehmend das Gefühl bekommt, seine Chancen verpasst zu haben („Mit jedem weiteren Lebensjahr kommt mir das Leben ein wenig behäbiger vor, ich werde schwerfälliger, die Zeit vergeht langsamer. Rechtfertigungen. Wenn ich mich nur traute“). Chancen, die von vornherein entscheidend kleiner waren, als die von vielen seiner Weggefährt:nnen, da er der Arbeiter*innenklasse entstammt. „Wählen zu können, ist eher eine Frage der ökonomischen Privilegien und der Klassenzugehörigkeit als der persönlichen Entscheidung“. Mit diesem vollgepackten Rucksack begibt sich Luka auf die Reise zu seinem Vater, zu seinen Wurzeln.
In kurzen Kapiteln und mithilfe sehr direkter, oft derber Sprache (es wird viel geschimpft am Balkan, siehe zum Beispiel Barbi Markovics Geniestreich Die Verschissene Zeit in Malmoe #97) erzählt der Autor die Geschichte einer kompliziert verlaufenden Annäherung zwischen Sohn und Vater und macht anschaulich, was möglich ist, wenn endlich das bleierne Schweigen gebrochen wird.
Ein Buch, das jede Person, die Elternteil oder Kind ist, lesen sollte. Also jede.
Dino Pešut (2022): Daddy Issues, TEXT/RAHMEN Verlag, Wien.
Selbstverständlich erhältlich im Stuwerbuch, Stuwerstraße 42, 1020 Wien.