Ich bin Saif, ich komme aus Bagdad im Irak. Früh schon habe ich gemerkt, dass ich anders bin, dass ich schwul bin. Bereits als Kind hatte ich Angst. Ich war sehr vorsichtig mit Menschen, weil ich Angst hatte. Das hielt an, bis ich ein Jugendlicher war. An einem Tag habe ich dann entschieden, mein Land zu verlassen, um in ein anderes zu gehen, das offener für Homosexuelle ist. Das Schicksal hat mich letztendlich nach Österreich gebracht. Dort habe ich meine Sexualität offener ausleben können. Ich muss aber einsehen, dass ich hier meine Freiheit nicht ganz gefunden habe. Wenn ich wach bin, lebe ich in Frieden. Wenn ich mich hinlege, dann finde ich mich in einer anderen Welt wieder. Es ist eine Welt der Angst. Dadurch habe ich viel gelitten. Ich fühle mich, als ob ich zwei Leben lebe: eins wach, mit Menschen, und ein anderes, wenn ich schlafe.
In meinem Traum verlor ich meine Freiheit. Ich träumte, dass ich wieder in Bagdad bin und nicht wieder zurück nach Österreich kann. In den Träumen waren die Milizen am schlimmsten. Sie verfolgten mich, weil sie wussten, dass ich schwul bin. Immer wenn ich ihnen entkommen bin, nahmen sie eine Person aus meiner Familie als Geisel. Damit machten die Milizen Druck auf mich. Ich sollte mich ihnen stellen. Das habe ich abwechselnd mit allen aus meiner Familie geträumt. Mit meiner Mutter, Vater, Schwester und auch Bruder, aber auch mit meinen besten Freunden. Dieser Albtraum hat mich manchmal dreimal die Woche heimgesucht. Oft wurden die Träume von einem epileptischen Anfall begleitet. Wenn ich von dem Albtraum aufgewacht bin, fühlte ich Schmerzen an den Stellen, die die Milizen verwundet hatten. Etwa wenn sie auf meine Hände schossen oder meine Füße verletzten. Es fühlte sich nicht an wie ein normaler Albtraum, sondern wie ein schlimmer Teil meines Lebens. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Wie kann ich gegen die Albträume kämpfen, besonders jetzt, wo ich hier in Österreich meine Sexualität frei ausleben kann? Ich habe ein paar Mal überlegt, dass ich mir selbst beweisen werde, dass ich nur träume. Ich habe versucht, aus dem Traum zu erwachen, aber es war schwer, weil ich wusste, dass der Traum auch Realität sein kann. Das sind zwei Leben in einem.
Viele Dinge, die ich geträumt habe, sind im Irak passiert. Ich habe viel davon gehört, dass die Milizen Homosexuelle foltern, und die Videos gesehen, die sie davon ins Internet stellen.
Als Kind war ich sehr feminin. Und bereits da habe ich mitbekommen und gelernt, wie ich mich in der Gesellschaft bewegen muss, sodass es nicht gefährlich für mich wird. Ich lernte, wem ich trauen kann und wer mir eine Unterstützung sein kann. Die Erfahrungen aus meiner Kindheit begleiten mich bis heute, und in den Träumen finden die Episoden meiner Kindheit Platz.
Mit meinem Ankommen in Österreich Ende Oktober 2015 habe ich das erste Mal diese Albträume gehabt. Seit einem halben Jahr träume ich nicht mehr von den Milizen. Bis vor sechs Monaten lebte ich noch sehr prekär, ohne Mietvertrag, und ich hatte keinen festen Job, das hat mir sehr viel Druck gemacht. Es fühlte sich so an, als könnte ich schnell meine Freiheit verlieren. Jetzt ist es anders und ich bin entspannter. Leider geht es zurzeit meinem Vater in Bagdad nicht so gut, sodass ich ihn oft in meine Träume einbaue.
Mein größter Wunsch ist es jetzt, dass ich die österreichische Staatsbürger:innenschaft bekomme, um wirklich in Frieden leben können zu können.