MALMOE

Krieg dem Kriege

Politische Memes aus der Zwischenkriegszeit

Was alles ein Meme sein kann, ist eine müßige Frage, die ich lieber nicht beantworten würde. Wenn ich es trotzdem auf den Punkt bringen muss (Danke an alle Quälgeister da draußen!), würde ich es auf „Think outside the box“ herunterbrechen. Grob gesagt liegen zwei Ebenen übereinander. Dabei tut sich zwischen Text und Bild eine Schere auf, die mich dazu nötigt, meine gewohnte Wahrnehmung in Frage zu stellen. Mit dieser Minimal-Definition begebe ich mich auf der Suche nach den Wurzeln von Memes in die Weimarer Republik.

Der Pazifist und Anarchist Ernst Friedrich bringt 1924 das Buch Krieg dem Kriege! Guerre à la Guerre! War against War! Oorlog aan den Oorlog! heraus. Es verbreitet sich dank der Mehrsprachigkeit und besonders wegen der krassen Bilder rasant. Die enthaltenen Fotografien zeigen meist Männer, die im Ersten Weltkrieg verletzt wurden. Die Fotografien von Verstümmelten, Hinrichtungen und Leichen unterlegt Friedrich mit den patriotischen Zitaten der Kriegstreibenden. Leichenberge werden mit Soldatenliedern unterlegt; standesrechtliche Erschießungen mit einem Schiller Zitat: „Ich hab hier bloß ein Amt und keine Meinung“; Bilder verwüsteter Städte als „Europäische Kulturarbeit“ bezeichnet und der Ausspruch des deutschen Generalfeldmarschalls Paul von Hindenburg – „Der Krieg bekommt mir wie eine Badekur“ – mit dem Porträt eines Soldaten, dem fast das ganze Gesicht weggeschossen wurde, kombiniert. Diese frühe Meme-Sammlung war auch deshalb so populär, da die Opfer des Krieges damals in der Öffentlichkeit kaum präsent waren. Sie wurden in Heimen und Krankenhäusern versteckt, oder versteckten sich dort selbst, weil sie Angst vor den Reaktionen ihrer Angehörigen hatten.

Damit ist bereits eine entscheidende Qualität von Memes benannt – ihre Popularität. Ein wahrer Meister auf diesem Gebiet war John Heartfield. Seine Fotomontagen wurden vor allem über die kommunistische Arbeiter-Illustrierte-Zeitung verbreitet. Die AIZ erschien ab Anfang der 1920er in einer Auflage von bis zu 200.000 Exemplaren wöchentlich und kann sich also diesbezüglich durchaus mit der Verbreitung vieler Memes messen. Besonders die bissigen Bilder mit ihren klaren politischen Bezügen machen die Zeitung bis heute lesenswert. Heartfields Spott traf dabei hauptsächlich Nationalsozialist:innen und deren Galionsfigur Adolf Hitler. Dem lässt Heartfield von einem übergroßen Industriellen ein Bündel Scheine in die Hand geben, Untertitel: „Millionen stehen hinter mir.“ So einfach wie eingängig und witzig, weil wahr.

Dabei geht es weniger um eine Wahrheit der Bilder, als um den Zusammenhang, in dem sie stehen, denn Heartfields Werke sind klar als Montagen zu erkennen. Aus diesen entsteht ein neuer Zusammenhang, ein neuer Kontext, der die kritische Rezeption des montierten Materials erst ermöglicht. Jetzt ist es am Ende doch noch theoretisch geworden. Aber um einen Punkt zu machen: Memes mögen zwar erst seit Kurzem als solche bezeichnet werden, sie haben aber definitiv ihre historischen Wurzeln. Form und Inhalt variieren wahrscheinlich und auch das Internet als Medium ist eine Geschichte für sich. Letzten Endes bleibt jedoch Kontext die Königin.