Bahnfahren BRD
Zugfahren in Deutschland ist seit der neoliberalen Umgestaltung des nicht-mehr-ganz Staatskonzerns durch den „Spitzenmanager“ Hartmut Mehdorn einfach nur geil. Der Bahnstreik hat dann endgültig gezeigt, was das Unternehmen draufhat. Infos im Internet: Nö. Anrufen bei der Helpline? Endloses Klingeln, aus der Leitung geworfen werden oder ein Tonband: „Dieser Service steht nicht zur Verfügung“. Extrageile Info, nachdem die Kund:innen sich durch ein Menu hindurchwählen mussten. Die Mitarbeiter:innen an den überfüllten Bahnsteigen hatten viele Infos, nur leider jede:r eine andere, die sie selbst irgendwo gegoogelt hatten. Ein freundlicher Steward quälte sich durch den Gang des Zuges und bot zur Beruhigung Kaffee an (natürlich gegen entsprechendes Entgelt). Die Kaffeemaschine war leider kaputtgegangen (ach ne), vorsorglich war deshalb Kaffee in Thermoskannen gefüllt worden. Weil diesce aber fast leer waren, gab es das verlockende Angebot, die Kanne mit heißem Wasser aufzufüllen und so neuen „Kaffee“ zu gewinnen. Damit war zumindest die letztgültige Deutsche-Bahn-Metapher zum Einschenken bereit. Es wird einfach an jeder Ecke deutlich, dass es dem Konzern schamlos nur ums Geld geht. Von der „Kulanz“, die Kosten der Zugausfälle nur bis zu einer gewissen Obergrenze zu ersetzen, bis hin zu der Weigerung, den Mitarbeiter:innen, die während Corona nichts weniger als ihr Leben riskiert haben, eine Lohnsteigerung zu geben, was ja erst zu dem „Streikchaos“ geführt hatte. Dem thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) entfuhren hierzu deutliche Worte: „Zum Politikum gehört aber auch die kräftige Erhöhung von Vorstandsbezügen durch den Eigentümer (Bundesregierung) und gleichzeitig die Erfindung des TEG (Tarifeinheitsgesetz), um damit die GDL endlich loszuwerden. Unter Kollegen würde man sagen: vollen Schluck aus der Pulle für den Vorstand und eine unglaublich lange Laufzeit bei Lohn und Gehalt für die Beschäftigten (was faktisch gegen die Inflation gerechnet erneut eine Reallohnsenkung bedeutet).“ Mit dieser Führung fährt die Bahn nur mehr in den Arsch.
Monopoly
Einst erfunden, um den Menschen die Schrecken des Kapitalismus deutlich vor Augen zu führen, gehört das Spiel heute zur gelangweilten Abendunterhaltung sowohl bürgerlicher Kreise als auch der Salonkommunist:innen. Eine bemerkenswerte Beobachtung aus der Praxis: Weil eine Mitspielerin durch ein Telefonat am Weiterspielen gehindert wurde, aber aus der Partie nicht ausscheiden wollte, entschieden sich die anderen Mitspieler:innen dazu, ihr Spiel kommissarisch zu übernehmen. Um Fairness bemüht, suchte die Gruppe gemeinsam die jeweils beste Entscheidung der abwesenden Spielerin. Weil das Telefonat sehr lange dauerte, zeigte sich, dass die „karenzierte“ Mitspielerin unschlagbar war. Die gemeinsame Entscheidung darüber, die Regeln zum größten Nutzen der Abwesenden anzuwenden, gab ihr einen Vorteil gegenüber den geheimen Plänen ihrer Gegner:innen, vermutlich auch deshalb, weil diese Pläne ja den Mitspieler:innen selbst bekannt waren und sie diese bei konsequenter Anwendung des Fairnessgebots in die Spielempfehlung einfließen ließen. So hatten alle Beteiligten am Ende, dank Monopoly, noch etwas über den Kommunitarismus gelernt.
Superhelden II
In der MALMOE 92 (unbedingt nachschlagen!) haben wir Vorschläge unterbreitet für realistische Superheld:innenkräfte. Jetzt wagen wir uns ins Reich der Fantasie und präsentieren die Liste jener Superkräfte, die niemand braucht. 1. Gewinnt jedes Solitär-Spiel. 2. Kann Schraubverschlüsse in seiner/ihrer Nähe rein durch die Kraft seines/ihres Geistes aufdrehen, sofern die Verschlüsse nicht zu fest sitzen. 3. Errät die genaue Anzahl noch verfügbarer Sitzplätze in einer U-Bahn oder einem Kinosaal noch vor dem Betreten. 4. Kann Menschen per Hypnose zum Gähnen verleiten. 5. Nötigt Kaninchen und Kanarienvögeln bedingungslose Gefolgschaft auf. 6. Kann per Infrarotstrahl im Zeigefinger bei älteren Fernsehmodellen den Kanal wechseln.
Es mögen Zauberkräfte sein, aber noch nie war unsere Bewunderung für Doktor Klug geringer.
Glastüren zum Erfolg
Das neue Apple-Hauptquartier, genannt „The Ring“ („My precious!“) hat riesige gläserne Fensterfronten und lediglich Glastüren. Laut Erbauer:innen, um die Ideen möglichst frei flottieren zu lassen. Gleichzeitig kann geschaut werden, ob die überbezahlten Faulpelze auch was hackeln. Nun ist es mit Glastüren leider so, dass sie – sorgfältig geputzt – geschlossen und geöffnet gleich aussehen, weshalb die geschätzten Mitarbeiter:innen sich regelmäßig die Schädel einrennen. Zwei Kolleg:innen mussten bereits wegen Glastürverletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Versuche, zwecks Selbstschutzes Post-it-Zettel an die Türen zu kleben, wurden von der Geschäftsführung untersagt. So fühlt sich Silicon-Valley-Kapitalismus eben hautnah an: wie das Knallen gegen eine unsichtbare Scheibe.
Rembrandt
Rembrandt ist so ein großer Mann, großer Maler und all dieses Zeug, das uns heute – mit gutem Recht – immer mehr egal wird. An ihm zeigt sich aber aufs Schönste, wie durch die Jahrhunderte hinweg sich ein Werk von der Person trennt. Sein vielleicht berühmtestes Werk ist ein Haufen selbstdarstellerischer Polizisten, die sich zu einer „Nachtwache“ versammelt haben. Die eigentlich nur deshalb nach „Nacht“ aussieht, weil sich das Bild über die Jahrhunderte eingetrübt hat. Rembrandt ist wohl immer geschätzt und seine Werke bewundert worden, allerdings nicht so sehr, dass man sie nicht für einen Rahmen zurechtgeschnitten hätte. So geschehen mit der „Nachtwache“, die jetzt mittels Roboterarmen, die von einem Hightech-Computer gesteuert werden, wieder um die abgeschnittenen Teile ergänzt wurde. Schaut super aus. Die ergänzten Teile kommen aber bald wieder weg, weil sie ja nicht echt sind, sondern eben von Robotern gemalt wurden, die sich an den Kopien des ehemals vollständigen Originals orientieren durften. Das Gute an diesen immer leicht paradoxen Aktionen, die die „ursprüngliche“ Intention des „großen Meisters“ wieder sichtbar werden lassen sollen, liegt darin, dass dies immer nur Interpretationen der Zeitgenoss:innen sind. Die sehen gerne humanistisches Genie in einem Geiste walten, der vor 400 Jahren vielleicht von einem verkniffenen Stinker bewohnt worden war, der einfach nur malte, was gut ankam. Oder es war genau umgekehrt. Ist aber egal, denn die Interpretation ist gut und schön und sagt so viel Interessantes aus über die Interpretierenden und so wenig bis nichts über die alten Meister (waren ja aus schwer erklärbaren Gründen alles Männer). Die sind als Personen genauso aus der Geschichte verschwunden, wie die armen Schlucker:innen, die die Farben mühsam anrühren mussten. Was Rembrandt dachte und wollte, ist weg, so wie alle individuelle Intentionen nach spätestens hundert Jahren nicht mehr verstanden werden, sei es in der Malerei, der Musik oder Literatur. Das Werk bleibt aber wie ein herrlicher, schwarzer Spiegel stehen und darin kann so manches erblickt werden.
Die Kamera hinter der Kamera
Ein alter linker Traum ist die Überwachung der Überwachung. Wenn die staatlichen und sonstigen Unterdrückungsinstitutionen nicht davon abgehalten werden können, die Bevölkerung zu überwachen, dann sollte zumindest diese Überwachung selbst der Öffentlichkeit zugänglich sein, damit diese sich ein Bild von der eigenen Drangsalierung machen kann. Denn die Logik der Repression liegt darin, dass nur wenige sehen, die meisten aber lediglich gesehen werden. Die Hacker:innengruppe Edalat-e Ali (Alis Gerechtigkeit) hat diesen Traum nun umgesetzt. Es gelang ihr, die Überwachungskameras des berüchtigten iranischen Evin-Gefängnisses zu hacken. Zu sehen sind übelste Misshandlungen der Häftlinge, von denen zahlreiche aus politischen Gründen inhaftiert sind. Geistliche Seelsorger sieht man etwa dabei, wie sie über die verprügelten und am Boden liegenden Häftlinge hinwegsteigen. Edalat-e Ali schaffte sogar, die Kameras des Kontrollraumes im Gefängnis zu hacken und die Überwacher dabei zu filmen, wie sie gerade sehen, dass ihre Überwachungskameras von der Hacker:innengruppe ausgeschaltet werden und die Verbrechen an die Öffentlichkeit gelangen. Ein Coup der Sonderklasse, der den Chef der iranischen Gefängnisverwaltung Mohammad Mehdi Haj-Mohammadi dazu nötigte, für die Misshandlungen um Entschuldigung zu bitten und die Verantwortung für das „inakzeptable Verhalten“ zu übernehmen. Das Prinzip „Vorsicht, ich sehe was du siehst“ wirkt.