Anfang 2021 ist Merkur rückwärts durch den Tierkreis gelaufen – klingt böse und ist es auch. Für erwerbslose Widder_innen, Stiere und Zwillinge bedeutet es: Leben mit dem Algorithmus, einem Verhaltensökonomen als neuem Arbeitsminister und ein paar Euro mehr vom AMS.
Widder_in (21.3.–20.4.)
Der schon widder! AMS-Algorithmus is back. 2020 von der Datenschutzbehörde abgedreht, legte das AMS Einspruch ein und hat beim Bundesverwaltungsgericht nun gewonnen. Die Befürchtung, dass die Erwerbslosen ausschließlich anhand des Algorithmus segmentiert werden, der mit Kategorien wie Geschlecht (nur zwei Optionen), Staatsangehörigkeit, Alter und Wohnort rechnet, sei unberechtigt, denn es gebe „interne Leitlinien“, nach denen das nur eine „zusätzliche Information“ für die AMS-Berater_innen sein darf. Das Gegenteil müsse zuerst einmal bewiesen werden.
Während die unternehmungslustigen Widder_innen schon an der Berufung basteln, stellt sich heraus: Bei derzeit fast einer halben Million Erwerbsloser gibt‘s für den Algorithmus ohnehin keine „Jobchancen“ zu errechnen.
Derweilen versucht es das AMS z. B. so: Von befristet anerkannten Geflüchteten einen Nachweis über die Verlängerung verlangen, den es gar nicht gibt. Oder so: Den Tourismus-Arbeitslosen so lange nur noch Ausbildungen im Pflegebereich anbieten, bis sie die Nerven verlieren. Damit rechnet AMS-Chef Kopf tatsächlich, wie er in einem „Zeit“-Interview am Beispiel älterer Arbeitsloser preisgibt: Sie „in Ruhe zu lassen“, sei nicht AMS-Politik. Es würde so lange Druck erzeugt, bis eine „Bereitschaft zur beruflichen Mobilität“ entstehe. #mobilize
Stier* (21.4.–20.5.)
Glaubt mensch den bürgerlichen Leitmedien statt den Sternen, scheint er eine große Nummer zu sein: Im sogenannten „Ökonomenranking“ findet sich der neue Arbeitsminister Martin Kocher (Professor für Verhaltensökonomik) seit Jahren unter den Top 4. Entsprechend begeistert zeigten sich diese Medien über seine Ernennung: Ein „Experte“ in diesem Amt sei angesichts krisenbedingter Massenarbeitslosigkeit das richtige Signal. Wer einen Blick auf die Publikationsliste des „Experten“ wirft, findet dort allerlei (z. B. wie sich Zeitdruck oder das „Kuschelhormon“ Oxytocin auf menschliches Verhalten auswirken) – eine Expertise für Arbeitsmarktpolitik wird jedoch nicht ersichtlich. Aber na gut, für einen Verhaltensökonomen sind Erwerbslose ohnedies nur ein x-beliebiger Faktor einer Versuchsanordnung. Als Wissenschaftler sei er weniger von Weltanschauung als vielmehr von Evidenz („Facts, facts, facts“) geleitet. Ein Eckpunkt seiner arbeitsmarktpolitischen Programmatik: Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes in der Krise ist schlecht, dessen „degressive Ausgestaltung“ (d. h. schrittweise Absenkung) hingegen gut. Mit Ideologie hat das alles freilich nichts zu tun. Und die Astrologie ist eine Wissenschaft. #mitteextremismus
Zwilling (21.5.–21.6.)
Milliarden für die Wirtschaft, Peanuts für Erwerbslose – das doppelgesichtige schwarzgrüne Covid-Abfederungsprogramm findet seine Fortsetzung. Als selbst AMS-Mitarbeiter_innen schon nicht mehr daran glaubten, kam eine Fortschreibung der Notstandshilfesätze auf dem Niveau des Arbeitslosengeldes (befristet bis März) und dazu die Verlängerung einer Maßnahme für Spezialist_innen: Die vorübergehende Abschaffung der Pflichtversicherungsklausel (§ 12 AlVG) für eine genau definierte Gruppe – jene, die ihre Selbstständigkeit beendet haben, um Arbeitslosengeld zu beziehen (Achtung: beendet, nicht reduziert). Für sie (und es werden wenige sein) führt eine rückwirkende Durchversicherung in der SVS nicht zur Rückzahlung des ALG. Spektakulär ist dies weniger der konkreten Wirkung wegen (dafür ist die Ausnahme zu wenig weitgehend), sondern weil die Abschaffung dieser Pflichtversicherungsklausel seit über zehn Jahren von Politik und Verwaltung als schlicht unmöglich deklariert wurde. Wir sehen, das ist sie nicht. #gehtnichtgibtsnicht
Disclaimer: Die zwölf Sternzeichen des westlichen Kulturkreises werden mittels Geburtsdatum zugeordnet – genau wie in deiner AMS-Geschäftsstelle die Zuordnung zu deiner_m Betreuer_in. Ein Zusammenhang mit realen (Arbeits-)Biografien wäre in beiden Fällen also rein zufällig.