MALMOE

Der männliche Blick

Gestörtes Störendes #19

Ich schaue Frauen an. Auf der Straße zum Beispiel. Ich denke mir nichts dabei. Ich möchte sehen, ob sie mich auch anschauen. Es interessiert mich, ob ich aus ihrem Blick Interesse an mir herauslesen kann. Ich bin enttäuscht, dass sie auf den Boden schauen oder geradeaus oder ganz woanders hin. Ich habe keine bösen Absichten. Ich will nur „wissen“, ob sie mich attraktiv, interessant, cool usw. finden. Dieses Verständnis des Offen-ins-Gesicht-Schauens – ihr ahntet es schon – kommt aus einer privilegierten patriarchalen Position. In dieser Position steht mir die Welt offen, ich kann sie erobern, es steht mir zu. Frauen sind Teil dieser Welt, aber nicht als gleichberechtigte Subjekte, sondern als Teil der Landschaft, als Teil des zu Erobernden.

Sicher hat sich da schon einiges verändert, gesellschaftlich. Aber, dass diese grundlegende patriarchale Weltsicht noch Gültigkeit besitzt, ist auf allen Ebenen leicht überprüfbar, von der unterschiedlichen Entlohnung bis hin zur symbolischen Unterordnung, durch welche schon kleine Jungs schnell merken, dass „du Mädchen!“ eine Beleidigung sein soll.

Dieses Frauen-Anschauen ist Ausdruck einer (unbewussten) sorglosen Eroberungs- und Beherrschungshaltung, gespeist von Gefühlen der Verfügbarkeit und Berechtigung, von „männlicher Penetrationsenergie“ (K. Hirr). Dahinter steht allerdings Unsicherheit. Es geht nämlich um Bestätigung. Bestätigung, dass mann begehrenswert ist, dass mann’s draufhat, dass mann toll ist, dass mann es kann. Ursache hiervon ist ein narzisstischer Sockel, auf den Menschen männlichen Geschlechts von Geburt an gestellt werden. Dieses Bessersein bekommen Jungs durch große und kleine Gesten mit, wie auch auf der kulturellen Ebene, wo männliche Durchsetzungskraft, Gewalt und Herrschaft glorifiziert und als normal gelebt werden.

Zugang zu dieser privilegierten (aber prekären, immer auf Absicherung bedachten, aus Angst vor dem Fall beseelten) Position hat ein Individuum über den männlichen Körper, bzw. den Penis. An ihm macht sich der (Macht-)Unterschied fest, er ist der Fetisch der patriarchalen Macht. Kein Wunder, dass er so einen Stellenwert in der männlichen Psyche einnimmt, seine Glorifizierung wie auch die Verschleierung seiner Instabilität und Verletzlichkeit. Die narzisstische Erhöhung der Männer im Patriarchat bildet den Boden männlicher Gewalt gegen Frauen und das Weibliche. Diese dient der (Wieder-)Herstellung von Herrschaft und Hierarchie durch Unterwerfung und Kontrolle. Und das drückt sich auch schon im „normalen“ männlichen Blick auf der Straße aus.

Eine sexistische Sozialisation lässt sich nicht einfach abschütteln, sie taucht immer wieder auf, färbt die Wahrnehmung, springt aus den Büschen, versteckt sich in Ecken, lungert im Dunkeln. Ich schaffe es nicht, mich gänzlich davon zu befreien, aber ich kann mich dazu verhalten, wenn ich es mir bewusst mache. Ich verspüre den Impuls, eine mir entgegenkommende Frau anzuschauen. Ich weiß aber, dass Frauen nicht aus Desinteresse Männern nicht ins Gesicht schauen, sondern aus Schutz. Ich weiß, dass es für traumatisierte Frauen akute Angst- und Panikgefühle auslösen kann. Immerhin könnten sie jederzeit zum Objekt männlicher (Wieder-)Herstellung werden. Und dabei ihr Leben verlieren. Smash Patriarchy!