Interview mit der Tischtenniseuropameisterin Liu Jia
Gerade eben (Dezember 2020) hat sie mit ihrem Verein Linz AG Froschberg nur knapp den dritten Titel in der Champions League verpasst. Liu Jia ist die beste österreichische Tischtennisspielerin. 2005 war sie Europameisterin im Einzel und 2021 wird sie– so die Olympischen Spiele in Tokyo stattfinden werden – zum sechsten Mal an Olympischen Spielen teilnehmen. Über ihre sportliche Karriere, die als 5jährige in China begann, verschiedene Sportsysteme, den Kulturschock, den sie erlebte als sie mit 16 in ein Land kam, das sie bisher nur aus dem Sisi-Film kannte, über Rassismus und die fehlende Wertschätzung von Mädchen im Sport und was an der österreichischen Sportkultur und -förderung so alles falschläuft, darüber hat die fairplay Initiative mit der Weltklassespielerin gesprochen.
MALMOE: Wie bist du eigentlich zum Tischtennis gekommen?
Liu Jia: In China gibt es Sommercamps, da kannst du quer durch alle Sportarten alles ausprobieren – Turnen, Tischtennis, Schwimmen, Volleyball. Als ich als Kind dort war, war die erste Station Tischtennis. Die Trainer haben gleich gemerkt, dass ich mit dem Ball umgehen kann und gemeint, ich hätte Talent und man solle mich fördern. So einfach war das. Für meine Eltern war das okay – sie wollten, dass ich einen Sport mache, als Hobby. An Leistungssport hat von uns damals keiner gedacht. Und Tischtennis war insofern gut, als es nicht so körperbetont ist und ich immer schon sehr klein war. Tischtennis ist in China der Sport Nummer eins – in jedem Park gibt es Tische, in jeder Schule. So habe ich eigentlich per Zufall mit dem Tischtennis begonnen.
Wie alt warst du da?
Fünf. Ich habe mit dem Tischtennis begonnen, bevor ich in die Schule gekommen bin. Und dann war das hart, meine Mama ist auf einmal sehr ehrgeizig geworden und hat gemeint, dass aus mir etwas werden muss. Sie hat mich andererseits auch wirklich jeden Tag ins Training gebracht. Mit sechs habe ich kaum mehr eine Kindheit gehabt, vieles ist dem Sport untergeordnet worden. Nach der Schule habe ich jeden Tag trainiert. Am Wochenende, wo andere Freizeit hatten, habe ich wieder trainiert. In Nachhinein betrachtet war das schon sehr früh sehr leistungsorientiert und ich weiß nicht, ob das gut für ein Kind ist.
Wie war es als Mädchen im Profisport? Hattest du Schwierigkeiten, wurde es als komisch angesehen, dass du als Mädchen Sport machst?
Eigentlich überhaupt nicht. In China ist das sogar sehr gewünscht. Und wir als Leistungssportler waren auch ein bisschen in einem geschlossenen System. Ich bin schon sehr früh ins Internat gekommen. Im Internat waren Jungs und Mädels. Wir waren in jedem Jahrgang etwa 20 Mädchen.
Natürlich, wenn man Sportlerin ist, kleidet man sich anders. Ich trage ungern Kleider oder lange Haare. Das passt nicht zu meiner Persönlichkeit. Von klein auf. Ich war nicht das Mädchen, das mit Puppen spielt. Ich habe mich gerne bewegt. Im Sport habe ich mich benommen wie die Jungs.
Auf der einen Seite war es hart, dass wir immer aufgrund unserer Leistung bemessen wurden, wir wurden immer in Konkurrenz zueinander gesetzt. Aber ich habe es ja nicht anders gekannt und fand das nicht schlimm. Ich war immer in Gesellschaft und sehe das gar nicht negativ. Wir haben schon unseren Spaß gehabt und Blödsinn gemacht. Aber anders, mit weniger Freiheit. Mein Kind jetzt hat so viel selbst entscheiden können, das war bei mir nicht so. Wenn die Trainer gesagt haben, um acht Uhr ist das Licht aus, dann haben das alle gemacht. Wenn es geheißen hat, um sechs Uhr aufstehen, dann sind wir um sechs aufgestanden, sind laufen gegangen, haben Frühtraining gemacht. Es gab eine Gruppendynamik, die zu Anpassung geführt hat, es gab eine Hierarchie, Respekt. Das war alles nicht sehr individuell. Ich habe zu dem System eigentlich überhaupt nicht gepasst – je reifer ich wurde, desto mehr war mir klar, dass ich meine eigenen Bedürfnisse habe, und diese nicht so gut in das System passen. Mit 13, 14 Jahren habe ich gemerkt, dass ich gerne mal woanders sein, andere Programme machen oder andere Bücher lesen würde. Dass ich gerne mal am Wochenende nicht trainieren und lieber bei meiner Oma bleiben würde. Ich konnte es damals nicht in Worte fassen, aber ich habe gemerkt, dass es mir nicht gut geht, habe zum Beispiel schlechte Haut gehabt, habe gesoffen, wenig gelacht und war auffallend mit meinen Worten. Ich habe mich schon immer äußern wollen, aber das war einfach nicht gewünscht. Wir haben zuhören und die Befehle vom Trainer ausführen müssen.
Du warst ein Teenager!
Ja genau, die Hormone haben nimmer gepasst. Ich habe geweint, dann gelacht. Ich war einfach nicht mehr leistungsorientiert. Davor habe ich immer brav trainiert und ich war total talentiert als Kind. Jeder hat gesagt, das ist die nächste Weltmeisterin. Das hat mich extrem unter Druck gesetzt. Ich habe Angst bekommen, dass ich das nicht erfüllen kann und mein Umfeld enttäusche. Vor allem meine Mutter wollte ich nicht enttäuschen, als Kind spürt man sehr stark, was die Eltern wollen. Und sie hat auch immer gesagt, ja schade, wenn du das jetzt aufgibst nach alledem, was wir schon erreicht haben …
Ich konnte mit diesen ganzen Erwartungen gar nicht umgehen! Es waren schon extreme, emotionale Jahre. Die letzten zwei Jahre, bevor ich China verlassen habe, habe ich sicher tausend Mal überlegt, mit dem Tischtennis aufzuhören.
War das der Moment, wo du beschlossen hast, woanders hinzugehen?
Ja, genau. Es gab mehrere Optionen, ich war auch gut in der Schule und hätte nach Australien zum Studieren gehen können. Und es gab Angebote aus dem Ausland, aus Japan, Indonesien, und eben Österreich. Ja, Österreich, das Land habe ich ja gekannt von Sisi. Wirklich! Den Film habe ich mir tausend Mal angeschaut, das war der einzige ausländische Film, den ich je gesehen hatte. Jeder in China kennt Prinzessin Sisi. Da habe ich sofort was gespürt. Aber ich habe ja nicht einmal gewusst, wo Europa ist, zu der Zeit. Ich habe aus dem Bauch heraus entschieden.
Und, ja, ich habe auch Österreicher gekannt. Flüchtig. Der Linzer Verein, zu dem ich dann gegangen bin, hat davor einmal ein Sommercamp in Peking gemacht. 1996. Wir haben zusammen mit den Österreichern trainiert, ich glaub sie waren zu acht. Ich habe mit ihnen so viel gelacht, poah, hat das Spaß gemacht! Mixed Doppel haben wir gespielt, Ringerl, unter dem Tisch sind wir durchgekrochen … unsere Pekinger Trainer haben weggeschaut. Ich habe so viel gelacht, und ich habe so geweint, wie sie weggeflogen sind. Sie haben mir zum Abschied ein T-Shirt geschenkt, das habe ich ein Jahr lang unter meinem Polster gehabt und immer wieder daran gerochen. Diese Erfahrung hat mich sehr geprägt. Und ein Jahr später kommt dann dieses Angebot, und der Trainer der Österreicher sucht eine Spielerin. Na no na ned! Ich habe geglaubt, der hat meine Gedanken gelesen! Zusammen mit Sisi hat das ein gutes Bild von Österreich für mich ergeben. Und der (Jia zeigt auf einen Trainer unten in der Tischtennishalle) hat mich vom Flughafen abgeholt.
Und wie war das? Du kommst als 15-Jährige allein in ein Land, das du noch nie gesehen hast.
Ich war voller Aufregung. Es war ein Kulturschock! Ich bin angekommen, plötzlich kommt ein 1,90-Meter-Typ auf mich zu. Dann gehe ich aus dem Flughafen und denke mir: Wo sind die Menschen? Es war menschenleer. Wo sind die Fahrräder? Da war nur die Autobahn, alles schwarz, kein Licht, keine Häuser, kein Restaurant. Dann bin ich in Linz angekommen und hab’ mir gedacht, na super, wo bin ich jetzt gelandet?
Und das Essen: Koteletts, Schnitzel, Schweinsbraten. Warum so viel Fleisch? Ich will Reis, und wo sind meine Stäbchen? Kartoffeln hatte ich noch nie gegessen.
Und die Sprache war natürlich sehr hinderlich. Sogar die Körpersprache ist anders! Ich hatte Schwierigkeiten, war ausgeschlossen, hab’ zu keiner Gruppe gehört, ich konnte nicht mitlachen, weil ich die Sprache nicht verstanden habe. Da war klar, ich muss schnell Deutsch lernen, damit ich mitreden kann. Ich habe an mir gearbeitet, und dann sind die Leute freundlicher geworden und haben mich eingeladen zu Partys oder ins Kino. Das ist dann Integration.
Und Rassismus?
Natürlich gab es Rassismus. In der Straßenbahn am Weg ins Training traf ich immer auf eine Gruppe, die mich „Schlitzauge“ nannte. Ich habe Angst bekommen, bin immer früher ausgestiegen, um sie zu meiden. Heute wehre ich mich! Aber damals war ich jung, fremd, neu, konnte kein Deutsch, war alleine einer Gruppe gegenüber … keine Chance! Monate lang habe ich gelitten unter dieser Situation. Ich habe das niemandem erzählt, ich habe mich geschämt und hätte mich auch noch nicht so gut ausdrücken können. Aber ich habe sofort verstanden, was sie meinen: Du bist anders, du bist nicht willkommen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es zum Beispiel schwarze Menschen im Fußball gar nicht leicht haben. Viele Leute sagen, geh, Rassismus gibt es heute nicht mehr. Aber sicher gibt es den! Mein Kind hat das auch in der Schule erlebt: „Schlitzaugen“, „In China stinkt’s“. Unsere Nachbarn aus Sri Lanka zum Beispiel, die sind dunkel, die werden „Schokolade“ genannt, nicht immer beleidigend gemeint. Aber immer der Hinweis darauf, dass du anders bist. „Kohlensack“ haben sie auch gehört. Da müssen die Eltern etwas machen! Mein Kind würde niemals irgendjemanden beleidigen, wir besprechen das zu Hause. Das ist inakzeptabel. Farbe, Herkunft, Religion? Leben und leben lassen! Wenn du das für dich nicht willst, dann sei tolerant, habe Respekt. Vielleicht reden die weißen Österreicher mit ihren Kindern nie darüber, weil sie selbst nicht beleidigt werden.
Vor welchen speziellen Herausforderungen stehen Mädchen und Frauen im Sport?
Generell gibt es wenig Respekt für sportliche Mädchen. Auch wenn sie gut sind, bekommen sie immer noch weniger Anerkennung als Burschen. Im Tischtennis haben wir aktuell fast kein Mädchen. Es ist es traurig, dass Familie und Gesellschaft Mädchen so wenig motivieren, sich zu bewegen. Deshalb ist die Schule, die Turnstunde, so wichtig. Speziell für die Mädchen.
Die Vereine sollten in die Schulen kommen, um die Kinder zu motivieren. Das ist wichtig, weil meine Eltern sind Zufall. Wenn sie selbst Sport machen, dann geben sie das an die Kinder weiter. Aber wenn die Eltern nicht sportlich sind, dann müssen die Kinder trotzdem eine Chance bekommen. Diese Kinder brauchen ein System und es wäre die Aufgabe der Politik für Gerechtigkeit zu sorgen und dafür, dass alle Sport machen dürfen, nicht nur die mit den sportlichen Eltern. Alle Kinder müssen in der Schule die Möglichkeit bekommen, Sportarten kennenlernen, in all ihrer Vielfalt, sie müssen sich ausprobieren können … Nur sehe ich hier ein Versagen der Politik.
Hat der Sport dir beim Ankommen geholfen? Welche Rolle spielt er für Integration?
Der Sport, das ist das Beste, was mir passiert ist. Im Sport ist es leicht, sich zu integrieren. Vor allem dann, wenn man gut ist! Ich war ja die Beste in Linz. Wenn man gut ist, wird man respektiert und gefördert, es wurde geschaut, dass es mir gut geht, die Rahmenbedingungen möglichst ideal sind. Das war schön, sehr schön.
Sport spielt eine wahnsinnig große Rolle für Integration. Ich kann mir gut vorstellen, dass Kinder, Jugendliche, die es in der Schule nicht leicht haben, über den Verein, den Sport, Akzeptanz und Freundschaften gewinnen. Der Sport ist, neben Kultur und Musik, das Einfachste, um sich zu integrieren und um Fuß zu fassen.
Was muss man tun, deiner Meinung nach, gegen Ungleichheiten, Rassismus aber auch die Abwertung von Frauen?
Ich glaube, dass die Bezeichnungen – Schlitzauge etc. – nicht das Wichtigste sind. Das ist nicht die Ursache des Problems. Wichtig ist die Gleichberechtigung. Egal ob schwarz, Chinesin oder weiße Österreicherin, ich habe meine Leistung gebracht und dann die gleiche Behandlung bekommen, die gleiche Förderungen gekriegt. Und das ist wichtig! Nicht zu sagen, du bist eine Frau, deswegen bekommst du weniger. Das ist aber leider so. Wir Frauen verdienen so viel weniger als die Herren.
Ich kann vom Sport nicht leben, die Herren schon. Alle Profimänner können davon leben. Ich habe einen Job, musste mir ein zweites Standbein aufbauen. Und das hat wieder mit Frauen und Männern zu tun. Auch hier geht es nicht in erster Linie um verbale Beleidigungen, sondern darum, dass Menschen die gleichen Chancen bekommen, dass alle zu Bildung kommen dürfen. Solche Dinge finde ich heute viel entscheidender. Weil wenn heute wer zu mir „Schlitzauge“ sagt, dann habe ich genug Selbstwertgefühl, so dass ich mir denke, du kannst versuchen mich zu beleidigen, aber dafür verachte ich dich und es wird dir nicht gelingen. Ich weiß, wer ich bin, was ich kann, weil ich die Chance bekommen habe hier in Österreich – ich habe eine Ausbildung, bin gut in meinem Beruf geworden. Aber viele Menschen bekommen diese Chance nicht in einem fremden Land und können dann dieses Selbstwertgefühl gar nicht entwickeln, das sie wiederum schützt vor Beleidigungen.
Klar sind Menschen auch selbst verantwortlich, aber eine Gesellschaft muss ihnen die Möglichkeit geben. Allen. Das ist immer ein Geben und Nehmen. Da beginnt es meiner Meinung nach.
Wenn Menschen nicht die gleichen Chancen haben, können sie dieses Selbstwertgefühl also gar nicht aufbauen?
Ich liebe Österreich, fühle mich hier zu Hause, ich tue alles für das Land. Aber wenn sich niemand um mich gekümmert hätte, wenn die Leute mich schlecht behandelt hätten, hätte ich mich gefragt, was denn das für ein Land ist und hätte meinen Leuten erzählt, dass es hier scheiße ist. Das ist ein Teufelskreis! Wie kann ich auf etwas stolz sein, das mich verachtet? Das ist nicht der Fehler der Ausländer. Es geht nicht nur darum, dass sie sich anpassen müssen, auch die Einheimischen müssen helfen und ihnen die Chance geben. Dass Einzelne deppert sind, das gibt es leider überall.
Was kann Sportpolitik bewirken, um mehr Gleichheit zu schaffen, welche Maßnahmen könnten gesetzt werden?
Es gibt in meiner Umgebung keine Schule, die mich gefragt hätte, ob ich ein, zwei Mal kommen und mit den Kindern Tischtennis spielen kann. Keine! Ich habe schon viel für die Schulen gemacht, Shows für die Kids, Sachen zum Thema Integration usw. Aber nichts Sportartspezifisches. Es gibt so viele verschiedene und schöne Sportarten! Eigentlich sollte es verpflichtend sein, dass du Sportarten kennenlernen und dir eine aussuchen kannst. Da geht es nicht um Leistung oder darum, wie weit du kommst, sondern um das Anbieten von Möglichkeiten, Chancen für alle, egal aus welcher Familie sie kommen, Bewegung zu machen. Das ist ein lebenslanges Geschenk! Du hast ein Hobby, du hast die Bewegungserfahrung, ein soziales Umfeld. Dann spielen die Kids auch weniger Computer, haben eine sinnvolle Beschäftigung, es gibt weniger übergewichtige Kinder. Da lernen die Kinder auch soziales Miteinander, das Auf und Ab, Disziplin, das Über-sich-Hinauswachsen.
Umgekehrt sollte es auch für uns SportlerInnen eine Verpflichtung geben: Wenn wir eine Förderung vom Sportministerium bekommen, dann müssen wir auch was zurückgeben an die Schulen und die Kinder, die Gesellschaft. Man müsste sich also gegenseitig verpflichten: die Schulen, dass sie die Vereine reinholen, und die Vereine und SportlerInnen, dass sie an die Schulen gehen, etwas für die Gesellschaft tun. Sonst bekommen sie die Förderung nicht. Das wäre ein Miteinander!
Was genau kann man als Spitzensportlerin an die Gesellschaft weitergeben? Welche Rolle spielen Vorbilder?
Der Sport prägt einen. Die Begeisterung, die Fähigkeit, über die eigenen Grenzen zu gehen. Der Sport spielt so eine wichtige Rolle, wird aber oft total falsch verstanden. Es ist toll, wenn du Leistung bringst und Spitzensportler bist. Aber das ist eine kleine Gruppe. Wir sollten Vorbilder sein für die Breite, wir sollten den Nachwuchs motivieren. Ein Marcel Hirscher, ein Hermann Maier, das sind Superstars. Man verbindet sie mit Erfolg, Geld und großen Sponsoren. Aber was haben sie getan für Österreich? Ein paar Medaillen gewonnen? Schön und gut für sie! Aber das geht vorbei, ist nicht nachhaltig. Diese Leute müssten etwas tun für die Schulen, die Jugendlichen, den Breitensport. Jene, die das tun, vor denen habe ich wirklich großen Respekt.
Der Spitzensport wirkt oft wie ein Raumschiff – beeindruckend, aber völlig losgelöst von der Gesellschaft, ohne Zusammenhang zum Breitensport und unserem sportlichen Alltag.
Sportler müssten dahingehend mehr geschult werden in ihrer Persönlichkeit. Verantwortung zu übernehmen, Begeisterung für den Sport zu vermitteln, das sind Sachen, die mir abgehen. Wenn ein Dominic Thiem Millionen verdient, tut er etwas für die Gesellschaft? Hat er was gespendet an die Krankenhäuser in der Corona-Zeit? Und wie ist er so groß geworden? Durch Steuergelder ohne Ende. Und das ist auch gut so! Aber daran ist auch eine Erwartung geknüpft. Warum sonst sollte Leistungssport von allen SteuerzahlerInnen gefördert werden, wenn es da keinen Austausch gibt? Wir können nämlich sehr wohl ohne Leistungssport leben – ob ein Thiem morgen Tennis spielt oder nicht, ob ich Tischtennis spiele oder nicht, das ist doch eigentlich völlig egal. Aber umgekehrt, wenn wir was zurückgeben an die Gesellschaft, dann werden wir ganz anders respektiert und wahrgenommen.
Seit ich in Österreich bin, habe ich sechs verschiedene Sportminister erlebt. Jeder kommt mit einem Konzept daher, alle zwei Jahre wird etwas geändert, Team Rot-Weiß-Rot oder was auch immer. Wer kennt sich denn da aus? Und nichts davon ist nachhaltig. Das ist ein Witz.
Gibt es etwas, was du Mädchen mitgeben möchtest?
Der Sport ist eigentlich die schönste Lebensschule, egal ob Spitzen- oder Breitensport. Jeder Sportler hat Ziele vor Augen, und wichtig ist, dass man sich bemüht. Es geht um die Einstellung zum Leben. Dass man Dinge positiv betrachtet, anstatt immer nur Verantwortung auf andere abzuschieben. Wenn man einen Fehler macht, sollte man dazu stehen und es besser machen. Im Sport lernt man, an sich selbst zu arbeiten und über sich selbst hinauszuwachsen. Man weiß nicht, aus welcher Familie jemand kommt, wie das soziale Umfeld ist. Aber aus jedem Umfeld sind Superhelden herausgekommen.
Und wir brauchen mehr Toleranz in der Gesellschaft, mehr Miteinander als Gegeneinander. Das ist für die Kinder so wichtig. Wenn wer anderer Meinung ist und du gleich beleidigt bist, bestrafst du dich selbst.