Als auf die Angriffe türkischer Faschisten im 10. Wiener Gemeindebezirk eine breite Welle an Solidarität folgte, zeigte sich gleich mehreres: Einerseits, wie vielseitig und kämpferisch antifaschistische Solidarität in Praxis aussehen kann, andererseits aber auch, dass es um das Wissen in Hinblick auf Ideologie und Organisationsformen des migrantisch geprägten Rechtsextremismus hierzulande in der dominanzgesellschaftlichen Linken eher rar bestellt ist.
Anhänger der türkisch-faschistischen „Grauen Wölfe“ hatten Ende Juni 2020 gemeinsam mit Sympathisant*innen und fanatisierungswilligen Jugendlichen zunächst eine feministische Kundgebung angegriffen. In den darauffolgenden Tagen dann auch im Ernst-Kirchweger-Haus (EKH) beheimatete türkisch-kurdische Vereine. Diese Allianz zog über einige Tage hinweg eine enorme, spontane Mobilisierungsfähigkeit nach sich, von der autochthone rechtsextreme Strukturen nur träumen können. Mehrere kämpferische Solidaritätskundgebungen mit den Betroffenen, eine Großdemonstration mit rund 2000 Teilnehmer*innen sowie ein Straßenfest setzten deutliche Zeichen der Solidarität. Auch wenn diese Angriffe in weitester Hinsicht allen progressiven, feministischen und antifaschistischen Linken galten, kann und darf dabei nicht darüber hinweggesehen werden, dass sie nicht alle in gleicher Weise treffen. So hat sich dieser Tage gezeigt, dass dominanzgesellschaftliche Linke weder den Aggressionen türkischer Faschisten in gleicher Weise ausgesetzt sind, noch dem Rassismus von Medien und Politik. So waren sie im Zuge der Solidaritätsaktionen nicht in ähnlicher Form von rassistischen Kontrollen, der Wiederbelebung von Vorurteilen oder Ethnisierungen politischer Kämpfe betroffen. Ebenso wenig stellten sie das primäre Ziel der faschistischen Schlägertrupps dar. Gerade in der politischen Debatte wurden jedoch auch strukturelle Ähnlichkeiten in der Bewertung entsprechender antifaschistischer Kämpfe sichtbar. In hufeisenähnlicher Manier, die auf eine Gleichsetzung antifaschistischen Engagements mit der Gewaltbereitschaft organisierter Rechtsextremer abzielt, erfolgten auch in Hinblick auf die faschistischen Angriffe äquidistante Einordnungen der Geschehnisse. Durch die Rede von „Zusammenstößen zwischen Türken und Kurden“, „Nationalitätenkonflikt“ oder „aus der Türkei importierten Konflikten“ wurde nicht nur den Betroffenen eine „Teilschuld“ zugeschrieben, der klare faschistische Aggressor verkannt und damit verharmlost, sondern die Angriffe wurden auch entpolitisiert und externalisiert. Das Narrativ, die „Konflikte“ hätten nichts mit der politischen Situation hierzulande zu tun, entlastet letztlich von der politischen Verantwortung in Hinblick auf die Eindämmung faschistischer Ideologien. Es lenkt zudem davon ab, dass klar versäumt wurde, zugewanderten Menschen sowie ihren Kindern und Kindeskindern gesellschaftliche beziehungsweise demokratische Teilhabe zu ermöglichen und Identifikations- und Zugehörigkeitsangebote zu bieten. So mag es nicht verwundern, dass gerade der ausbleibende Schutz vor andauernden Ausgrenzungs-, Diskriminierungs- und Rassismuserfahrungen keinen unbedeutenden Faktor bei Fanatisierungsprozessen darstellt, die türkische Faschisten in ihren Kulturzentren für sich nutzen können.
Die Angriffe türkischer Faschisten trafen aber auch viele Linke unerwartet und haben deutlich gemacht, dass es in der dominanzgesellschaftlichen Linken durch den oftmals notwendigen Fokus auf den autochthonen Rechtsextremismus weitgehende Leerstellen in Bezug auf Analysen und Recherchen zu migrantisch geprägten Erscheinungsformen gibt. Und das, obwohl türkische Faschisten mit autochthonen Rechtsextremen und Neonazis mehr gemein haben als vor allem letzteren oftmals lieb ist. So weisen sie gerade in der Ablehnung von Liberalismus, Egalitarismus, Minderheitenrechten, aber auch in Hinblick auf Antisemitismus, Geschlechterbilder und LGBTIQ*-Feindlichkeit und die Anrufung wehrhafter Männlichkeiten zahlreiche Übereinstimmungen auf. Sowohl mit den ideologischen Schnittmengen, als auch mit Ideologie, Organisations- und Erscheinungsformen des türkischen Faschismus in Österreich sollten sich Antifaschist*innen hierzulande daher dringend beschäftigen.
Die Ereignisse haben aber auch gezeigt, dass Antifaschismus viele Gesichter hat und viele Praxisformen kennt! In diesem Sinne ist es in Favoriten gelungen, Verbindendes über Trennendes zu stellen und antifaschistische Kämpfe dort, wo die Praxisformen zusammengepasst haben, miteinander zu verbinden. Bleibt zu hoffen, dass die entstandenen Allianzen nicht nur in Anbetracht gemeinsamer Gegner*innen bestehen und entsprechende Kämpfe auch in Zukunft gemeinsam geführt werden!