MALMOE

Ungewollt schwanger in der Corona-Krise

Der Verein CHANGES for women stellt sich vor

CHANGES for women ist ein unabhängiger und gemeinnütziger Verein aus Wien, in dem sich diverse Privatpersonen engagieren. Unser Ziel: Die Verbesserung der Situation ungewollt Schwangerer in Österreich, indem wir schnelle und unbürokratische Finanzierungsunterstützung für gewünschte Schwangerschaftsabbrüche gewährleisten. Vor dem Hintergrund der verschärften Situation in der aktuellen Pandemie ist dies besonders wichtig.

Krise in der Krise

Die Hauptproblematik während der Corona-Krise ist, dass eine ungewollte Schwangerschaft noch immer nicht als medizinischer Notfall anerkannt wird. Ein Schwangerschaftsabbruch (SWA) kann jedoch nicht beliebig aufgeschoben werden – aufgrund gesetzlicher sowie biologischer Fristen und weil Betroffene nach der Entscheidung, eine Schwangerschaft abzubrechen, den Eingriff möglichst zeitnah durchführen lassen wollen.

Problematisch waren vor allem die Ausgangsbeschränkungen. Expert*innen haben aufgrund der angespannten und verunsichernden Situation einen Anstieg an häuslicher Gewalt und somit auch an ungewollten Schwangerschaften durch Vergewaltigungen erwartet. Zahlen belegen zwar die Zunahme an Meldungen beim Frauennotruf (0800 222 555 oder 01 71719), jedoch bleibt der Ansturm bei den Frauenhäusern laut Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) bisher noch aus. Dies lässt darauf schließen, dass es für Betroffene derzeit erschwert möglich ist, das Zuhause zu verlassen, um sich an Hilfseinrichtungen zu wenden. Vor allem ungewollt Schwangere aus ländlichen Gebieten, wo es beschränkten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gibt, konnten nicht so einfach bis zum nächsten Spital oder zu Ärzt*innen, welche Abbrüche durchführen, reisen: einerseits aufgrund fehlender Kinderbetreuung und andererseits wegen Kontrollen beim Verlassen des Wohnortes, wofür zum Teil Gründe offengelegt werden mussten.

Auch der Zugang zu Verhütungsmitteln ist teilweise erschwert. Einige Anbieter*innen haben bspw. während der akuten Phase der Corona-Krise das Angebot der Legung einer Spirale ausgesetzt.

Durch die gesetzten Maßnahmen waren ungewollt Schwangere ohne ausreichend finanzielle Mittel mit zusätzlichen Hürden konfrontiert. Viele Beratungsstellen mussten auf reine Telefonberatung umstellen, manche Spitäler haben die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen kurzzeitig komplett ausgesetzt und in den Kliniken darf keine Begleitperson beim Abbruch dabei sein. Die Kosten für einen SWA variieren in Österreich von 320 Euro bis zu 1000 Euro, Ratenzahlungen sind nicht vorgesehen. Durch die zugespitzte Situation am Arbeitsmarkt sind die enormen Kosten für einen Abbruch nun einmal mehr eine große Belastung für Betroffene. Um zumindest in finanzieller Hinsicht Erleichterung zu schaffen, haben wir Mitte April 2020 unseren ersten Spendenaufruf gestartet.

CHANGES for women hilft

Das Jahr 2018: CHANGES for women entstand, nachdem eine der Gründer*innen aus Berlin zurückgekehrt war, wo sie in einem Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung gearbeitet hat. Schnell war sie mit den nationalen Unterschieden konfrontiert: In Deutschland werden bis zu einem Einkommen von 1200 Euro die Kosten für einen SWA von der Krankenkasse getragen. In Berlin werden die Kosten für Verhütungsmittel der Wahl ebenfalls bis zu dieser Grenze übernommen.

Zurück in Österreich war sie mit dem Fall einer Minderjährigen konfrontiert, welche in Folge einer Vergewaltigung schwanger geworden war. Die zuständige Behörde in NÖ hat die Kostenübernahme des Abbruchs trotz multipler Notlage verwehrt. Zeitgleich wurde Anfang 2018 die Bürger*inneninitiative #fairändern gegründet, welche einen erschwerten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich fordert. CHANGES for women wurde als Reaktion auf diese Missstände sozusagen als Zwischenlösung gegründet, bis sich die Situation für Betroffene in Österreich grundlegend verbessert.

Wir verstehen uns nicht als aktivistische oder politische Initiative (dafür gibt es unsere Kolleginnen* von Pro Choice Austria), sondern als niederschwelliges Angebot für Schwangere in finanziellen Notlagen. Denn: In Österreich sind Schwangerschaftsabbrüche nicht nur teuer und von den Einzelnen selbst zu finanzieren, sondern in vielen Bundesländern fast eine Unmöglichkeit. Unser Unterstützungsfonds, aus welchem wir Abbrüche finanzieren können, basiert zu 100 Prozent auf Spenden. Praktisch heißt das: eine ungewollt schwangere Person meldet sich per Mail (hilfe@changes-for-women.org) bei uns. Wir nehmen dann telefonischen Kontakt auf und klären die finanzielle Situation. Entweder bieten wir ein zinsloses Darlehen an oder wir senden der durchführenden Klinik eine Kostenübernahmebestätigung zu. Nach dem Abbruch erhalten wir direkt die Rechnung, was für alle Beteiligten geringen Aufwand bedeutet. Zusätzlich versuchen wir auf unserer Website Informationen über die Situation in Österreich sowie aktuelle Veröffentlichungen zum Thema SWA zur Verfügung zu stellen.

Sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung der Frau*

Um die Situation für ungewollt Schwangere in Österreich nachhaltig zu verbessern, bedarf es Änderungen sowohl in der Versorgungsstruktur als auch auf gesellschaftlicher Ebene.

Schwangerschaftsabbrüche müssen als medizinische Notfälle anerkannt und zukünftig in allen öffentlichen Spitälern durchgeführt werden können, womit eine Entprivatisierung dieser Gesundheitsleistung einherginge. Dabei braucht es eine Kostenübernahme sowohl von Schwangerschaftsabbrüchen als auch von Verhütungsmitteln durch die Krankenkassen sowie eine bundesweit vereinheitlichte Preisregulierung.

Außerdem muss der „Tatbestand“ des Abbruchs dringend aus dem Strafgesetzbuch entfernt werden, um Betroffene tatsächlich zu entkriminalisieren. Nur so kann ein öffentlicher Diskurs zum Thema SWA vorangetrieben werden, was zur Verringerung von Schamgefühlen und kollektiven Schuldzuweisungen gegenüber Betroffenen beitragen würde. Dies soll die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die eigene Zukunft stärken.

Es gibt in anderen Ländern als Reaktion auf die Verschärfungen für Betroffene in der Corona-Krise bereits Maßnahmen wie die automatische Verlängerung laufender Rezepte für die Anti-Baby-Pille, eine Erleichterung beim Zugang zum medikamentösen Abbruch oder auch eine Verlängerung der Fristen für den SWA selbst. Wir appellieren an die Politiker*innen, dringend auf die Ratschläge der Expert*innen zu hören und dementsprechende Forderungen umzusetzen. Nur so können Leben gerettet werden – denn ungewollt Schwangere werden wie bisher im Notfall auch zu unsicheren Abtreibungsmethoden greifen.

An dieser Stelle wollen wir besonders auf die aktuelle Online-Petition Kostenloser Zugang zu Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen (mein.aufstehn.at/p/verhuetungsmittel) hinweisen, die der AÖF mit Unterstützung weiterer Vereine gestartet hat.

Spenden an:
Erste Bank
Verein CHANGES for women
IBAN: AT79 2011 1840 7164 6100