Gruselige Randnotizen aus dem Corona-Tagebuch von Sylvia Köchl-Bartu
Sonntag, 15. März: FPÖ-Ex-Innenminister Kickl bedient koloniale Phantasien: Corona sei das „düstere und gefährliche Neuland“, das „wir nach dem Anlegen des Schiffes durchqueren müssen“.
Mittwoch, 18. März: Der noch von Schwarz-Blau ernannte FPÖ-nahe Nationalbankgouverneur Robert Holzmann ist ziemlich happy: Dieser Krise wohne eine „reinigende Kraft“ inne, denn es würden nur die „überlebensfähigen“ Betriebe übrigbleiben. Leider aber könnten diese „Reinigungskräfte“ nicht ordentlich wirken, wenn die Politik weiterhin allen Unternehmen hilft.
Donnerstag, 19. März: Denunziatorische Bilder in Wien heute – auf der Donauinsel gedreht, um zu beweisen, wie fahrlässig die Menschen sind. So sehe ich zum Beispiel zwei dicke, nicht mehr ganz junge Männer von hinten, die mit nackten Oberkörpern zusammen am Ufer sitzen, die Füße ins Wasser gesteckt. Unausgesprochen zeigt das Bild „bezirkstypische Prolos“, die nichts kapiert haben. Und natürlich wurden sie nicht gefragt, ob sie vielleicht zusammenwohnen oder verheiratet und somit völlig zurecht hier sind.
Sonntag, 22. März: In einer ZDF-Reportage wird Mallorca nach dem Abzug der (deutschen) Tourist_innen als „Geisterinsel“ bezeichnet.
Dienstag, 24. März: In einer ARD-Diskussion fragt einer, warum nicht nur die Hochrisikogruppe, sprich: die ganz Alten, isolieren und die anderen in Ruhe lassen? Sofortiger Shitstorm vom Podium: Da geht es um die Generation, die „unser Land aufgebaut“ und für „unseren Wohlstand gesorgt“ hat! Zugegeben: Gemeint sind ja tatsächlich nicht nur die jetzt Hundertjährigen, die noch echte Karriere-Nazis gewesen sein könnten …
Freitag, 27. März: Gleich frühmorgens sagt ein Soziologe im Deutschlandfunk, der Staat mute uns jetzt mehr zu als im Zweiten Weltkrieg. Damals sei der Gang in den Luftschutzbunker nämlich freiwillig gewesen! Gnadenhalber nenne ich seinen Namen nicht.
Sonntag, 5. April: Die Leitung eines österreichischen Altersheims hat einen „bulligen Typen“ vor die Ausgangstür gesetzt, um die Bewohner_innen vom – erlaubten – Spaziergang abzuschrecken.
Samstag, 11. April: Die rechtsextreme Wochenzeitung Zur Zeit wird aus dem Corona-Sondertopf für Medien gefördert. Während anderswo bereits „Corona-Zensur“ praktiziert und Journalist_innen eingeschüchtert werden, gibt’s in Österreich kolportierte 66.000 Euro für zum Beispiel die Aufklärung darüber, dass das „China-Virus“ von den „links-feministischen Aufmärschen“ am 8. März 2020 verbreitet wurde.
Sonntag, 12. April: Über der Bodenseeregion schwebt ein Zeppelin mit Polizei an Bord, um Menschenansammlungen aufzuspüren. Der Zeppelin sei besser als Drohnen, weil er so leise ist, dass er sich quasi anschleichen kann. Und in Wien heute lobt ein begeisterter Polizeipräsident die Bevölkerung für deren „Compliance“ – die das Kompliment leider mangels Unkenntnis des neuen Polizei-Sprech gar nicht verstehen kann.
Mittwoch, 15. April: Gesundheitsminister Anschober will nach der Krise „transparent einen Schlussstrich ziehen“ und Fehler, vor allem jene im Tirol, „schonungslos darstellen“. Dass in Österreich Schlussstriche unter historische Ereignisse besonders beliebt sind, wissen wir, und sie wurden auch früher schon nie intransparent, sondern immer in bestem Einvernehmen mit der Mehrheitsbevölkerung gezogen.