Gedankenstrudel aus der Isolation
Und es drehen die Gedanken Kreise im Quadrat. Klingt so schön lyrisch. Das Quadrat ist mein Zimmer. Die Gedankenkreise der Versuch, der Isolation inhaltlich etwas zu entlocken. Das Ergebnis: Kreise im Quadrat. Wow.
Überladen und klein in die Ecke gedrängt von Büchern, Filmen, Musik, all dem Schönen da draußen, kommt wenigstens ein Review in der Woche bei raus. Das wirkt aber fast etwas undankbar. Undankbar dem Werk gegenüber, da es unnatürlich in seine Einzelteile zerstückelt, nackt ausgezogen und bloßgestellt wird. Mir gegenüber, da ich meine Gedanken vorübergehend anlehne an einen Gegenstand, ohne den ich automatisch wieder ins Taumeln gerate.
Und so denke ich und so fühle ich. Ich fühle, dass ich nicht zu viel fühlen sollte, da ich es nicht aushalten würde, und ich fühle, dass ich nicht viel fühlen kann. Ich bin nicht jenes komplexe Wesen, das im Zurückgeworfen-Sein auf sich selbst einen Ozean ergründet, der da tief und substanziell ist. Der Ozean ist ebenso wenig unergründlich in seiner räumlichen Ausdehnung als er mystisch ist. „Habitare secum“, haben scheinbar die alten Römer_innen schon gesagt. „Wohne in dir“, oder besser: „Sei in dir Zuhause“, möchte ich mantraartig wiederholen und schau mir dabei in die Augen, um jenes Haus zu sehen, das mir Geborgenheit geben soll. Aber nein, kein Ozeantropfen und kein Haus. Diese Ideen – eine philosophische Randnotiz von denjenigen, die lieber in der Solitüde als in Gesellschaft gelebt haben. Diese Ideen – eine Legitimation der Selbstbezogenheit, denn ja, am Ende ist man immer allein. Welch Erkenntnis. Doch das hier ist kein Ende.
Das ist der Einheitsbrei der Gleichförmigkeit, die Dumpfheit und Taubheit, die Taube auf dem gegenüberliegenden Dach, die Gefühlsarmut und das Arsch-nicht-Hochkriegen. Das ist die Kompromisslosigkeit, trotz Kontaktarmut nicht das Telefon abheben zu wollen. Das Vorsätze-nicht-mal-Fassen, weil man sich selbst nicht mehr ernsthaft begegnen könnte, wenn die Nicht-Einhaltung zum Signifikanten des Denkens und Handelns wird. Das ist das Leben, in dem hunderttausende Menschen marktförmig auf einen Schlag wertlos sind, die Welt, in der man sich selbst am nächsten und dem Nachbarn am zweitnächsten ist. Das ist das Zuhause-auf-die-nächste-Pressekonferenz-warten-und-Bingo-Spielen. „Qwuarantäne“. Fünf in einer Reihe. Gewonnen. Das ist die Scheiße, die sich meistens gar nicht so scheiße anfühlt. Das ist die Fliege, die neu im Zimmer ist und es weniger gut erwischt hat. Die Spinnweben an der Decke nie entfernt, hat sie sich dort verfangen. Mittlerweile tot, schwebt sie nun zwei Meter über meinem Kopf. Nicht mal eine Spinne ist da, um sie aus diesem Zwischenstadium einer Bestimmung zu führen. Ja, das ist es. Keiner Bestimmung zugeführt zu werden. Von niemandem. Auch nicht von sich selbst. Gefühlt nie anzukommen und im Zwischenstadium zu verharren. Denn ja, es ist die Zeit für vieles, aber wann haben wir schon mal die Zeit, nichts zu erleben? Etwas zu tun, nicht, um besser zu werden oder um des Ergebnisses willen. Etwas tun, nun ja, weil man halt irgendetwas tut. Nichts tun. Sich treiben lassen. Von mir aus im Ozean seiner selbst. Sich Struktur geben. Strukturen zerstören. Das heißt nicht, dass alles egal und willkürlich ist. Nein. Aber dass mittlerweile Fliegenbeine auf meiner Fensterbank liegen und ich sie nicht aufputzen werde – und schon gar kein spannender Gedanke in mir daraus erwächst.