MALMOE

Die kleine elektrische Drecksschleuder

E-Scooter haben eine enorm schlechte Ökobilanz. Es ist unsinnig auf Mikro-Mobilität statt auf den öffentlichen Personennahverkehr zu setzen

Seit Monaten wird aufgeregt darüber diskutiert, was ausleihbare E-Roller für eine dringend notwendige „Mobilitätswende“ in den Städten bedeuten könnten. (1) Doch wird dabei vergessen, welch schlechte Ökobilanz E-Scooter haben. Zunächst müsste die Frage gestellt werden: Welche Strecken ersetzen die Miet-Roller? Antwort: Ausnahmslos solche, die bisher absolut umweltfreundlich zurückgelegt wurden, zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Das Lifestyle-Objekt ist somit ein bescheuertes Elektro-Spielzeug. Es bringt uns verkehrspolitisch keinen Kilometer weiter. Statt den öffentlichen Personennahverkehr auszubauen und die Infrastruktur für Fahrräder zu verbessern, folgen derzeit viele Städte dem plattformtechnologischen Trend der dem Silicon Valley entstammenden „Mikro-Mobilität“ – und zwar in der unökologischsten Variante.

Teurer Verleih

Etwa 15.000 E-Scooter sind seit Ende Juni dieses Jahres in Deutschlands Großstädten auf den Straßen. In Östereich waren es, allein in Wien, im April 2019 6.020 Leih-Roller von sechs verschiedenen Anbietern. Circ, Lime, Tier und Voi sind beispielweise die Plattformen, über die sich die Follower des Hypes einen Elektro-Tretroller ausleihen können.

Die E-Scooter taugen schon preislich nicht als massenhaftes Fortbewegungsmittel für die Stadt. Die Freischaltung per Smartphone kostet einen Euro, danach werden 15 bis 20 Cent pro Minute fällig. Nach 12 Minuten kostet die Miete 2,80 Euro. Dafür gäbe es in Berlin eine BVG-Fahrkarte, mit der man zwei Stunden Bus oder Bahn fahren kann oder fast 90 Minuten Mietfahrrad. In Wien gibt es für 2,40 Euro eine Einzelfahrt mit den Öffis. Zusätzlich geben E-Scooter-FahrerInnen über GPS-Tracking vollständig personalisiert Auskunft über ihre Wege und Aufenthaltsorte. Die Daten werden aufgezeichnet, ausgewertet und weiterverkauft. Die Scooter lassen sich nur per QR-Code und Smartphone-App freischalten und über Kredit-Karte oder Paypal bezahlen. Sie werden durchschnittlich fünfmal am Tag ausgeliehen und stehen die restliche Zeit im öffentlichen Raum im Weg.

Maximal unökologisch

Anders als uns die „Verkehrswende“-ApologetInnen glauben machen wollen, ersetzen E-­Scooter kein einziges Auto. Mit E-Scootern fahren Touris und Hipster Kurzstrecken unter zwei Kilometern, die sie zuvor zu Fuß oder per Rad zurückgelegt haben. Anders als auf dem Fahrrad kann man mit E-Scootern nichts transportieren. Sie sind überflüssige Stromfresser – mit einer überaus schlechten Ökobilanz: Der E-Scooter schneidet hinsichtlich der CO2-Emission pro Person und Kilometer deutlich schlechter ab als ein Dieselbus. Wer Scooter fährt erzeugt fast die Hälfte der klimaschädlichen Emissionen wie jemand, der oder die mit dem Auto fährt, so die Ergebnisse einer Anfang August 2019 in den Environmental Research Letters veröffentlichten Studie. Grund dafür ist vor allem der schnelle Verschleiß der Scooter, die schon nach geringer Fahrleistung ausgemustert werden müssen. Dazu kommt der Energieaufwand beim Einsammeln und Aufladen der Roller. Dies funktioniert so: Sogenannte Juicer sammeln die Roller, deren Akku weniger als halb voll ist, nachts (mit ihren privaten Autos) ein, um sie in ihre Wohnung zu schleppen und dort gegen Honorar aufzuladen. Was Bezahlung und soziale Absicherung betrifft, befinden sich die nachts arbeitenden Juicer in einem Beschäftigungsverhältnis, das aus einem dystopischen Endzeitfilm stammen könnte.

Die Rechnung zahlt der globale Süden

Die Scooter halten kein halbes Jahr und viele gerade mal einen Monat. Nach durchschnittlich drei bis vier Monaten werden sie verschrottet. Zehntausende Hochleistungs-Akkus mit dreißig Kilometern Reichweite sind damit jährlich als Sondermüll zu entsorgen. Für die Batterien gibt es (derzeit) keine Recycling-Möglichkeit. Unmengen an Seltenen Erden (zum Beispiel Lithium), die unter den bekannten unmenschlichen Arbeitsbedingungen geschürft wurden, werden so verschwendet.

Im sogenannten Lithiumdreieck (Argentinien, Bolivien, Chile) lagern siebzig Prozent des weltweiten Lithiumvorkommens in Salzseen inmitten hochandiner Steppenregionen, die durch extrem hohe Sonneneinstrahlung und Trockenheit gekennzeichnet sind. Diese Landschaft ist die Heimat zahlreicher indigener Gemeinden, die dort seit Jahrhunderten leben und Viehzucht und Landwirtschaft betreiben. Aufgrund ihres sehr hohen Wasserverbrauchs stellt die Lithiumproduktion im südlichen Lateinamerika eine Bedrohung für Menschen, Tiere und Pflanzen dar: Für eine Tonne Lithium werden zwanzig Millionen Liter Wasser benötigt. Damit wird ein wertvolles Ökosystem unwiederbringlich zerstört.

Eine frühere Version dieses Textes erschien im Magazin Autonomes Blättchen aus Hannover.

(1) Der Text bezieht sich zwar auf die Situation in Deutschland, die Debatte wird in Österreich aber wenig anders diskutiert. Die enorme Zunahme an E-Scootern in der Stadt hat dazu geführt, dass es für das Fahren selbiger seit 1. Juni 2019 gar ein österreichweite Regelung gibt, die das elektrische Rollerfahren quasi mit dem Radfahren gleichsetzt.

Wie die CO2- Emissionen in Gramm pro Person und Kilometer unter Einbeziehung der Lebensdauer inklusive Energieaufwand für Herstellung und Betrieb im Vergleich zeigen, haben E-Scooter eine ­grottenschlechte Ökobilanz:
Fahrrad: 5 g, E-Bike: 25 g, ­Dieselbus: 51 g, E-Scooter: 126 g,
Auto: 257 g