Regierungsspitzen (#10)
Ibiza
So geht Regieren heute. Das Video, das der spätere Vizekanzler Strache und der FPÖ-Klubobmann Gudenus auf der Ferieninsel produzierten, war keine „besoffene G’schicht“, sondern ein Credo, das nie an die Öffentlichkeit hätte kommen sollen. Das Treffen war monatelang vorbereitet worden und die Äußerungen der Anwesenden stimmten passgenau in ihr sonstiges politisches Gebaren. Die Regierung Kurz setzte später vieles von dem um, was die beiden ausplauderten, wie beispielsweise die von Spender*innen geschätzten Steuererleichterungen für Besserverdienende und Konzerne sowie praktische Deregulierungen. Auch waren Beeinflussungsversuche von Medien durch die Regierung Kurz erkennbar. Das ganze Konzept des Umbaus hin zu einem illiberalen Staat wurde somit auf Ibiza ausgeplaudert und nachher in Wien (teil-)verwirklicht. Wer sich von wem schmieren ließ und welche Schmiere nur Angeberei der beiden Gockel war, müsste nun eruiert werden. Wohlgemerkt betrifft dies beide Regierungsparteien. Denn die Provenienz der Zusatzmilliönchen zu erfahren, die die ÖVP noch in jedem Wahlkampf hervorgezaubert hat, wäre sicherlich sehr erhellend. Leider sieht es im Moment nicht danach aus, weil es die beiden Regierungsparteien verstehen, als pfiffige Partners in Crime, die öffentliche Aufmerksamkeit auf andere Schauplätze zu lenken und der dümmliche Medienboulevard hilft ihnen dabei willfährig. Heute wird wild spekuliert, ob der Mossad das Video gemacht habe, obwohl längst klar ist, dass es ein Wiener Anwalt und ein Privatdetektiv waren, die ganz unspektakulär die beiden Blauen erpressen wollten. Auch darf Strache den gefallenen Helden spielen und wird von seiner Liebsten in Schutz genommen. Währenddessen verlässt der abgewählte Ex-Kanzler Kurz den Nationalrat (von Parlamentarismus hält er nämlich wenig) und macht sich zu einer drei Monate währenden Wahlkampftour auf, bei der ihm die ergebene Medienmeute wie den bereits sicher gewählten Kanzler behandelt. Die im Nationalrat zurückgebliebenen demokratischen Parteien und Abgeordneten sollten sich auf diesen Mummenschanz nicht einlassen und die Zeit des „freien Spiels der Kräfte“ für kluge Sachpolitik nutzen. Ein neues Parteienfinanzierungsgesetz wäre beispielsweise fein. Dabei würde sichtbar: Wer dagegen stimmt, wird Gründe dafür haben, die vielleicht mit dem nächsten Ibiza-Urlaub zusammenhängen.
Bleiburg/Pliberk
Wenn sich kroatische und andere FaschistInnen alljährlich auf dem Loibacher Feld/Libuško polje bei Bleiburg/Pliberk treffen, dann gedenken sie ihrer Toten mit einer Heiligen Messe, reichlich Alkohol und Hitlergrüßen. Ein Muttertag in Kärnten/Koroška, wie er seit fast 75 Jahren stattfindet. Oder anders formuliert: mit 10.000–30.000 Teilnehmenden das größte Faschistinnentreffen in Europa. Eine typisch österreichische Lösung fand sich, damit die Gaudi auch heuer stattfinden kann: Obwohl die Kärntner Diözese erstmalig ihre Genehmigung für eine Messe vorenthielt und das Gutachten eines Verfassungsjuristen vorlag, worin eine Gefährdung „des öffentlichen Wohls“ bescheinigt wurde, schoben sich die Behörden so lange gegenseitig die Verantwortung zu, bis das Treffen nicht mehr verboten werden konnte. Bezeichnenderweise war in den österreichischen Medien bis 2005 fast ausschließlich die Rede von der „Bleiburger Tragödie“. Tragisch schien dabei allerdings nur der Tod von „Kroaten“, „kroatischen Soldaten“ oder einfach „Partisanen-Opfern“. Das dahinter ein Konglomerat aus kroatischen Ustaši, serbischen und montenegrinischen Četnici, Kosaken, Wehrmacht und SS-Einheiten steckt, wurde nie benannt. Stets beginnt die Geschichte erst im Mai 1945, in dem von den Briten besetzten Kärnten/Koroška, wohin die Einheiten vor jugoslawischen Partisaninnen geflüchtet waren. Keine österreichische Zeitung erwähnt in diesem Zusammenhang die durch den faschistischen „Unabhängigen Staat Kroatien“ (NDH) ermordeten kroatischen Partisaninnen, Romnija, Jüdinnen, orthodoxe Serbinnen und alle anderen KZ-Häftlinge des mit Nazideutschland kollaborierenden NDH-Staates. Auch wenn heuer ein Urlaubsvideo dafür sorgte, dass 10.000 Teilnehmende ihren Toten wieder ungestört gedenken konnten, bleibt zu hoffen, dass bis 2020 Alkohol auch den letzten Faschisten erledigt hat. Smrt fašizmu!
Kiew
Die Ukraine hat einen Comedian, im größtmöglichen Akt der Selbstreferentialität, zum Regierungschef gewählt. Wolodymyr Selenskyj hat nämlich den Präsidenten, der er jetzt ist, zuvor im Fernsehen gespielt. Genauer spielte er dort einen Lehrer, der in der Serie durch ein viral-gewordenes Video mit einer Beschwerderede über die aktuelle ukrainische Regierung so berühmt wird, dass ihn die Menschen zum Präsidenten machen. Genau diesen Witz hat er nun also in der Realität wiederholt und wurde mit 73 % der Stimmen gewählt. Nun hat jede reale Satire das kleine Problem, dass sie nie lustig ist und sie ist es auch bei Selenskyi leider nicht. Es sagte freimütig, dass das, was er und sein (Wahlkampf-)„Team S“ tun, komplett neu sei und da hat er irgendwie recht. Erstmals müssen Wählerinnen für Wahlkampfauftritte Eintritt bezahlen, weil Selenskyj während seines Wahlkampfs weiter auf Tournee ging und als echter Präsidentschaftskandidat den falschen der Comedy spielte. Vorfinanziert wurde ihm die Tournee und Fernsehserie von dem Oligarchen Ihor Kolomojskyj, der vor einigen Jahren mit seiner „PrivatBank“ Pleite ging und diese mit fast 5 Milliarden Euro staatlicher Gelder retten ließ. Es blieben ihm zum Trost, neben den in der Ukraine unausweichlichen Beteiligungen am Energiesektor, eben jene Fernsehsender, die den gespielten Präsidenten zum wirklichen promoteten. Die in Selenskyj gelegten Erwartungen sind sehr schwer zu erfüllen, weil er weder innerhalb der bestehenden Wirtschaftsordnung die Lebenshaltungskosten senken kann, noch innerhalb der bestehenden Rechtsordnung die Korruption des legendären ukrainischen Parlaments wird mindern können, das zeitweilig nahezu vollständig aus mirakulös-neureichen Millionärinnen bestand, die sich an ihrer Immunität erfreuen. Viel Arbeit für den Fernsehclown also. Ohne Frage ist der Neue zunächst in manchem eine Verbesserung gegenüber der kriegstreiberischen alten Regierung Porochenkos. Dass er das alte Sprüchlein von Roland Reagan: „Der Staat ist nicht die Lösung des Problems, sondern das Problem“ auspackt, wird ihm zwar den Applaus der Oligarchen sichern, die Bevölkerung wird aber auch in Zukunft wenig zu lachen haben.