Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern, sie verläuft auch nicht zwischen oben und unten, sondern zwischen Nike und Adidas.1„Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern, sie verläuft zwischen oben und unten“ war ein Wandgraffiti, das jahrelang an der Bezirksgrenze von Kreuzberg und Friedrichshain in Berlin prangte, bis es vor ein paar Jahren durch eine Nike Werbung übermalt wurde.
Als ich 2008 mein Abitur machte, war der ultimative Antifa Look schwarze North Face Windbreaker und im selben Stile Adidas Samba. Die weißen Spuren im Logo bildeten den Kontrast. Hin und wieder, je nach Demo, wurde das North Face Logo überklebt. Die Uniformität belächelte ich damals noch, konnte ich sie mir sowieso nicht leisten. Rund 220 Euro als Zugang zu den coolen Jungs im Black Block.
Heute, knapp 10 Jahre später, scheint sich mir die Präsenz von sehr spezifischen Items, die einen ‚echten’ Linken ausmachen, und der Kontext, in dem diese Items auch Gültigkeit bekommen, verstärkt zu haben. Die Notwendigkeit, einem gewissen Kleidungsstil zu entsprechen, ohne dabei aus dem Bild zu fallen, scheint mir stärker denn je. Diese ungeschriebenen Gesetze, die darüber entscheiden, wie die ersten Blicke dich aufnehmen, begrüßen oder ablehnen, sind dabei nicht unwesentliche Aspekte, wenn es um die Zuschreibungen von Zugehörigkeit geht.
Nur vorsichtig kann ich skizzieren, was ich beobachte, da ich selbst oft den gängigen Looks entspreche und oft ohne weiteres ‚bestehe‘. Was – hier ausbuchstabiert – so richtig falsch anmutet, kommt in der Performance als sehr natürlich daher. Gewisse Markenklamotten gehören in vielen Kontexten, in denen ich mich bewege, zum ‚guten Ton‘. Und so entspreche ich wohl auch dem guten Ton. Unsichtbar gehe ich in der Norm auf.
Wenn ich so drüber nachdenke, macht mir die Homogenität Angst, ich frage mich, wo die Menschen sind, die sich anders kleiden, und wie es ihnen wohl gehen mag in einem Raum, in dem die Idee vorherrscht, individuell auszusehen, das Resultat aber genau das Gegenteil ist? Wie mächtig ist Lookism in aktuellen linken Szenen und welche Menschen hält er ab, sich einer Szene anzuschließen? Wo produziere ich Ausschlüsse mit meinen 100 Euro Sneakers?
Was mir schon vor etwas längerer Zeit aufgefallen ist, sind die Namen, die meine Sneaker tragen: ‚Internationalists‘, ‚Safaris‘, ‚Deconstructs‘ und gerade im Typ ‚light bone sail‘ (wtf?). So lässt sich entlang meiner getragenen Schuhmodelle auch meine Theorierezeption aufzählen: Rosa Luxemburg, Postcolonial Studies, Jacques Derrida, Necropolitics. Und noch widersprüchlicher mein Lebensstil: weltbereisend, in Frage stellend, irgendwie kommunistisch und das Ganze bis auf die Knochen und bis zum Tod.
Zu den Widersprüchen von internationaler Arbeitsteilung der Kopf- und Handarbeit möchte ich hier gar nicht erst zu sprechen kommen. Von einer ethischen Produktion im Kapitalismus schon gar nicht; Richtiges im Falschen?