MALMOE

Editorial 79

In jedem Kind steckt ein Gedicht, ein Gemälde, ein Musikstück“, sagte Jeremy Corbyn bei seiner umjubelten Rede auf dem Festival von Glastonbury Ende Juni 2017. Er wünschte sich eine Gesellschaft, in der alle inspiriert sein würden und das Recht hätten, zu musizieren, zu malen und zu schreiben wie sie wollen. Da redet einer von Chancen und Möglichkeiten, wie lange nicht mehr und er scheint es ernst zu meinen. Sein Achtungserfolg bei den Wahlen zum britischen Unterhaus bestätigt seinen ungewöhnlichen Weg. Eine solche Art von Aufbruch scheint in Österreich und Deutschland derweil kaum denkbar. Beliebte Politstars sind Figuren wie Sebastian Kurz und der schreibt seine miesen Gedichte bekanntlich mit Stacheldraht. Dem Getöse rechter und immer rechter werdender Medien wird hierzulande kaum mehr widersprochen. Was vor zehn Jahren noch als undenkbarer Anti-Humanismus oder Rassismus verdammt worden wäre, ist heute Mainstream und bürgerliches Parteiprogramm. Gegenstimmen sind kaum mehr zu vernehmen. Das Gift von Austerität und Polizeistaat fließt durch die Blutbahnen deutscher und österreichischer Befindlichkeiten. Nur wer glaubt, er oder sie könne nichts mehr wagen, wird sicherlich niemals beschenkt werden. ­MALMOE-LeserInnen hingegen lassen sich gerne beschenken: mit inspirierenden Ideen, frechem Spott gegen die Regierenden und sorgfältiger Aufarbeitung der politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Misere. Das stärkt die Abwehrkräfte gegen die Verzagtheit.

Herzlichst,
die Redaktion