MALMOE

Riskantes ­Engagement

Gestörtes Störendes (#2)

Der kritische Sozialpsychologe Peter Brückner hat gestört: den Muff des Hochschulbetriebs, die deutsche Nachkriegsgesellschaft, für die der Nationalsozialismus ein abzuschließender Ausrutscher war. Brückners Thema war gesellschaftliche Herrschaft und wie sie jede_n Einzelne_n bis ins Unbewusste hinein bzw. besonders dort beeinflusst und umtreibt. Sein Engagement hat ihm letztlich ein Berufsverbot im Rahmen der damaligen deutschen (Antiterror-)Gesetzgebung eingebracht, was ihm einen schweren existentiellen Schlag versetzte, ihn vielleicht sogar langsam brach.

Laut Kritischer Psychologie ist der Zugriff auf bzw. die Kontrolle über die gesellschaftlichen Bedingungen, die für meine alltägliche Lebensführung bestimmend sind, das zentrale menschliche Bedürfnis. Das kommt daher, dass die Welt des Menschen eine gesellschaftliche und der Zugriff auf die rahmengebenden Bedingungen für die eigene Lebensführung absolut notwendig ist. Unter kapitalistischen Bedingungen ist der Zugriff herrschaftlich durchkreuzt und durchbrochen. Die ursprüngliche Solidarität und Kooperation, die für die gesellschaftliche und individuelle Reproduktion notwendig ist, ist in Nischen verbannt, statt eine Grundlagenposition einzunehmen. Somit können wir uns der Solidarität und Kooperation anderer nicht sicher sein, sondern müssen immer davon ausgehen, übervorteilt und/oder benutzt zu werden. Der Zugriff auf die Bedingungen meines Handelns zum Zwecke der Veränderung oder Erweiterung dieser in einer Weise, die potentiell allen zugutekommt, ist immer mit dem Risiko verbunden, den eingeschränkten und gewährten Zugriff zu verlieren. Die herrschenden Strukturen (bzw. die in ihnen die relevanten Positionen Einnehmenden) können die provisorische und eingeschränkte Kontrolle über die Bedingungen jederzeit entziehen. So sind wir ständig hin und her geworfen zwischen Erhaltung des Bestehenden und Risiko des Verlustes desselben bei Versuch der Veränderung. Tausend kleinste bis große Kompromisse prägen unseren Alltag. Nur bei Auftreten von „Problemen“ sind wir vor die (mehr oder weniger) bewusste Entscheidung gestellt, innerhalb unseres jeweiligen Arrangements zu handeln oder dagegen. Im Handeln dagegen spüren wir die Gewalt der Verhältnisse, die nicht umgeworfen oder verändert werden wollen, die Interessen der Anderen, die an ihren Arrangements hängen (so wie wir an unseren). Brückners Versuch der Veränderung ist gescheitert und er hat dafür teuer bezahlt.