Regierungsspitzen (#6)
Bratislava
Seit 2012 wird die Slowakei von der Smer-SD regiert, eine nominell „linke“ oder „sozialdemokratisch“ genannte Partei. Warum sie diese Bezeichnung längst nicht mehr verdient, kann leicht anhand ihres Abgeordneten L’uboš Blaha erklärt werden. Der studierte Philosoph nennt sich zwar Marxist, gibt aber ein exzellentes Beispiel dafür ab, wie eine Art rechter bis hin zu rechtsradikaler Denkschule von vielen SozialdemokratInnen in Europa Besitz ergriffen hat. Die Argumentation ist insbesondere in Osteuropa stets ähnlich. Es müsse zwischen „Kommunitarismus“ und „Kosmopolitismus“ – so die fragwürdigen Bezeichnungen Blahas – unterschieden werden. Die KosmopolitInnen seien naive „Eliten“, die meinten mit „Multi-Kulti“ paktieren zu können, so lange sie reich genug wären, sich die negativen Folgen vom Hals zu halten, und würden nicht verstehen, was „auf der Straße geschieht“. Gerne darf angenommen werden, dass der Parlamentsabgeordnete und Universitätsprofessor viel auf der Straße gelernt hat, warum ihm dort aber der alte und völlig abstrakte Unsinn aufgegangen sein soll vom Unterschied zwischen „nationalem“ und „transnationalem“ Kapital, ist kaum nachvollziehbar. Die slowakischen (Ex-)SozialdemokratInnen kaprizieren sich auf den Einfall, der Nationalstaat sei Schutz vor kapitalistischer Ausbeutung der ArbeiterInnen, und übersehen bei diesem national-sozialen Konzept, dass das Kapital sich weder um kulturelle Wurzeln noch um Blutsverwandtschaft schert. Es knechtet, wie und wo es kann, und dagegen hilft nur internationalistische und interkulturelle Solidarität. MarxistInnen haben das einmal gewusst. Wenn immer mehr „linke“ Kräfte dies nicht mehr begreifen wollen, dann wird es langsam eng in Europa.
Jerusalem
Die Welt ist übrigens eine Kugel. Wer es nicht glaubt, es gibt Beweisfotos. Auf einer Kugel ist jeder Punkt gleich bedeutsam, somit kein Unterschied zwischen Attnang-Puchheim und Jerusalem. Religiöse Eiferer wollen aber lieber ein Zentrum festlegen und blöderweise unterstellen gleich mehrere Religionen der Stadt Jerusalem überweltliche Zentralbedeutung. Die US-amerikanische Regierung unterliegt leider den Einflüsterungen der sogenannten Evangelikalen, einer der wohl gefährlichsten Religionsgemeinschaften auf Erden, und hat auch deswegen die eigene Botschaft nach Jerusalem verlegt. Zwei prononcierte Vertreter dieser Religion (natürlich mit eigenen Fernseh- und Radioshows) sind Robert Jeffress und John Hagee. Die beiden Hassprediger posaunen herum, Juden, Katholiken, Moslems, Hindus etc., also schlichtweg alle außer den Evangelikalen, werden in nächster Zukunft in die Hölle fahren. Für die eigenen Leute glaubt man an Entrückung durch die Wiederkunft Christi und die wird genau dann geschehen, wenn die „Juden Jerusalem zurückerobert haben“. Da wollte man jetzt einmal kräftig nachhelfen. Verrückter als dieser krude Endzeitquatsch geht es kaum. Wir dürfen annehmen, dass Donald Trump diesen heilsegoistischen Unsinn ausnahmsweise einmal selbst nicht glaubt, aber er braucht die Stimmen der Evangelikalen und die sind ihm jetzt sicher. Daran wird auch keine Heerschar an Pornostars noch etwas ändern können. Der vorbildliche, aufgeklärte Westen mit seinen turmhohen moralischen Werten bereitet damit den Menschen in Israel und Palästina das Leben tatsächlich zur Hölle, da allseits die Hardliner unterstützt und die kriegerischen Fronten verhärtet werden.
Tiflis
Die Regierung in Georgien mixt einen politischen Cocktail aus konservativen, christlich-orthodoxen, neoliberalen und nationalistischen Zutaten. Der mag ja manchen sogar schmecken, für die georgische Clubszene ist er aber ein gefährliches Gift. In der Nacht vom 11. auf den 12. Mai 2018 stürmten schwerbewaffnete Spezialeinsatzkommandos der georgischen Polizei zwei der bekanntesten Clubs in Tiflis, das Bassiani und das Cafe Gallery. Als offizieller Grund für die Razzien galten Drogen – die juristische Grundlage dafür ist jedoch äußerst umstritten. Noch in derselben Nacht formierten sich Proteste vor den Clubs. Dutzende Menschen wurden festgenommen. Am Tag darauf protestierten 10.000 Menschen gegen die Repression der Polizei. Die Kundgebung verwandelte sich in einen ausgelassenen Rave, in dem sich das Bedürfnis nach Freiheit einer jungen Generation manifestierte. Trotz aller Repression hat sich die lokale Clubszene zu einer der besten der Welt entwickelt. Sie hat sich als Freiraum für LGBTIQ-Personen und nonkonformistische Lebensentwürfe etabliert. Kaum anderswo ist Techno zurzeit derart politisiert wie in Tiflis. Seit ihrem Entstehen sind Räume wie das Bassiani zum Hassobjekt von sämtlichen konservativen Kräften in der ehemaligen Sowjetrepublik geworden. Fast zwei Wochen lang blieb das Bassiani verschlossen, mittlerweile sind die Polizeikräfte wieder abgezogen. Die Szene atmet vorerst durch, doch der Kampf für mehr Freiheit und Akzeptanz geht weiter.