MALMOE

Welcome to Prison Island

Feministische Ökonomie #6

„Was, wo warst du in Urlaub, auf Lesbos?! Ist das nicht total problematisch mit den ganzen Flüchtlingen???“ Das haben mich Bekannte, KollegInnen und FreundInnen ziemlich oft gefragt. Wo es doch 167 bewohnte griechische Inseln gibt zum Hinfahren, 20 sogar mit Flughafen.

Warum also Lesbos? Lesbos ist die zweitgrößte griechische Insel mit dem berühmten Geburtsort von Sappho in Eressos. Das ganze Jahr über gibt es dort eine kleine Community von lesbischen Frauen*, die sich nicht nur im Sommer treffen um Urlaub zu machen, sondern auch, um die Menschen in Moria, einem der furchtbarsten Flüchtlingscamps der Welt, zu unterstützen. Die Dirty Girls of Lesvos waschen Decken und andere Textilien für die Flüchtlinge, Lesvos Solidarity hat Projekte wie das „Safe Passage Bags“-Projekt gestartet, wo Refugees Taschen aus den Rettungswesten nähen, die Geld für die Unterstützung der Menschen einbringen. Andere Frauen aus der Community arbeiten während der Woche ehrenamtlich im Camp, versuchen Plätze in Safe Houses für LGBTI-Refugees zu finden, bieten psychologische Unterstützung und jegliche andere Hilfe an. Als Auszeit (auch für die lesbischen Refugees) braucht es die Community am Strand, zum Krafttanken, aber auch um Infos auszutauschen. Der Tourismus in Skala Eressos stützt aber auch die griechische Bevölkerung, die vom Fremdenverkehr lebt. Die Geschäftseinbußen sind wegen der negativen Schlagzeilen extrem, viele Betriebe können die Saison finanziell nicht überstehen, trotz niedriger Stundenlöhne von etwa fünf Euro. Nicht alle sind reflektiert genug, nicht den Flüchtlingen dafür die Schuld zu geben.

Doch zurück zu den Flughäfen. Abgesehen davon, dass sie nicht von den Flüchtlingen genutzt werden können, passiert hier durchaus Interessantes. 2017 wurde der Flughafen in Mytilene privatisiert und vom deutschen Unternehmen Fraport (31 % gehören der Stadt Hessen, 20 % den Frankfurter Stadtwerken) mit Nutzungsrecht auf 40 Jahre gekauft. Ebenso wie 13 andere der griechischen Flughäfen. Der Verkauf war eine Voraussetzung für die Gewährung der letzten Runde an Krediten an den griechischen Staat, der ja nun wieder für ökonomisch fit erklärt wurde und in die Gewässer der internationalen Finanzmärkte zurücksegeln darf, solange weiterhin die Steuern erhöht werden und die Sozialausgaben für die Alten und sozial Schwachen gekürzt werden. Zurückgezahlt werden muss jetzt einfach ein paar Jahre später als geplant, sonst hat sich eigentlich wenig getan (von wegen totale ökonomische Erholung). Manche griechische Zeitungen sehen Griechenland als Geisel ausländischer Investor_innen, andere sehen die griechische Bevölkerung in Geiselhaft ewig korrupter Regierungseliten – oder beides.

Die Bankgebühren funktionieren jedenfalls gut in Griechenland. Drei Euro verlangt der Bankomat der Piräus Bank neben dem Reisebüro Sappho Travel in Skala Eressos pro Abhebung. Piräus ist der siebtgrößte Hafen in Europa. Ein Großteil des Hafens wurde gleich 2008 von China aufgekauft, ein weiterer Teil 2016 und 2021 soll es weiter gehen. Verknüpft mit den Nutzungsrechten auf 35 Jahre sind riesige Summen an vorgeschriebenen Infrastrukturinvestitionen für die Käufer_innen (mehr als zwei Milliarden Euro, die gleiche Summe gilt auch für die Flughäfen). Viel Geld für das schöne türkisblaue Meer. Doch die Profite rinnen davon, wie das Wasser im verdorrten Boden auf Lesbos. Die China Ocean Shipping Company COSCO verbucht (auch aufgrund günstiger Wechselkurse) Rekordgewinne in der ersten Hälfte von 2018, der Tourismus soll auch anziehen, jetzt wo es direkte Flüge von Peking nach Athen gibt – was wieder gut ist für die Fraport, die nur 28,5 % der jährlichen Gewinne an die Griechen überweisen muss.

Trotz internationalem Ausverkauf, die lesbische Community ist Lesbos jedenfalls noch treu geblieben. Unterstützt Lesbos, fahrt hin – egal ob mit dem Schiff oder dem Flugzeug und unterstützt die Menschen in Moria und in Skala Eressos!