Regierungsspitzen (#7)
London
Bezeichnenderweise ist es die Tory-Hinterbänklerin Anna Soubry, die es auf den Punkt bringt, wozu Labour leider nicht in der Lage ist: „Niemand hat den Brexit gewählt, um ärmer zu werden und niemand wollte damit erreichen, dass Leute mit goldenen Pensionen und ererbten Vermögen ihnen ihre Jobs wegnehmen [weil die Firmen verlagert oder geschlossen werden].“ Stimmt, aber genau das wird geschehen. Brexit, Donald Trump oder Türkis-Blau in Austria zeigen, wie die regierenden konservativen Parteien humanistisch ausgelaugt sind und zu bloßen Erfüllungsgehilfen der Kapitalinteressen wurden. Jeder Tory weiß, dass alles, was nach dem Brexit kommt, eine Verschlechterung für Arme, Kranke, Kinder und Arbeiter*innen sein wird. In Großbritannien sprechen überzeugte Brexiteers von positiven Auswirkungen allenfalls in circa 50 Jahren. Na klar, ein bisschen wird man sich halt gedulden müssen. Vermutlich liegt ein Grund für den Zusammenbruch konservativer Politik darin, dass das linke Spektrum verschwunden oder nur mehr in Fransen vorhanden ist. Jeremy Corbyn und sein Momentum können sich immer noch nicht zu einer wirklich progressiven Ausrichtung entscheiden. Statt energisch gegen den von den Tories eingebrockten Brexit aufzustehen und statt klar zu sagen, wir wollen Migration und finden sie gut, baute man sich eine Position im gestaltlosen Nirwana. Man sei irgendwie schon gegen Rassismus und natürlich auch gegen Antisemitismus (na ja), aber die Grenzen wolle man schon auch schließen und würde die Sorgen der Leute auch „ernst nehmen“, die halt keine Ausländer*innen mögen. Damit ist jeder Weg zu gemeinsamen, internationalistischen Lösungen verstellt, die einzig aus dem Dilemma heraushelfen würden.
Athen
Griechenland ist also unter dem „Rettungsschirm“ hervorgekrochen. Was die neoliberalen Meinungsmanipulatoren als „Erfolg“ verkaufen wollen, ist eine einzigartige Katastrophe, die viele Menschen das Leben gekostet hat und weitere kosten wird. Bei der Rettung wurde keines der ökonomischen Probleme des Landes oder der EU gelöst. Die Regierenden in Europa wollen den Fehler aber nicht eingestehen und machten weiter, obwohl sich zeigte, dass sich die Schulden Griechenlands nicht durch Deflation bereinigen ließen. Das benötigte Geld von außen gab es nur dann, wenn auch etwas verscherbelt wurde. Dies alles sollte geschehen, um das „Vertrauen der Investoren“ zurückzugewinnen. Nur vertrauen die niemandem, sondern haben sich einfach die angebotenen Sicherheiten unter den Nagel gerissen. Gleichzeitig verlangten sie frech statt niedrigeren Zinsen immer höhere. Der Plan der Troika, genannt EFC (Expansionary Fiscal Contraction) war somit Essig. Die maroden Banken liehen den Privaten nichts, somit blieb die öffentliche Hand als einziger Investor im Land und dem war es verboten, zu investieren. Aktuell wird es zwar ein wenig besser, weil Wirtschaften sich eben erholen, aber dies geschieht in Griechenland auf sehr niedrigem Niveau. Welche Folgen es hat, wenn beharrlich nicht in Infrastruktur investiert wird, zeigten die Waldbrände des Sommers. Der griechischen Feuerwehr fehlten einfach die Ressourcen, um Menschenleben zu retten. Das Vertrauen in die Institutionen des Landes und der EU ist jetzt futsch. Den Griechen und dem Rest von Europa wurde gezeigt: Wenn es hart auf hart geht, retten wir die Banken, aber die Menschen lassen wir leiden.
Salzburg
Basti Kurz wird sich schön geärgert haben. Nicht sein Herzensthema, die Migrations- und Sicherheitspolitik, stand im Fokus des Gipfeltreffens der europäischen Staats- und Regierungsoberhäupter am 20. September in Salzburg, sondern die Frage nach dem weiteren Brexit-Modus. Dass sich Kurz hingegen weniger über die Gegenproteste in der Salzburger Innenstadt ärgern musste, dafür sorgten 1750 Polizistinnen und Polizisten, unterstützt von Bundesheer-Einheiten und durch die Luft donnernde Kampfjets. Für Salzburg, das bekanntlich sehr stark auf Gediegenheit Wert legt, war die Demo groß, entschlossen und lautstark. Nachdem es sich die meisten Demonstrierenden am Ende der Route schon rund um den Teich im Volksgarten gemütlich gemacht hatten, entschied sich die Polizei dazu, doch noch für etwas mehr Rambazamba zu sorgen. So erinnerte sich ein Beamter irgendwann im Laufe des Tages von einem Demonstranten mit einer Eisenstange (oder war sie vielleicht doch nur aus Holz?) attackiert worden zu sein. Der angebliche Angreifer wurde am Rande des Volksgartens aufgegriffen, was dem Rest der Menge klarerweise missfiel. Schon kam es zum erprobten Ablauf von Einkesseln, Schikanieren und Beschimpfen, Schlagstock- und Pfeffersprayeinsatz und auch die obligatorischen Festnahmen durften nicht fehlen. Währenddessen war bis auf ein paar „No Border“-Schriftzüge an Kosmetikgeschäften in den Salzburger Einkaufsstraßen schon wieder Business as usual. Basti Kurz konnte also doch beruhigt schlafen gehen.