… wie lange es uns gibt, entscheiden wir immer noch selbst.“
Back to the roots – oder doch nur zurück ins vorige Jahrhundert? Die massiven Förderkürzungen bei Frauen*vereinen, feministischen Organisationen und emanzipatorischen Initiativen durch Schwarz-Blau in Bund und Ländern drohen über Jahrzehnte gewachsene zivilgesellschaftliche Strukturen zu zerschlagen. Solidarität und neue Bündnisse sind jetzt gefragt.
Was viele befürchtet haben, dass nämlich die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich vormacht, was von einer schwarz-blauen Regierung frauenpolitisch auch im Bund zu erwarten ist, tritt jetzt ein. Im Dezember 2017 wurde den oberösterreichischen Vereinen maiz – Autonomes Zentrum von & für Migrantinnen, FIFTITU& – Vernetzungsstelle für Frauen* in Kunst und Kultur in OÖ und ARGE SIE Beratung und Wohnen für wohnungslose Frauen mitgeteilt, dass ihnen die Förderungen durch das Frauenlandesreferat zu 100% gestrichen werden. Das Frauenreferat, das für Beratungsstellen zuständig ist, musste eine 10%ige Kürzung ihres Budgets kompensieren und entschied, nicht bei allen gleichmäßig zu kürzen, sondern drei Vereinen aus dem Netzwerk der bislang unterstützten Frauenberatungsstellen die gesamten Förderungen zu streichen. Gemeinsam ist den Dreien, dass es dezidiert feministische Vereine sind, die auf Selbstermächtigung setzen und sich nicht in eine Opferrolle drängen lassen. maiz, FIFTITU% und ARGE SIE taten sich zusammen und riefen die Kampagne #frauenlandretten ins Leben. Im Juni 2018 wurde nun, mitten im laufenden Jahr, auch auf Bundesebene eine Welle an Kürzungen durch das Frauenministerium bekannt. Um 179.000 Euro wurde das Förderbudget für 2018 gekürzt, nächstes Jahr sollen weitere 230.000 Euro eingespart werden. Das ist weniger, als sich die Regierung etwa den Testbetrieb für Tempo 140 auf der Autobahn kosten lässt, von Polizeipferden ganz zu schweigen. Für die betroffenen Vereine sind die Kürzungen jedoch existenzbedrohend.
„Zu spezifisch“: Frauen*politik – für wen?
„Es war zu erwarten, dass es für uns mit dieser schwarz-blauen Koalition nicht leicht wird. Aber dass unsere Förderungen von einer Stelle wie dem Frauenreferat zu 100% gestrichen werden, das war schon eine Überraschung. Das hat uns sehr stark getroffen.“, sagt Luzenir Caixeta, Geschäftsführerin von maiz. Eine Förderung der Arbeit von maiz, FIFTITU% und ARGE SIE wurde als „zu spezifisch“ abgelehnt. Das Frauenreferat fördere Beratungen, die sich an alle Frauen richtet – und schließt damit implizit Migrant*innen, wohnungslose Frauen – und auch unter oft prekären Bedingungen arbeitende Künstler*innen und Kulturschaffende aus. Die oberösterreichische Landesregierung argumentiert, Gleichstellungspolitik und Frauen*förderung seien ohnehin eine Querschnittsmaterie und damit nicht gesondert zu fördern. Maiz wurde daher nahegelegt, sich an das Integrationsreferat zu wenden, FIFTITU% an das Kulturressort. Die Frauenpolitik schafft sich damit gewissermaßen selbst ab. Freilich: maiz bekommt bereits Förderung vom Integrationsreferat und das Kulturressort fördert zwar Kunst- und Kulturprojekte, nicht aber die Beratungsarbeit.
Maiz ist eine Selbstorganisation von Migrantinnen, die kollektiv und partizipatorisch organisiert ist, Beratung und Kurse anbietet und klar politisch Stellung bezieht. Dabei hat maiz in den 24 Jahren ihres Bestehens eine besondere Expertise aufgebaut, berät Frauen* in sieben verschiedenen Sprachen und ist daher auch ein wichtiger Teil innerhalb des Netzwerks der (oberösterreichischen) Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Im Februar wurde dem Verein auch die Förderung durch das Gesundheitsressort gestrichen. FIFTITU% bietet Beratung für Künstler*innen und Kulturschaffende, zum Beispiel zur Künstler*innensozialversicherung, zu Selbstständigkeit und über Fördermöglichkeiten. Darüber hinaus nimmt der Verein eine „Watchdog“-Funktion ein, was das Geschlechterverhältnis bei der Besetzung von Bühnen, Podien und Stellen anbelangt und vermittelt auch geeignete Frauen* als Künstlerinnen, Referentinnen oder Sprecherinnen, leistet also viel Vernetzungsarbeit.
Seit Bekanntgabe der Kürzungen sind nun einige Monate vergangen. Die Vereine mussten Kürzungen beim Personal, bei den Arbeitsstunden vornehmen, vieles wird – wieder – ehrenamtlich geleistet. Und es wird gehofft, dass Schwarz-Blau schnell wieder Vergangenheit ist.
„Wir haben noch nie so viel Solidarität bekommen wie jetzt. Wir bekommen Spenden und haben auch neue Mitglieder, die regelmäßig Beiträge leisten. Aus dieser alternativen Quelle ist ein wichtiger Beitrag gekommen, nicht nur finanzieller Natur. Das ist sehr ermutigend und macht uns stärker. Denn das sind Signale einer starken Zivilgesellschaft, die Position nimmt und sagt: so nicht! So darf Politik nicht gemacht werden! Wir werden aktiv und lassen nicht zu, dass das zerstört wird.“, erzählt Luzenir Caixeta.
Ob sich seither etwas bewegt hat von Seiten der Landesregierung? Gespräche habe es ohnedies kaum gegeben, sagt Luzenir Caixeta, „Es gab keine Möglichkeit zu verhandeln. Die Entscheidung wurde uns mitgeteilt, Punkt.“ Dass maiz nicht mehr in das „Kerngeschäft“ des Frauenreferats falle, sei dabei ein schwaches Argument, denn natürlich sei es eine politische Entscheidung, wo gekürzt wird. Zumindest: Die ARGE SIE teilt auf Anfrage mit, dass ihre Förderungen mittlerweile gesichert sind. Maiz und FIFTITU% kämpfen weiterhin darum, Subventionen zu bekommen. Die Landesregierung verweist sie auf mögliche Projektförderungen, doch sind diese nicht geeignet, den laufenden Betrieb aufrecht zu erhalten, Gehälter und Mieten zu bezahlen. Eine Basisförderung, um einen Verein aufbauen zu können, wie das vor 20 Jahren noch möglich war, sei heute ohnehin kaum noch zu bekommen, erklärt Oona Valarie Serbest, Geschäftsführerin von FIFTITU%. Auch deshalb sei es jetzt besonders wichtig, sich für den Erhalt bestehender Strukturen einzusetzen.
„Anschlag auf die Frauenbewegung“
Die ehemalige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) stellte im Juni eine parlamentarische Anfrage an die neue Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), um zu erfahren, welchen Vereinen die Gelder gestrichen wurden und nach welchen Kriterien die Fördervergabe erfolgte. In der Antwort legte Bogner-Strauß eine Liste der betroffenen Organisationen offen. Um einen Beitrag dazu zu leisten, das höhere Ziel eines Nulldefizits zu erreichen, müssten Einsparungen vorgenommen werden. Dass die Tätigkeiten der betroffenen Initiativen nicht mehr ins „Kerngeschäft“ fallen und man in der Frauenpolitik künftig auf den Gewaltschutz fokussieren möchte, wie den Frauen*organisationen nun mitgeteilt wird, ist eine Argumentation, die man in Linz bereits kennt. Mit der gleichen Begründung wurden dem Verein FIFTITU% bereits im Jahr 2016 die Förderungen durch das – damals noch SPÖ-geführte – Frauenministerium halbiert.
Die Frauen*vereine erfüllen zwar – wie bisher – die Förderkriterien, nicht aber den Leistungsbegriff der Regierung. Dem Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern etwa, dem die Förderung um die Hälfte gekürzt wurde, richtete Bogner-Strauß über ein Ö1-Interview aus: „Fördergelder müssen in Relation zur Leistung vergeben werden“. Sie unterstellt damit unterschwellig, dass etablierte Organisationen jahrzehntelang „keine Leistung“ erbracht hätten. Als „getanzte Proteste“ und „Lesezirkel“ macht die Ministerin feministische Projekte verächtlich.
Auffällig ist, dass vor allem in der Wissens- und Bildungsarbeit, z. B. dem Stichwort –Archiv der Lesben- und Frauenbewegung oder der Frauenhetz, und bei feministischen Medien wie an.schläge, Frauensolidarität oder der geschichtswissenschaftlichen Zeitschrift L’Homme gekürzt wird – eine ganz klare Ansage gegen „den“ Feminismus, ein „Anschlag auf die Frauenbewegung“, wie es die an.schläge-Redaktion in ihrem gemeinsamen Kommentar in der aktuellen Ausgabe (VI/2018) bezeichnet.
Eine gute Frauenministerin zeichne sich dadurch aus, schreibt Sibylle Hamann im Falter, dass sie sich gegen die Machos in der eigenen Partei auflehne und sich dort Feinde mache, dafür könne sie im Gegenzug mit der Grundsolidarität von Frauen aus anderen Parteien rechnen. Doch Bogner-Strauß habe sich „keinen einzigen Macho zum Feind gemacht – schlicht deshalb, weil sie keine erkennbare Politik im Interesse von Frauen“ mache. Hamann geht auf die lange gewachsenen Beziehungen zwischen Frauenministerium und Frauenbewegungen ein. Öffentliche Stellen und Behörden wie z. B. das AMS, Sozial- und Jugendämter arbeiten mit NGOs zusammen, die eine – eben spezifische – Expertise haben. Der Staat baut so schon lange auf ehrenamtliches Engagement und zivilgesellschaftliche Strukturen, denen Bogner-Strauß nun ihre Leistungen aberkennt. Schwarz-Blau verfolgt damit konsequent eine Politik der Privilegierten, die strukturelle Benachteiligungen und unterschiedliche „Startvoraussetzungen“ einfach negiert. Und schließlich soll sich „Leistung wieder lohnen“, sprich: wer schon hat, soll noch mehr bekommen; der „Familienbonus“, der über Steuererleichterungen vor allem Besserverdienende belohnt, ist dafür ein gutes Beispiel.
Besonders zynisch ist im Zusammenhang mit der Kürzungswelle, dass die Förderung für den Dachverband der schlagenden Schülerverbindungen und Burschenschaften, dem Österreichischen Pennälerring (ÖPR) über die Bundesjugendförderung des Familienministeriums in diesem Jahr sogar deutlich erhöht worden ist (auf etwa 38 000 Euro). Per Selbstdefinition sind das Männerbünde, die „Richtlinien zur Förderung der außerschulischen Jugenderziehung und Jugendarbeit“ unterliegen jedoch dem Gleichbehandlungsgesetz. SOS Mitmensch veröffentlichte dazu eine Vereinsregisterrecherche und Screenshots der mittlerweile offline genommenen Website des ÖPR, wonach im ÖPR eine Männerquote von 100% bestehe. Bislang gab es vom Familienministerium dazu keine Konsequenzen. Eingeführt wurde diese Förderung übrigens unter dem ehemaligen Frauenminister und schlagenden Burschenschafter Herbert Haupt (FPÖ).
Auf der Suche nach neuen Geldquellen
Die Initiative #frauenlandretten und das Frauen*Volksbegehren sind gute Beispiele dafür, wie über Kampagnen nicht nur um Spenden geworben wird, sondern auch wichtige feministische und gesellschaftspolitische Themen gesetzt werden können. Aber: Kampagnenarbeit ist eben auch genau das, nämlich Arbeit – und die läuft dann, bei ohnehin knappen Ressourcen, erst recht zu 100% ehrenamtlich, wie Oona Valarie Serbest hinzufügt. Eine Crowdfunding-Kampagne kann kurzfristig eine gute Geldquelle sein, aber keine strukturellen Probleme lösen. Bis zum Verlust der Förderungen hatte maiz es abgelehnt, vorwiegend auf private Spenden zu setzen. Warum eigentlich? „Weil wir auch ein Recht auf öffentliches Geld haben. Migrant*innen tragen viel bei, zahlen Steuern. Wieso sollten sie diese Arbeit auch noch selbst finanzieren?“, sagt Luzenir Caixeta. Angesichts der aktuellen Kürzungswelle ergänzt Oona Valarie Serbest jedoch: „Wie man jetzt sieht: wenn man sich vom Staat abhängig macht, macht man sich natürlich auch von politischen Ideologien abhängig“. Im Bereich der privaten Spenden gäbe es zum Beispiel sehr erfolgreiche Modelle mit monatlichen Abbuchungsaufträgen. Regelmäßige Beiträge ermöglichen es den Vereinen, mit dem Geld kalkulieren zu können. Man dürfe sich jetzt nicht selbst handlungsunfähig machen, sondern müsse Lösungen suchen und neue Geldquellen auftun. Jetzt gehe es besonders darum, sich gegenseitig zu unterstützen, solidarisch zu sein und die eigentlichen Probleme zu benennen: das reaktionäre Frauenbild, das die Regierung vertritt und ihr Angriff auf den Feminismus. Es gilt in jedem Fall: Wer will, dass es feministische Organisationen und kritische, alternative Medien gibt – jetzt ist es an der Zeit, diese konkret zu unterstützen.