MALMOE

Der 
Faschismus 
ist da. 
Was 
nun
?

Neben Klugscheißern noch ein paar Zutaten 
für’s kommunistische Begehren und gegen die Angst


Und würde der Faschismus nur in Österreich sein reaktionäres Gesicht zeigen, könnten wir es als Farce abtun: Schließlich ist Herbert kein Führername und eine in PR-Fragen versierte Freundin gibt sich überzeugt: »Die Kickl-Kampagne ist so grottenschlecht, dass er noch weinen wird.« Doch auch Italien war wieder einmal schneller – Giorgia Meloni wanzt sich so gekonnt an Ursula von der Leyen ran, dass an Hilfe aus Brüssel wie anno 2000 gar nicht zu denken ist. Der Faschismus hat heute viele Gesichter und sie machen uns Angst. Die Gegenwart ist übervoll davon und im Sturm des von Walter Benjamin gefassten Fortschritts treiben wir in eine dystopische Zukunft, die viele toxische Zutaten enthält, die zwar bekannt sind, aber nun wild gemixt zu emotionalen Kipppunkten führen. Die einen stehen in Hamburg auf der Straße herum und behaupten: »Kalifat ist die Lösung«, der andere war gleich mit Kettensäge zugegen »um Löwen zu wecken« und gegen die da oben zu kämpfen und Trump wiederum behauptet selbst im TV-Duell mit Kamala Harris, dass in Springfield … Vielleicht kann Matt Groening diesen Irrsinn in der 36. Staffel der Simpsons wenden, grundsätzlich ist all unsere Kreativität gefragt, um an den Punkt zu kommen, den Tim Walz gemacht hat, als er Trump und seine Truppe als weird bezeichnete. Festung Europa, Euer Wille geschehe oder Der Einzige auf Eurer Seite – welche Probleme soll ausgerechnet die FPÖ unter dem Mann mit Vorliebe für Polizeipferde und die Identitären als rechter NGO lösen? Niederösterreich wird von einer vorbildlichen Koalition regiert, die konsequent die Klimakrise leugnet – Down under …
Es geht nicht nur um alternative Fakten – vieles wird zur Glaubensfrage: Glauben wir an den illiberalen Umbau dieser Republik, wenn die FPÖ wieder regiert? Selbst wenn es für dich und mich keinen unmittelbaren Unterschied macht, kennen wir wirklich keine direkt betroffene Person?


How dare you


Denn es macht einen Unterschied, ob der Mob auf der Straße organisiert wird und wer das tut. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes erkennt darin eine neue Qualität der Kickl-FPÖ – die Corona-Demos haben die Partei nicht nur aus dem Ibiza-Tief geführt, die Scharnierfunktion, also die ideologische und personelle Verbindung zwischen der Partei und dem organisierten Rechtsextremismus erfüllten bislang vorwiegend deutschnationale Verbindungen. Mit den Corona-Demos wurde das Aktionsfeld massiv erweitert: Küssel und Sellner gemeinsam mit Kickl in aller Öffentlichkeit. Eine negative Definition von Freiheit als Abwesenheit von Zwang wird scheinbar mühelos durchgesetzt, nicht zuletzt, weil sie den wesentlichen Aspekt der Verantwortung und Involviertheit in die herrschenden Ausbeutungsverhältnisse negiert.
Inwiefern Trumpf für den Sturm seiner Anhänger:innen aufs Kapitol juristisch zur Verantwortung gezogen werden kann, ist noch nicht ausgemacht. Dass Trump ebenfalls die Straße mobilisiert, um seinen Machtanspruch mit Gewalt durchzusetzen, wird gerne von jenen Freund:innen ignoriert, die ihre Enttäuschung wie eine Trophäe aus längst vergangenen Epochen des politischen Engagements vor sich her tragen. Männer wählen gerne die Position Feldherrenhügel – Betrachtung der politischen Situation aus bequemer Distanz, mit umso deutlicherer Geringschätzung aktueller Versuche linker Organisierung. Wer in Harris oder Trump lediglich zwei Kapitalfraktionen erkennt, darf in einer sehr privilegierten Position verharren, kennt selbst offenbar keine Marginalisierung und hält sich auch mit der anderer nicht auf. Das Gemeinsame von Trump, Kickl und Sahra Wagenknecht liegt in den vermeintlich einfachen Lösungen, womit sie jegliche ernsthafte Friedensbewegung diskreditieren.


Die Linke – Intellektuelle 
und Aktivistin


Wir könnten unsere Versuche der Überwindung von Hierarchien und Ausschlüssen, also ein gutes, mannigfaltiges Leben in universeller Solidarität (Bini Adamczak) oder Transversalität (Verónica Gago) führen. In deutschen Landen, in Argentinien oder Österreich gibt es wieder viele Gelegenheiten, das Gemeinsame zu üben. »Es ist wieder Donnerstag« und »Wir sind jetzt zusammen« waren die Losungen 2018 und auch »Kickl Du TRUMP« war schon vor sechs Jahren auf einem schwarz-weißen Protestschild zu lesen. Weniger Wahrheit (Truth Social), weniger Klugscheißern und viel mehr gegenseitige Großzügigkeit sind ganz praktisch gefordert, um den Antifaschismus im 21. Jahrhundert in türkis-rosa-lila zu tauchen.
Denn vielleicht wären wir nicht so im Arsch und würden nicht so phantasielos auf die faschistischen Witzfiguren starren, wenn wir ein bisschen mehr Toni Negri wären. Die Besonderheit seines kommunistischen Begehrens wird von Sandro Mazzadra als intellektuelle und politische Neugier und als politische Leidenschaft gefasst. Negri lebte in der Spannung, die Welt zu verstehen, um sie zu verändern. Das klingt nur bei oberflächlicher Betrachtung abgeschmackt und längst gegessen. »›Es lebe der Tod‹, ist die Losung des Faschismus. ›Es lebe das Leben‹ ist die Antwort derer, die keine Angst haben«, erinnert uns Negri.