Interview mit einem YPJ-Mitglied
Kannst du dich vorstellen und uns erzählen, was deine Motivation war der YPJ International beizutreten?
Ich heiße Amara und ich bin eine Frau von der Ostküste der Vereinigten Staaten. Der YPJ bin ich beigetreten, weil sowohl die Revolution in Rojava, der Kampf der Frauen der aus der kurdischen Frauenbewegung stammt, als auch der antikolonialistische Kampf in den Bergen Kurdistans uns im Westen Inspiration, Hoffnung, Motivation und einen Weg vorwärts zeigt. Ich beschloss der YPJ beizutreten, als die Besatzung von Afrin begann. Ich beschloss, dass ich als Teil dieses Kampfes Verantwortung übernehmen muss, um die Errungenschaften der Revolution als Hoffnung für diese Welt zu verteidigen. Ich weiß, dass dieser Kampf nicht trennbar ist von unseren eigenen Kämpfen in unserer Heimat, er ist eine internationalistische Bewegung, eine universelle Ideologie für ein globales Paradigma. Deswegen muss ich dem Ruf folgen und eine aktive Rolle in dieser Revolution ergreifen.
Was ist die Aufgabe einer militärischen Einheit wie YPJ/YPG? Was ist die Bedeutung von Selbstverteidigung in einer Revolution?
YPJ/YPG passt nicht in das Muster eines typischen Militärs. Es ist ein revolutionäres Militär, das mit einem demokratischen Volk und nicht mit einem Staat verbunden ist. Wie der Name schon sagt, ist sie eine Verteidigungskraft. Das bedeutet, dass sie aus dem Prinzip der notwendigen oder legitimen Selbstverteidigung basiert. Dieses Prinzip ist philosophisch, natürlich, es ist eine Wahrheit, die auf einem tiefen Verständnis des Lebens beruht. Jedes Lebewesen wird mit einem Selbstverteidigungs-Mechanismus in diese Welt geboren. Sich zu verteidigen ist ein wesentlicher Aspekt des Fortbestands des Lebens. Genauso ist es bei den Volks- und Frauen-Verteidigungstruppen in Nord- und Ostsyrien. Von allen Seiten kommen Bedrohungen: die Menschen dieser Regionen, ihre Geschichten, Kulturen, ihre Lebensweise und die Errungenschaften der letzten Jahre in Bezug auf die Autonomie der Frauen, die demokratische Organisation und den ökologischen Wandel, das alles wird von Zerstörung und Vernichtung bedroht. Es ist nur natürlich, dass die Menschen hier sich verteidigen, so wie auch eine Rose ihre Blüte mit Dornen verteidigt. Im Gegensatz zu imperialistischen Militärs, von denen wir wissen, dass sie nur Ausbeutung, Zerstörung und Mord bringen, ist die Aufgabe dieses Militärs, den Fortbestand des Lebens und der Freiheit zu sichern.
Wie sieht deine Arbeit und dein Alltag aus?
Unsere Arbeit und unser Alltag sind ziemlich dynamisch. Es entspricht sehr dem, was Şehid Sara und Sakine Cansiz einst darüber sagten, wie wir das Leben angehen sollen: Sei so vorbereitet, als müsstest du morgen aufbrechen, aber so arbeite, wie wenn du dein ganzes Leben hier verbringen würdest. Wir versuchen also, hart zu arbeiten, aber wir sind immer flexibel und auf alles gefasst. Das brauchen wir an einem Ort wie diesem, wo es konstante Konflikte niedriger Intensität gibt, wo jederzeit etwas passieren könnte, aber wir müssen weitermachen und am Aufbau der Gesellschaft arbeiten. In Realität bedeutet das, dass wir eine Struktur und Disziplin einhalten, wir wachen gemeinsam auf, machen zusammen Sport, kümmern uns um die täglichen Bedürfnisse im Haus um der Lebensmittel, legen schöne Gemüse- und Blumengärten an. Am Morgen starten wir meistens mit einer Art von Unterricht.
Manchmal geht es um Ideologie, dann lernen wir von und geben Seminare über prominente Denker*innen, manchmal lesen wir von Serokati und analysieren den Text gemeinsam, manchmal schauen wir ein neues Video über den Widerstand der Guerilla in den Bergen. Es gibt viele Themen und viele Wege auf denen wir versuchen uns ideologisch weiterzubilden. Wir haben auch praktischen Unterricht, zum Beispiel über medizinische Techniken oder militärische Themen. Andere Arbeiten umfassen Arbeiten in Medien, denn Verteidigung in Kriegszeiten heißt nicht immer mit Waffen und Munition. Selbstverteidigung besteht auch aus Kriegsführung, die in den Medien ausgetragen wird. Medien werden auch als starke Waffe gegen unsere Bewegung verwendet. Wir müssen auf Angriffe von allen Seiten vorbereitet sein.
Was bedeutet Internationalismus für dich?
Internationalismus ist eine revolutionäre Politik, die essentiell ist für den Erfolg jeder einzelnen Revolution. Während hegemoniale Mächte globale Dimensionen annehmen, müssen auch wir, die demokratischen Mächte, uns global vereinigen um die hegemonialen imperialistischen Mächte in globalen Allianzen wie der NATO zu bekämpfen. Für mich bedeutet Internationalismus die Wahrheit der Menschlichkeit aufzudecken, um die wahren Geschichten demokratischer Ausdrucksformen in allen Teilen der Welt zu finden, um diese demokratischen Kräfte der Welt, die schon immer existiert haben, zu unterstützen und das aktuelle kapitalistische Paradigma in ein demokratisches und egalitäres zu transformieren. Ein Kampf allein kann nicht erfolgreich sein, wir alle brauchen einander. Wir stecken da alle gemeinsam drin.