Eine Collage aus Gesprächen und Büchern von und über Janko Messner
MALMOE hat die Künstlerin Dana Rausch getroffen. Sie hat gemeinsam mit Elena Messner und Tobias Zarfl ein Buch über ihrem Großvater Janko Messner herausgegeben. In dem Gespräch mit Dana Rausch stand der Film Vrnitev / Die Rückkehr im Zentrum. Darin erzählt Janko Messner die tragische Geschichte des jungen Kärntner Slowenen Joza Kuhar, der von den Nazis zwangsrekrutiert wird, an der Ostfront kämpfen muss und schließlich beim Versuch zu desertieren erschossen wird. Der Prolog des Films spielt in den 1970ern in Kärnten. Es wird eine Szene beschrieben, in der zwei ehemalige Nazis das Grab von Joza Kuhar schänden. Solche Szenen kamen damals häufiger vor.
Dana Rausch: „In Kärnten war quasi schon immer ein revisionistisches Narrativ hegemonial. In dieser Logik waren es die Partisan:innen, die Unschuldige ermordet und verschleppt haben. Man erkennt zwar gerade noch an, dass es KZ in Kärnten gegeben hat, aber es gibt keine Tätergeschichte, die im kollektiven Gedächtnis verankert wäre. So kann sich das unschuldige Kärnterland im doppelten Sinne als Opfer darstellen, als Opfer der Nazis und der Partisan:innen. Da hat es ein Gegennarrativ extrem schwer. Das zeigt sich vielleicht am deutlichsten bei der Anerkennung des Widerstandes im öffentlichen Raum, wo sich gerade einiges bewegt.“
Janko Messner schreibt im Vorwort zu Vrnitev / Die Rückkehr: „Überlaufen zu den slowenischen Widerstandskämpfern, den Partisanen in den Karawanken – damals von der Hitlerschen Soldateska „Banditen“ geschimpft – gab es nach den Aussiedlungen der slowenischen Bauernfamilien nach Deutschland auch nur in Ausnahmefällen, wenn nämlich die Einheit an der Front nicht informiert war, dass slowenische Kärntner Soldaten wegen der Partisanenüberfälle Urlaubssperre hatten, und wenn man in den vierzehn Tagen oder drei Wochen überhaupt eine Verbindung mit ihnen herstellen konnte. In einem solchen glücklichen Fall wusste dann ein Slowene wenigstens, wofür er im Dreck zu liegen und sein Leben zu riskieren hatte – für den Sieg über die Nazi-Barbarei.“ (1)
Dana Rausch: „Diese ganzen Unmöglichkeiten, mit denen Deserteure damals konfrontiert waren, im Blick zu haben, ist für mich der Hauptgrund dafür, warum diese Geschichte heute so schwer zu vermitteln ist. Denn dann müssten wir über Krieg reden und zwar nicht über irgendeinen, sondern spezifisch über den Zweiten Weltkrieg und dann eben auch über den Nationalsozialismus. Genau das ist aber die Lücke im österreichischen Gedächtnis, weshalb in Diskussionen über den Partisan:innenkampf in Österreich viel zu oft eine Relativierung dieser sehr spezifischen Gewaltverhältnisse stattfindet. Es war nicht einfach irgendein Krieg, sondern ein Vernichtungs- und Versklavungskrieg. Das zeigt sich mit Blick auf die slowenische Bevölkerung nicht gleich 1938, sondern erst mit den Enteignungen und Deportationen 1941. Am Anfang gab es bei einigen Kärntner Slowen:innen noch den Glauben, man könne sich mit dem NS-Regime schon irgendwie arrangieren. Doch dann haben die Leute angefangen, sich dem Widerstand anzuschließen, konkret der Osvobodilna Fronta, der Befreiungsfront. Sicher auch, weil es da eine gemeinsame Sprache gab.“
Ein Gedicht von Janko Messner aus Solidarität an der Grenze / Solidarnost ob meji: „Vermächtnis der Heimgekehrten! Siehe Vaterland, das haben wir dir zurückgebracht: unsere angeschissenen Unterhosen, unsere wimmelnden juckenden Läuse, unsere heldenhaft bammelnden Stummelbeine, unsere lustig zuckenden Stummelarme, unser erloschenes Augenlicht, unsere infolge Schreckensstarre über Nacht ergrauten Haare, unsere zu frühen Kahlköpfe, geweiht durch irrsinnige Hekatomben, durch sauhatzmäßig geschlachtete Opfer des wahnsinnigen Gefreiten Hinkel, den der Kapitalismus Vorsehung und Schicksal hat spielen lassen. – Siehe Vaterland, es wird dir viel bedeuten müssen: solltest du wieder einmal auf einen marktschreienden, geifernden Sprücheklopfer hereinfallen und blutrünstige Generäle walten lassen, kannst du in Hinkunft uns Heimgekehrte sowie alle unsere Söhne am Arsch lecken, heute und für alle Zukunft.“ (2)
Dana Rausch: „Das Gedicht „Vermächtnis der Heimgekehrten!“ (siehe oben) war ja eine Reaktion auf eine Gedenktafel für heimgekehrte Soldaten, die am Ulrichsberg aufgestellt wurde, und die Verklärung des Sterbens und Tötens im Krieg. Dieses Moment, die eigene Erfahrung abgesprochen zu bekommen und sich als Soldat der Wehrmacht gleichzeitig mitgemeint fühlen zu müssen – das ist seine ganz persönliche Geschichte, die er in diesem politischen Rahmen öffentlich macht. Mit diesem Gedicht schreibt er sich ja auch in die Geschichte der Wehrmacht ein. Deswegen hat es Jörg Haider auch mal bei einem Ulrichsbergtreffen vorgelesen. Der hat natürlich versucht, es umzudrehen, dass ein antifaschistischer Schriftsteller die „Helden der Wehrmacht“ beschmutzt. Letztendlich ist es auch ein Antikriegsgedicht, das danach fragt, für was die Soldaten damals eigentlich verstümmelt und ermordet worden sind. Das ist quasi eine Anti-Helden-Story.“
MALMOE: In der Filmcollage Vrnitev Vrnitev Vrnitev / Die Rückkehr Die Rückkehr Die Rückkehr hast Du dich mit dem Film Deines Großvaters Janko Messner auseinandergesetzt. Wir verlinken einen QR-Code zum Film. (3) Es geht Dir darum, die kollektiven Traumata der Kärntner slowenischen Minderheit, Verfolgung und Deportation, Desertion und Widerstand von Kärntner Slowen:innen sichtbar zu machen. Kannst Du von Deiner Arbeit erzählen?
Dana Rausch: „Ich wollte irgendwas mit diesem Filmmaterial machen, wusste aber nicht ganz, wie ich mich dem Material nähern soll. Also habe ich einfach angefangen, Collagen aus ein paar Ausschnitten von dem Film zu machen. Ich finde die Form einer bewegten Collage sehr spannend, weil da verschiedene Bedeutungsebenen nebeneinander stehen können und eben neue Zusammenhänge entstehen. Die Ausschnitte aus Vrnitev / Die Rückkehr habe ich dann überzeichnet und sich wiederholen lassen. Überzeichnet im Sinne von, ich habe da etwas drüber gezeichnet. Aber es funktioniert im doppelten oder widersprüchlichen Sinn: etwas wird ausgeblendet und gleichzeitig hervorgehoben. Dabei geht es auch um Fragen der Erinnerung, die sich mit jedem Mal verändert und von der Vorherigen unterscheidet. Die Wiederholung war der Versuch aus dieser Fülle von Erinnerungen immer wieder andere Fragmente hervorkommen und sich verändern zu lassen. Die Form des Fragments, dieses zusammengestückelte, passt auch gut zum Trauma, das sich in der Sprachlosigkeit für Erlebnisse zeigt. Man hat vielleicht ein Gefühl, oder es schweben irgendwelche Bilder herum, aber nichts ist wirklich greifbar. In der Wiederholung dreht sich alles im Kreis es wiederholt sich, bis es dann als etwas anderes wiederkommt, bis man es da irgendwie wieder raus schafft. Deswegen habe ich auch die Tonspur des Films, also die Dialoge, herausgenommen und meinen Film mit Musik unterlegt.“
Janko Messner (2010): Dramen & Satiren, Drava, Klagenfurt/Wien
Elena Messner, Dana Rausch und Tobias Zarfl (2021): Solidarität an der Grenze / Solidarnost ob meji, Drava, Klagenfurt/Wien
Dana Rausch (2021): Vrnitev Vrnitev Vrnitev / Die Rückkehr Die Rückkehr Die Rückkehr, https://vimeo.com/showcase/8406759/video/600142027