MALMOE

Kein ruhiges Hinterland: Halbe-Halbe Nazi-Buam.

Die Umtriebe der so genannten Identitären Bewegung Österreich bauen in Oberösterreich 
auf der Vergangenheit des Bunds freier Jugend auf

Vorweg, die FPÖ hat mit dem Ring Freiheitlicher Jugend beziehungsweise Freiheitlicher Studenten doch schon zwei Jugendorganisationen, warum gruppieren sich in ihrem Umfeld dann junge Neonazis auch außerhalb von RFJ und RFS?

Im Jahr 2003 gründete sich der Bund freier Jugend (BFJ) in Linz als eine weitere Jugendorganisation der neonazistischen Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) und wurde schnell zum bedeutenden Sammelbecken für völkische Skinheads, rechtsextreme Hooligans und andere Neonazis in Oberösterreich. In seiner Rückwärtsgewandtheit malte der BFJ dystopische Zukunftsszenarien und sah sich als „Anlaufstelle für die Jugend welche sich noch wehren möchte“. Die Parallelen zur Verschwörungserzählung vom „Großen Austausch“ sind dabei augenscheinlich. Im Unterschied zur Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), die sich nach bekannt werden einer Geldspende durch den Attentäter von Christchurch 2020 in Die Österreicher umbenannte – die Abkürzung DO5 spielt auf den österreichpatriotischen Widerstand gegen den historischen Nationalsozialismus an – verherrlichte der BFJ ihn offen. In ihrem monatlich erschienenen Publikationsorgan Jugend Echo. Kampfschrift der nationalen Jugend in Österreich wurde 2004 die Aberkennung der Ehrenbürgerschaft Adolf Hitlers durch den Gemeinderat des Markts Haslach (Bezirk Rohrbach) beklagt.
Im selben Jahr beschlagnahmte die bayrische Polizei die Zeitung wegen der Verwendung von Nazisymbolik beim Gedenkmarsch für Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß in Wunsiedel.
Die Organisierung der rechtsextremen Szene in Oberösterreich, die sich Anfang der 2000er von der zerstrittenen FPÖ enttäuscht zeigte, gipfelte in dem jährlich vom BFJ veranstalteten „Tag der volkstreuen Jugend“. Die Veranstaltung wurde zur wesentlichen Schnittstelle von Alt- und Neonazis, bis sie 2007 behördlich aufgelöst und drei BFJ-Kader wegen des Verdachts auf Widerbetätigung verhaftet wurden. Im anschließenden Prozess gegen Rene Hönig, Stefan Magnet und Michael Scharfmüller erfuhren diese viel Unterstützung von Rechtsextremen aus Österreich und Deutschland. Der BFJ blieb handlungsfähig und konnte seine medialen Strukturen, vor seiner offiziellen Auflösung, an befreundete, europäische Neonazis transferieren. Stefan Magnet betreibt heute die Website AUF1, deren Verschwörungserzählungen und antisemitische Inhalte über das Internet, und zeitweise auch das Privatfernsehen, massenhaft im deutschsprachigen Raum verbreitet werden. Sein alter Kamerad und Mitangeklagter, Michael Scharfmüller, fungiert als Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift Info-DIREKT, in der wiederum prominente Identitäre mitschreiben. Bis 2018 war Stefan Juritz für den Onlineauftritt der Zeitschrift verantwortlich. Der Burschenschafter und ehemalige RFJ-Funktionär, mit guten Kontakten ins BFJ Umfeld, ist mittlerweile der Chefredakteur des online Mediums Die Tagesstimme, das der Identitären Bewegung nahesteht. Aber nicht nur medial wirken die alten Strukturen der neuen Nazis fort, dem ehemaligen Linzer Sicherheitsstadtrat und Vizebürgermeister Detlef Wimmer (FPÖ) wurde 2007 auf Grund seiner BFJ-Kontakte attestiert, dass von ihm eine Gefahr für die militärische Sicherheit ausgehen würde, und ihm wurde in Folge die Offizierslaufbahn verwehrt.
Wimmers Burschenschaft, Armenia Czernowitz, meldete 2016 das Linzer Rechtsextremen-Treffen „Verteidiger Europas“ an. Unter anderem mit dabei: Die AFP und IBÖ, Stefan Magnet, Herbert Kickl (FPÖ) und Martin Sellner (IBÖ). Im Juli 2021 wurde bekannt, dass die IBÖ bereits im Vorjahr ein Gebäude in Steyregg gekauft hatte. Das Haus dient auch als Firmensitz des Softwareunternehmens Kvltgames, das gemeinsam mit dem rechtsextremen deutschen Fundraising Verein Ein Prozent ein rassistisches, antisemitisches und homophobes Computerspiel entwickelt hat. Im so genannten Castell Aurora finden kulturelle Events zwischen Dart-Turnieren und Sonnenwendfeiern Raum statt. Die IBÖ versucht mit bei Antonio Gramsci entlehnten Theoriefragmenten eine Strategie der kulturellen Hegemonie zu vollziehen, welche mittlerweile auch Eingang in das freiheitliche Bildungsinstitut Meta Akademie gefunden hat. Was die IBÖ als rechte Politik ausgibt, die angeblich mit ihren nazistischen Ursprüngen gebrochen hätte, ist letztlich nur ein mediales Rebranding, alter Wein in neuen Schläuchen also, wie ihn der Rechtsextremismus aus strategischen und strafrechtlichen Gründen immer wieder anbieten muss. Auch nach 1945 verfolgten Rechtsextreme eine Perfektion ihrer propagandistischen Mittel, wobei die Zwecke grausam und absurd blieben. Vor wenigen Wochen verstarb, 92-jährig, der langjährige AFP-Kader Konrad Windisch. Den Nachruf, der von Info-DIREKT abgesetzt wurde, verbreitete Martin Sellner stante pede über den Messenger-Dienst Telegram.