MALMOE

Feministisch-
antimilitaristische 
Perspektiven

Der Text ist eine abgeänderte Version des ursprünglich in Femina Politica 
(Budrich Journals), Ausgabe 2023/2 erschienen Artikels Feministischer Pazifismus und Antimilitarismus in der Friedens- und Konfliktforschung: ein Überblick.

herangezogen, um angesichts verheerender Folgen für ohnehin schon Marginalisierte ein schnellstmögliches Ende militärischer Auseinandersetzungen zu fordern, dient er anderen dazu, die Notwendigkeit militärischer Gewalt mit dem Schutz eines (Weiblich-)Vulnerablen zu begründen oder das Recht von Frauen* zum – auch militärischen – Widerstand hervorzuheben.
In Anbetracht dessen kann davon nicht die Rede sein, dass Feminismus Antimilitarismus (im Sinne einer vollkommenen Ablehnung von militärischer Gewalt oder dem Militär als Institution) impliziere. Doch erlaubt eine feministisch-antimilitaristische Perspektive aus meiner Sicht einen dringend erforderlichen kritischen Blick auf gegenwärtige politische Diskurse um Krieg und Militär. Daher möchte ich im Folgenden beleuchten, wie und weshalb sich Militär, militärische Gewalt und Militarismus aus einer feministischen Perspektive problematisieren lassen.
Konkret betrachte ich vier Ansatzpunkte feministisch-antimilitaristischer Kritik: 1. die Reproduktion militarisierter Geschlechterhierarchien, 2. die Unterdrückung von Differenz(en), 3. ein übersimplifiziertes Gewaltverständnis sowie 4. die Marginalisierung von Ansätzen nicht-militärischer Konfliktaustragung und -bearbeitung.

Reproduktion militarisierter 
Geschlechterhierarchien

Aus feministisch-antimilitaristischer Perspektive problematisch erscheinen zunächst die mit militärischer Gewalt und deren Institutionalisierung verbundenen Geschlechterhierarchien.
Im öffentlichen Diskurs wird militärische Gewalt häufig legitimiert durch (explizit oder implizit) geschlechternormative Konstruktionen wie die Figur des starken und mutigen Retters, der unschuldige und hilflose Frauen und Kinder beschützt. Auch jenseits unmittelbarer Kriegsgebiete und -zeiten trägt die Erzählung männlich-heldenhafter Gewalt dazu bei, das Militär als ehrenvollen Teil der Nation darzustellen, seine Ansprüche gegenüber formal zivilen Gesellschaftsbereichen zu begründen und seine Praktiken etwa der Übung, Rekrutierung und Beschaffung zu normalisieren.
Auf ‚materieller’ Ebene sind diese Legitimierungen militärischer Gewalt und des Militärs verbunden mit militarisierten Geschlechterrollen wie der des maskulinisierten Strategen und Kämpfers und der feminisierten Versorgerin und Pflegerin. Die Aufwertung des Kämpfenden gegenüber der Pflegenden und damit maskulinisierter gegenüber feminisierten Rollen bildet die hierarchische Struktur dieser militarisierten Geschlechterrollen ab.
Solch feministisch-antimilitaristische Kritik wird mitunter durch eine stärkere Einbindung von Frauen* in militärische Praktiken und Institutionen zu entkräften versucht. Die genannten Verknüpfungen von Krieg und Militär mit Geschlechterhierarchien erweisen sich demgegenüber jedoch als überaus resistent.
Dies liegt zum einen an der Resilienz militarisierter Geschlechterhierarchien auf materieller Ebene. Denn selbst wenn Frauen* vermehrt in militärische Strukturen und Praktiken eingebunden werden, bleiben Kampfrollen häufig männlich* dominiert, und subtilere Machtverhältnisse, z. B. in Bezug auf strategische Definitions- und Entscheidungsmacht, bestehen weiter. Die stärkere Einbindung von Frauen* befreit das Militär auch schon deshalb nicht von seinem vergeschlechtlichten Charakter, weil es auf geschlechtlich strukturierter Arbeit weit jenseits des institutionellen militärischen Gefüges beruht, z. B. in Form feminisierter Pflege- und Versorgungsarbeit. Selbst an Frauen*, die in militärischen Rollen dien(t)en, richtet sich die Erwartung, während des Krieges oder später (wieder) feminisierten Aufgaben nachzukommen.
Zum anderen bleiben auch auf diskursiver Ebene Militär und Krieg weiterhin, wenn auch in leicht adaptierter Form, geschlechterhierarchisch geprägt. Die Soldatin wird in das maskulinisierte Bild des Militärs bspw. durch die Kombination bestehender Weiblichkeits- und Männlichkeitskonstruktionen integriert. Auch das zur Legitimierung militärischer Gewalt herangezogene Bild des feminisierten, unschuldigen und hilflosen Opfers, dem der maskulinisierte, mutige und starke Beschützer zur Rettung kommt, lässt ein flexibles Ausfüllen zu: Kontext-abhängig wird militärische Gewalt begründet mit der Verteidigung von Frauenrechten gegen ‚unzivilisierte‘ Männer. Darin spiegelt sich auch die Tendenz wider, problematische Formen von Männlichkeit im (oft rassifizierten) Anderen zu sehen. Weiters wird Gewalt legitimiert mit dem Schutz einer andernfalls dem Gegner schutzlos ausgelieferten Nation oder der Rettung verletzlicher und passiver Bevölkerungsgruppen im Globalen Süden.

Unterdrückung von Differenz(en)

Mit diesen Geschlechterhierarchien einhergehend ist aus feministisch-antimilitaristischer Perspektive auch die mit militärischer Gewalt verbundene Unterdrückung von Differenz(en) zu problematisieren.
Militärische Gewalt und das Militär als Institution verlangen die systematische Marginalisierung all derer, die sich den genannten militarisierten Geschlechternormen widersetzen. Deserteure, Überläufer und Kriegsdienstverweigerer beispielsweise werden als von der präferierten Männlichkeit des mutigen und opferbereiten Kämpfers Abweichende diskursiv wie materiell sanktioniert. Die Sanktionierung reicht von der Diffamierung als feige oder verräterisch über den Ausschluss aus dem Beruf bis hin zu physischen Strafen. Diese Unterdrückung abweichender Subjekte ist nicht allein auf die Intoleranz einzelner Autoritäten zurückzuführen, sondern Voraussetzung der erfolgreichen Institutionalisierung militärischer Gewalt: Geschlechterbilder wie das des mutigen Kämpfers, auf denen militärische Gewalt aufbaut, lassen sich schlichtweg nur erfolgreich aufwerten, indem gleichzeitig das, was nicht in dieses Bild passt, als Anderes marginalisiert wird.
Auch mit Blick auf diejenigen Subjekte, die durch militärische Gewalt vermeintlich zu schützen oder zu retten sind, setzt die Rechtfertigung militärischer Gewalt voraus, die Stimmen zu ignorieren bzw. zu diffamieren, die die vorgebliche Homogenität dieser Subjektgruppen infrage stellen. Die diskursive Konstruktion bspw. der Frau, die als Opfer unzivilisierter Gewalt militärische Rettung ersehnt, lässt sich nur aufrechterhalten, wenn die Stimmen unhörbar (gemacht) sind, die die Gewalt des vermeintlichen Retters als größere Gefahr wahrnehmen. Dabei erschweren Kriegs- bzw. militarisierte Bedingungen zusätzlich auf materieller Ebene das Anhören heterogener Stimmen, indem sie die in sog. Friedenszeiten bereits bestehenden Hierarchien der (Un-)Hörbarkeit verschärfen. Besonders problematisch erscheint solch eine Marginalisierung differenter Stimmen aus den feministischen Perspektiven, die die Verschiedenheit von Gewalterfahrungen, Handlungsmöglichkeiten und -grenzen innerhalb vermeintlich einheitlicher Gruppen hervorheben und homogenisierende Zuschreibungen kritisieren.
Schließlich zeigt sich die für Krieg und Militär notwendige Homogenisierung von Identitäten auch in der Konstruktion gegnerischer Kämpfer*innen. Ihre Tötung bzw. ihr ‚Untauglich-Machen‘ wird erst zu etwas Legitimem und Erstrebenswertem, indem sie auf Instrumente der gegnerischen Kriegsführung und daher zu zerstörende Körper reduziert werden. Andere soziale, berufliche oder politische Identitäten der Menschen sowie ihr möglicherweise gespaltenes Verhältnis zur ‚eigenen’ Gruppe werden hinter ihrer Rolle als Teil der gegnerischen Konfliktpartei unsichtbar und so für die Bedeutung ihrer Tötung irrelevant gemacht. In diesem Sinne beruht militärische Gewalt auf einer äußerst simplifizierenden Definition relevanter Subjektgruppen, die das kontinuierliche Ausblenden von Ambiguitäten verlangt.

Reduktives Gewaltverständnis

Aus feministischer Sicht kritikwürdig ist darüber hinaus das reduktive Gewaltverständnis, auf dem militärische Gewalt aufbaut.
Militärische Gewalt wird weithin verstanden und dargestellt als zeitlich und räumlich begrenzt anwendbares Instrument. Dieses Bild vernachlässigt jedoch, wie militärische Gewalt aufs Engste verwoben ist mit zeitlich und räumlich umfassenderen Gewaltverhältnissen. Zum einen teilt militärische Gewalt grundlegende Voraussetzungen mit nominell nicht-militärischer Gewalt, reproduziert diese und wird wiederum durch sie reproduziert. Dies zeigt sich etwa in der vor und während militärischen Auseinandersetzungen häufig zu beobachtenden Verschärfung innerstaatlicher Gewalt (bspw. in Form von wachsendem Autoritarismus) und sogenannter privater (z.B. häuslicher) Gewalt. Zum anderen reichen diese mit militärischer Gewalt verbundenen Gewaltverhältnisse weit über den zeitlichen Rahmen der Kampfhandlungen hinaus. Von militarisierten Hierarchien, wie sie die Kriegsführung voraussetzt, geht bereits vor Beginn der Kampfhandlungen geschlechtliche und andere Gewalt aus; andererseits prägen die genannten mit militärischer Gewalt verbundenen nicht-militärischen Gewaltverhältnisse das Leben vieler Menschen häufig lang in die sog. Nachkriegszeit hinein und lassen sich bestenfalls schrittweise abbauen. Diese Beobachtungen widersprechen der Vorstellung, militärische Gewalt diene der Bewahrung oder Korrektur gesellschaftlicher Umstände mittels eines punktuellen und lokalen ‚Eingreifens‘ in (außen-)politische Entwicklungen.
Auch basiert das Bild militärischer Gewalt als geeignetes Mittel der Konfliktaustragung vielfach auf einer idealisierten Vorstellung ihrer Wirkungsweise und der Kontrollierbarkeit ihrer Wirkung(en) auf das Verhalten anderer. Gerne wird davon ausgegangen, militärische Gewalt habe eindeutig eine bremsende Wirkung. Präzise und konsequent genug angewandt, vermöge sie gegnerische Gewalt einzudämmen, indem sie diese materiell unmöglich macht und/oder das Kalkül gegnerischer Gruppen dahingehend beeinflusst, dass Gewaltanwendung für sie hohe Kosten und geringe Nutzen erwarten lässt. Dieses Bild der Wirkungsweise militärischer Gewalt aber unterschätzt, inwieweit gegnerische Gewalt ihrerseits auf militarisierten politischen, ökonomischen und sozialen Verhältnissen basiert. Diese militarisierten Verhältnisse, die die gegnerische Gewalt ermöglichen und fördern, werden durch militärische Gegengewalt keinesfalls zuverlässig abgebaut, sondern unter Umständen sogar intensiviert und perpetuiert. Der Tod von Gruppenmitgliedern beispielsweise kann, statt eine Gruppe von weiterer Gewalt abzubringen, verbliebene Mitglieder zusammenschweißen, Gewalt fördernde Gruppendynamiken verstärken und sie veranlassen, länger und gewaltsamer zu kämpfen; autoritäre politische Verhältnisse und eine militarisierte Ökonomie werden durch militärische Gegengewalt selten aufgelöst, sondern im Gegenteil häufig noch verfestigt. Die Wirkung militärischer Gewalt auf gegnerisches Verhalten ist damit bestenfalls ambivalent; kaum jedenfalls stellt militärische Gewalt das gerne unterstellte zuverlässige (‚letzte’) Mittel zur Zügelung gegnerischer Gewaltausübung dar.

Diffamierung alternativer 
Konfliktbearbeitungsansätze

Schließlich ist aus feministisch-antimilitaristischer Perspektive auch zu problematisieren, dass militärische Strukturen und Praktiken darauf basieren, nicht-militärische Formen der Konfliktbearbeitung zu feminisieren und dadurch zu diffamieren.
Militarisierte Geschlechterkonstruktionen feminisieren Schwäche, werten sie als „typisch weiblich“ systematisch ab und werten maskulinisierte Stärke auf; dabei verbinden sie letztere diskursiv mit militärischer Gewalt. Diese Konstruktionen dienen nicht nur direkt der Legitimierung militärischer Praktiken und Strukturen, sondern tragen auch dazu bei, Möglichkeiten nicht-militärischer Konfliktbearbeitung und -austragung (unter anderem diplomatische Bemühungen, zivilen Widerstand) zu feminisieren. Diese werden mit Sanftheit und Nachgiebigkeit assoziiert und als „gutgemeint, aber naiv“ diskreditiert. Beispielhaft spiegelt sich solch eine Abwertung-durch-Feminisierung in dem Narrativ wider, ziviler Widerstand könne höchstens gegen rücksichtsvolle und menschenrechtsachtende, nicht aber gegen gewaltbereite und menschen(rechts)verachtende Regierungen etwas bewirken, deren Brutalität er ohnmächtig ausgeliefert sei.
Diese geschlechternormative Diskreditierung nicht-militärischer Konfliktaustragung erscheint in empirischer Hinsicht aber mindestens fragwürdig. Quantitative wie qualitative Untersuchungen zeigen, dass unbewaffneter Widerstand – bspw. in Form von Streiks oder anderen Arten von Nicht-Kooperation, Protesten und unbewaffneten Interventionen gegen autoritäre Regime oder militärische Besatzungen – selbst in Bezug auf kurzfristige politische Ziele deutlich wirksamer sein kann, als es maskulinisiert-militarisierte Erzählungen anerkennen.
Ungeachtet ihrer mangelnden empirischen Basis erschweren die genannten geschlechternormativen Abwertungen Initiativen, die eine nicht-militärische Prävention vor oder Reaktion auf gegnerische Gewalt anstreben, die Mobilisierung von Menschen und materiellen Ressourcen – zumal dann, wenn diese sich nicht (als ziviler Anteil) einem militärischen Gesamtprojekt unterordnen.

Fazit

Feministisch-antimilitaristische Kritik drängt dazu, die diskursiven Grundlagen und materiellen Implikationen von Militär und militärischer Gewalt zu hinterfragen, inklusive solcher, die andere Feminismen und Antimilitarismen meist unangetastet lassen.
Das ist eine ungemütliche Position. Überwältigend erscheint zuweilen der diskursive Druck zur Zurückstellung der kritischen Analyse militärischer/militarisierter Praktiken und Strukturen zugunsten einer – ebenfalls feministisch beanspruchten – Forderung nach dem Schutz schwacher Frauen und Kinder oder vorgeblich feministisch-emanzipatorischen, militärischen Widerstandes, oder aber der Druck zur Einhegung feministischer Kritik zugunsten einer neuen (nicht-militärischen) paternalistischen Schutzgeschichte, die die Interessen feminisierter Opfer zu kennen und zu verteidigen, beansprucht.
Dies hat auch mit Blick auf den politischen Diskurs, etwa zum Krieg in der Ukraine, klare Implikationen. Zahlreiche wissenschaftliche und mediale Analysen problematisieren die maskulinisiert-militärische Gewalt entweder auf russischer oder ukrainischer Seite. Demgegenüber liegt der kritische Wert feministisch-antimilitaristischer Forschung meines Erachtens gerade darin, die Annahme zurückzuweisen, aus feministischer Perspektiven zu konstatierende Problematiken seien ‚schlechter’ militärischer und militarisierter Gewalt zu eigen und durch eine Übermacht ‚guter‘ militärischer und militarisierter Gewalt einzuhegen.
Potenziell bedeutsam im Sinne der politischen Stoßkraft feministisch-antimilitaristischer Kritik scheint mir eine tiefgreifendere Auseinandersetzung mit Möglichkeiten feministischen, nicht-militärischen Widerstandes: Wie ist effektiver Widerstand gegen militärische Gewalt zu leisten, ohne sich in eine alternative Form maskulinisiert-militärischer Gewalt einbinden zu lassen? Eine Untersuchung dieser Frage würde neben theoretischer Reflexion vor allem auch eine umfassendere Auseinandersetzung mit konkreten, gelebten Praktiken und Erfahrungen solch feministisch-antimilitaristischen Widerstandes erfordern. Solch empirische Analysen der Möglichkeiten und Grenzen des Widerstandes könnten, so meine Hoffnung, feministisch-antimilitaristische Perspektiven in ihrem politischen Potenzial stärken.