MALMOE

Fair Pay in der freien Theaterarbeit

Es ist nicht alles fair, was glänzt! Die prekären Arbeitsbedingungen im Kulturbereich verschwinden nicht, wenn die Leute besser bezahlt werden, aber es wäre mal ein Anfang

Als Producerin in der freien Theaterarbeit beschäftige ich mich viel mit prekären Förderrealitäten und der Frage, wie wir trotzdem gute Arbeitsbedingungen füreinander schaffen können. Im kürzlich veröffentlichten zweiten Fair Pay Reader des Kulturrat Österreich finden sich Lösungsansätze für die drängendsten Herausforderungen der freien Szene. Viele Verbesserungen sind seit Beginn der Initiative und deren politischer Verankerung spürbar geworden. Doch ein kritischer Blick auf unsere Arbeitsrealitäten erfordert, sich nicht nur die Symptome anzuschauen, sondern auch die dahinter liegenden strukturellen Probleme.
Eine kollektiv organisierte Working Conditions Group der Plattform Wiener Perspektive regte vor sieben Jahren erstmals verbindliche Honoraruntergrenzen für freie Theaterschaffende an. Diese Untergrenzen nahm die IG Freie Theaterarbeit (IGFT) 2021 in den ersten Fair Pay Reader auf. Der erste Reader und die damit einhergehende öffentliche Debatte trugen zu einer enormen Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei. Mittlerweile haben sich in der Praxis Honoraruntergrenzen etabliert, die Fördergeber:innen sogar voraussetzen.
So dankbar ich für diese Errungenschaften bin, frage ich mich am Jahresende immer noch, warum ich mir diesen Job ausgesucht habe. Mein Jahresgehalt schrammt knapp am Existenzminimum, während der durchschnittliche Brutto-Jahresumsatz in der Branche nur zwischen 15.000 und 25.000 Euro liegt – vor Abzug der Sozialversicherungsbeiträge versteht sich. (1)

Altersarmut und Bürokratiefrust

Im aktuellen Reader fordert die IGFT weitere Verbesserungen vor allem im Bereich der sozialen Absicherung. So wurde in einer im Dezember 2023 von der IGFT durchgeführten Umfrage zur Altersvorsorge und -pension von freien darstellenden Künstler:innen bereits deutlich, dass Altersarmut ein flächendeckendes Problem in der Branche darstellt. (2) Dieses Problem entsteht durch die geringe Bezahlung und fehlenden Anwartschaftszeiten. Kurzfristige oder befristete Engagements, hybride Beschäftigungsverhältnisse und Scheinselbständigkeit erschweren zudem auch noch den Anspruch auf Arbeitslosengeld. In dem Reader werden verschiedene Maßnahmen vorgeschlagen, die zu einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen führen sollen. Dazu zählen die Einhaltung der Honoraruntergrenzen durch Künstler:innen, korrekte Beschäftigungsverhältnisse und Verträge und damit mehr Festanstellungen. Um die Situation besser beurteilen zu können, müssten allerdings mehr Daten erhoben werden.
Im Umgang mit Themen wie dem der Festanstellung fragen sich jedoch viele, wie sie mit der zusätzlichen Bürokratie und mit wachsenden Nachweispflichten umgehen sollen. Sowohl selbständig als auch festangestellt zu sein bei diversen projektgebundenen Auftrags- und Arbeitgeber:innen führt zu Bürokratiefrust und Mehrarbeit aller Beteiligten. Die administrativen Lasten werden damit auf die Schultern derjenigen gelegt, die eigentlich durch die Maßnahmen unterstützt werden sollen. Das liegt mitunter auch daran, dass das aktuelle Fördersystem einen ständigen Schaffensdruck erzeugt: Von Projekt zu Projekt hangelnd wird eine Idee nach der anderen entwickelt und umgesetzt und verschwindet nach drei, vier Aufführungen wieder in der Versenkung – Nachhaltigkeit sieht anders aus.
Solche prekären Bedingungen machen es notwendig, in der Diskussion um Fair Pay nicht nur über gerechte Entlohnung, sondern auch über die Gestaltung nachhaltiger, sozialer Absicherungssysteme nachzudenken, die Künstler:innen vor Altersarmut oder Einnahmeausfällen durch Krankheit schützen. Auf Förder- und Institutionsebene muss ein Umdenken stattfinden: Wie kann die Prozesshaftigkeit künstlerischen Arbeitens berücksichtigt werden? Wie kann künstlerisches Arbeiten nicht nur auf das Endprodukt der Aufführung reduziert werden? Was machen wir mit angestaubten Institutionen wie dem Künstlersozialversicherungs-Fonds, deren Anrufbeantworter auf Dauerschleife laufen und die mitunter Jahre brauchen, bis sie Künstler:innen aufnehmen? Wie können die Theaterhäuser in die Verantwortung genommen werden? Lassen sich vielleicht Ideen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen auf den Kulturbereich anwenden?

Was hast du erwartet?

Mit Blick auf die tief verwurzelten ökonomischen Verwertungslogiken und Strukturen, wird klar, dass die Ökonomisierung der Kultur und die daraus resultierende Prekarisierung der Arbeit Symptome eines kapitalistischen Systems sind, das die künstlerische Freiheit und den Wert der Kulturarbeit untergräbt. Es braucht eine kritische Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen, die unsere Arbeitswelt prägen. Oft bekomme ich zu hören: „Was hast du erwartet? Hast du dich nicht selbst dafür entschieden?“ Oder: „Ein Genie lebt doch für die Kunst und ist bereit, dafür zu leiden. Die Kunst braucht Menschen, die einfach machen, weil sie müssen, und nicht, weil sie Geld wollen.“ Der Witz an der Sache ist: Als Kulturarbeiter:in ist man von diesem leistungsorientierten und selbstentwertenden Blick nicht frei. Viele haben ihn verinnerlicht und reproduzieren ihn fleißig weiter.
Es ist diese Verinnerlichung neoliberaler Werte, die den Diskurs um Fair Pay so herausfordernd und gleichzeitig so wichtig macht. Einerseits bieten die im Fair Pay Reader vorgestellten Maßnahmen praktische Lösungen, die eine unmittelbare Entlastung für viele Kulturarbeiter:innen bedeuten. Andererseits müssen wir anerkennen, dass diese Schritte allein nicht ausreichen, um die zugrundeliegenden Probleme zu adressieren. Klar braucht es jeden einzelnen Arbeitskampf, um das große Ganze zu verändern. Die aktuellen Verbesserungen stehen jedoch im Schatten größerer struktureller Ungleichheiten. Wir müssen diese Maßnahmen durch einen kritischen Diskurs begleiten, weiterdenken und ausbauen, damit sich die Arbeitsbedingungen in den darstellenden Künsten nachhaltig verändern.

(1) Fair Pay Reader 2024, IG Kultur Österreich, 2024, S. 40.
„Kranksein ist viel zu teuer. Bericht zur Umfrage über Altersvorsorge und -Pension von freien darstellenden Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen in Österreich“ IGFT, 2023.