MALMOE

Editorial 108

Desertieren und Guerilla laufen auch heute noch dort zusammen, wo Eins das Andere bedingt. Beides ist ein Ab- und Untertauchen und immer auch ein sich-entziehen, unangreifbar machen oder gegen staatliche Gewalt aufbegehren. Guerilla ist mehr als Krieg. Es ist ein Versuch, anders zu leben, andere Welten aufzubauen und diese zu verteidigen. Davon berichten einige Perspektiven, die uns aus Rojava zugespielt wurden, eindrucksvoll. Diese Texte sind kaum redigiert, sondern direkt aus der Bewegung geschrieben. Doch wo Guerilla aktuell in aller Munde ist, wird wenig über Desertieren gesprochen. Aber stell dir vor, es wäre Krieg und dann geht wirklich keine_r hin. Zumindest eine Organisation in Wien tut alles dafür, dass es so weit kommt. Die Rede ist selbstverständlich von der Dessi, mit der wir ein Gespräch abgedruckt haben. Übrigens plant die Dessi heuer eine riesige Geburtstagsparty in der Arena – ein guter Grund zu feiern! Für frischen Wind sorgen außerdem Gedanken ums Desertieren vom Geschlecht.
Der Langtext widmet sich diesmal feministisch-antimilitaristischen Perspektiven, die untersuchen, wie Krieg und Militarismus Kategorien von Gender reproduzieren und verfestigen. Zwei Gespräche und ein Gedicht beleuchten Widerstandsbewegungen gegen den Nationalsozialismus und schlagen eine Brücke zwischen den Begriffen Guerilla und Desertieren. Immerhin mussten nicht wenige spätere Partisan_innen erst aus der Wehrmacht desertieren, um sich auf die Seite des Widerstands schlagen zu können. Ein Interview widmet sich Janko Messner, der Kärntner Slowene hat seine gescheiterten Versuche, aus der Wehrmacht zu desertieren, literarisch verarbeitet. Ein zweites Interview mit der Regisseurin Karin Berger thematisiert speziell die Beteiligung von Frauen im Widerstand und die Schwierigkeiten dabei, diesen zu erforschen. Sicher ist die Bewertung von bewaffnetem Widerstand selten so eindeutig, wie im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. Dass die Auseinandersetzung über die Frage, ob Terror ein geeignetes Mittel in der politischen Auseinandersetzung darstellt, mindestens eine Freundschaft auf dem Gewissen hat, zeigt der Streit zwischen Gilles Deleuze und Michel Foucault. Aktuell sorgt die Romantisierung des Widerstands der Hamas, angereichert um Elemente von Shoah-Relativierung, für Verirrungen im öffentlich-philosophischen Diskurs. Unser Magazin bietet hoffentlich Orientierung in hitzigen Diskussionen.

Einen kühlen Kopf wünscht,
Eure MALMOE