MALMOE

„den Bock zum Gärtner machen“

Von äußeren Einflüssen und dem „schlechtem“ Geschmack eines Richters.

Laut Definition der Richtervereinigung dienen die sogenannten richterlichen Garantien der Unabhängigkeit, Unversetzbarkeit und Unabsetzbarkeit dem Schutz der Gerichtsbarkeit als dritter Staatsgewalt vor Einflüssen von außen. So weit so gut. Doch wie wird man einen Richter los, der am laufenden Band qualifiziert rechtswidrige Entscheidung erlässt und das auch noch in einem so grundrechtssensiblen Bereich wie dem Asylrecht? Die kurze Antwort: Es ist kompliziert und noch komplizierter, wenn es sich um den interimistischen Leiter des Bundesverwaltungsgerichts notabene einen ÖVP-Protegé handelt.
Aber der Reihe nach. Michael Sachs ist Richter des Bundesverwaltungsgerichts, welches unter anderem für die Behandlung von Beschwerden gegen negative Asylbescheide zuständig ist. Seit Jahren fehlt seinen Entscheidungen die gebotene Sorgfältigkeit, was selbst Lai:innen bemerken. Ein gutes Beispiel dafür liefert Lukas Gahleitner-Gertz von der asylkoordination österreich, der via Twitter (x) eine Entscheidung aus dem Februar 2023 zitiert:     „Die Zusammenschau der Auffälligkeiten und Widrigkeiten verhält sohin zu dem Schluss, dass dem Antragsteller jegliche Persönlichkeit abzuerkennen und seinem Vorbringen einer Befürchtung in Syrien bei Rückkehr Militärdienst leisten zu müssen, gänzlich keinerlei Glaubhaftigkeit beizumessen ist.“ Solche verklausulierten Formulierungen klingen zwar zunächst recht eindrucksvoll, dahinter steckt allerdings eine sinnbefreite Aussage. Selbst ein/e RichterIn kann keinem Menschen die Persönlichkeit aberkennen, egal welche Worthülsen dafür bemüht werden.
Die asylkoordination österreich war es auch, die Anfang Oktober 2023 ein Dossier zu Michael Sachs veröffentlichte. Der Titel „W195“ steht für das Kürzel der Gerichtsabteilung des Richters. Darin werden jene 30 Entscheidungen aus den Jahren 2020 und 2021 analysiert, die vom Verwaltungsgerichtshof oder dem Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden. Mit 30 „Hebern“ verzeichnete die dem Richter zugewiesene Gerichtsabteilung 2020 die höchste und 2021 die zweithöchste Aufhebungsquote in absoluten Zahlen aller Gerichtsabteilungen. Für die gravierenden Mängel der behobenen Entscheidungen fanden die Höchstgerichte drastische Worte: Leichtfertiges Abgehen vom Akteninhalt, Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit, Verwendung unsachlicher oder nicht schlüssiger Begründungen, vollkommenes Außerachtlassen selbst getroffener Feststellungen in der Beweiswürdigung und grobe Verkennung der Rechtslage. Davon zeigt sich der Richter allerdings nur bedingt beeindruckt. In fünf Verfahren innerhalb dieser zwei Jahre sahen sich die Höchstgerichte veranlasst, bereits aufgehobene Entscheidung ein zweites Mal aufzuheben.
Qualifiziert rechtswidrige Entscheidungen können die Republik eine Menge Geld kosten. Nach den Recherchen von asylkoordination österreich musste die Republik in mindestens neun Fällen für die Fehlleistungen des Richters einstehen, sprich: Sie musste den entstandenen Schaden bei den Betroffenen begleichen. Dabei ist längst nicht jede rechtswidrige Entscheidung haftungsbegründend, sondern nur jene, die unvertretbar (lies: richtig schlecht) sind. Auch müssen die Betroffenen nach einem oft langen und unfairen Asylverfahren noch die Nerven haben, sich zeitnah einem weiteren Verfahren auszusetzen und die Kosten zu tragen, sollte die Klage abgewiesen werden.
Mit neun Amthaftungszusprüchen in zwei Jahren hat der Richter übrigens auch hier im Vergleich zu seinen Kolleg:innen die Nase vorne. Der asylkoordination österreich zufolge wurden in diesem Zeitraum insgesamt 70 Amtshaftungsansprüche als gerechtfertigt zugesprochen. Daraus ergibt sich, dass der Richter als einer von 220 Richter:innen für zwölf Prozent aller Fälle verantwortlich ist. Der Republik hatte es offenbar satt, wiederholt für die Fehlleistungen des Richters einstehen zu müssen – und machte laut Zeitungsberichten zumindest in einem Fall von ihrem Recht Gebrauch, Regress bei ihrem eigenen Organ zu suchen und bat den Richter selbst zur Kasse. Etwas, das übrigens nur äußerst selten passiert.
Nun könnte man meinen, dass in so einem Fall die Chefin bereits beim Richter auf der Matte steht. Tja, hier wird die Sache kompliziert. Nach der Pensionierung des Präsidenten im Dezember 2022 übernahm Sachs als Vizepräsident die interimistische Leitung des Bundesverwaltungsgerichts. Was die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper mit „Hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht“ kommentierte. Als interimistischer Leiter des Bundesverwaltungsgerichts ist der Richter dafür verantwortlich, disziplinäre Schritte gegen richterliche Fehlleistungen einzuleiten. Da das gegen sich selbst schwer geht, hat die Dienstaufsicht über den Präsidenten das Bundesministerium für Justiz inne. Genau an dieses hat die asylkoordination österreich ihr Dossier weitergeleitet. Eine Reaktion steht noch aus. Wie kann sich Sachs trotz all des Gegenwindes als interimistischer Leiter weiter im Sattel halten?
Nun, die Sache ist so, Sachs hatte sich bereits im Sommer 2022 für die Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde beworben und ging aus dem Auswahlprozess als Erstgereihter hervor. Was folgt, kann österreichischer kaum sein: Die Grünen blockierten die Bestellung von Sachs mit dem Argument, das Wirtschaftsministerium habe kein ordentliches Verfahren geführt und die Reihung sei mit der ÖVP-Nähe des Richters begründet. Stattdessen solle die Zweitplatzierte, Natalie Harsdorf-Borsch, bestellt werden. Im Gegenzug blockierte die ÖVP beim Bundesverwaltungsgericht die Bestellung einer von einer Personalkommission empfohlenen Dreierkonstellation und Michael Sachs bleibt auf seiner Position … bis dato.