Was machen sechs junge Frauen, die sich am 8. März im Schmauswaberl kennenlernen und sich darüber einig sind, dass die derzeitige Stimmung innerhalb der feministischen Szene alles andere als motivierend ist? Sie gründen ein Kollektiv für feministischen Austausch und Zusammenhalt, dessen Ziel sein soll, Veranstaltungen und Frauenstammtische zu folgenden Schwerpunkten zu organisieren: Frauensolidarität und Vernetzung, Bildung eines weiblichen Klassenbewusstseins, Kapitalismuskritik, Prostitutionskritik und Religionskritik. In kleinen bis mittelgroßen Runden wird alle ein bis zwei Monate – mitunter kontrovers – diskutiert, jedoch stets in respektvollem, solidarischem Ton:
Was bedeutet es, eine Frau zu sein? Was verbindet uns Frauen, und welche Rolle spielt Frauensolidarität in unser aller Leben und weltweit? Warum müssen Feminismus und Kapitalismuskritik Hand in Hand gehen? Wie kann man feministische Debatten aus dem Internet wieder in den Alltag verlagern? Muss man sich einer bestimmten Sprache bedienen, um sich Feministin nennen zu dürfen? Woher kommt das männliche Selbstverständnis, Sex einfach kaufen zu können? Warum ist Säkularität ein feministisches Ziel?
Wir beobachten, dass verschiedene feministische Strömungen momentan primär in Opposition zueinander stehen, was für die gesamte Bewegung als solche extrem schädlich und hinderlich ist. Unserer Ansicht nach hängt dies vor allem mit der Geschichts- und Traditionslosigkeit des (zeitgenössischen) Feminismus zusammen. Beispielsweise steht weder Frauengeschichte im Zentrum der Öffentlichkeit – wenn, dann nur als Nebenschauplatz –, noch gibt es eine echte frauenpolitische Kultur des Zusammenhalts, wie man sie von Männern und ihren Seilschaften kennt. Der derzeitige Zustand des Feminismus ist das direkte Ergebnis der Vereinzelung und des Konkurrenzdrucks unter Frauen.
Die „Instagramisierung“ von Debatten und die Schaffung von Echokammern tut ihr Übriges: Identitätspolitische Schlagworte, Fachausdrücke und Neologismen, deren Bedeutung den Nutzer*nnen häufig selbst nicht klar ist, dominieren den Diskurs. Wer teilhaben möchte, muss sich zudem eines gewissen Habitus bedienen, um dazuzugehören – Fehltritte werden schwer verziehen.
Dabei ist das Bedürfnis, alles richtig und allen alles recht machen zu wollen, zutiefst menschlich (und nicht zuletzt eng mit der weiblichen Sozialisierung verbunden). Doch wie dieser Anspruch auf uns trifft und sich in unserem Umfeld verwirklicht, halten wir für destruktiv, da auf diese Weise Auseinandersetzungen und Aktionen unterbunden werden, noch bevor diese überhaupt Form angenommen haben.
Wir möchten einen solidarischen Safespace schaffen, in dem gemeinsame (Weiter-)Bildung und Diskussionen abseits des männlichen Zugriffs stattfinden können. Denn der Austausch von Frauen untereinander ist unumgänglich für die Entwicklung eines Klassenbewusstseins, der Überwindung der kollektiven Ohnmacht und der Schaffung von Handlungsspielräumen.
Feministischer Austausch findet gerade in unseren Generationen vor allem online statt, er bleibt somit abstrakt und setzt sich nicht in die Praxis um. Die Sicht auf gesellschaftspolitische Themen durch das Medium Internet verändert die Streitkultur, da man das Gegenüber nicht als greifbare Diskussionspartnerin erlebt, was schnell diffuse Feindbilder entstehen lässt – mag der Streitpunkt noch so marginal sein. Dagegen wollen wir uns auflehnen, und wie unsere Veranstaltungen bisher zeigten: Es ist möglich, Debatten so zu führen, dass alle Parteien gestärkt und mit neuen Gedanken daraus hervorgehen.
Unsere Frauenstammtische werden von uns immer unter ein Thema gestellt, zu dem wir einen kurzen Input vorbereiten. Anschließend eröffnen wir die Diskussionsrunde, bei der sich jede Anwesende frei zu Wort melden kann. Wer danach noch Lust hat, zu bleiben, ist herzlich eingeladen, mit uns anzustoßen, sich weiter auszutauschen und zu vernetzen.
KEINE LIEBE Kollektiv
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