MALMOE

Throwing Feathers at Brick Walls

Institutioneller Wandel als ermüdendes Projekt

Von Jänner 2020 bis Oktober 2022 stellte die Universität Wien insgesamt 109 neue Professorinnen ein, davon 65 Männer und 44 Frauen, alle weiß. Auch am Institut für Philosophie schlägt sich dieses Ungleichverhältnis nieder. Eine Vielzahl der Lehrenden sind männliche Personen, die meisten von ihnen kommen aus dem globalen Norden. Sucht man im Curriculum nach feministischen oder anti-rassistischen Inhalten, scrollt man oft vergebens. Dies hat Geschichte. Auch historisch ist der philosophische Kanon männlich und weiß dominiert, was bis heute an den besprochenen Theorien und den das Feld dominierenden Akteurinnen ablesbar ist.

Diese Schieflage fiel uns bereits als Studierende auf: Forschungsthemen politisch und sozial progressiven Inhalts waren eher Ausnahme als Regel. Als Frauen beziehungsweise genderqueere Personen mussten wir lernen, uns in männlich dominierten Räumen zu behaupten. Uns selbst einen Arbeitsplatz in dieser Domäne zuzutrauen, ist das Resultat feministischer Allianzen und der Förderung durch einige wenige.

Der langsame Weg institutionellem Wandels

Etliche Jahre später sind wir durch unsere Positionen als Praedocs (Doktorandinnen) auf andere Weise Teil dieser Institution geworden. Uns selbst als Akteurinnen innerhalb dieser Strukturen wiederzufinden war begleitet von der Hoffnung, Studierenden Dinge zu ermöglichen, die wir uns gewünscht hätten: Repräsentation, diversere Curricula, Hilfestellungen für Personen mit Diskriminierungserfahrungen, flachere Hierarchien und materielle Ressourcen. Durch unser Engagement in einer Initiative zur Vernetzung und Stärkung unterrepräsentierter Gruppen in der Philosophie – UPsalon –, unsere Tätigkeit in universitätspolitischen Funktionen und die eigene Lehre versuchen wir, diese Ideen zu verwirklichen.

Doch der vorherrschende Gedanke der Meritokratie, der besagt, dass wir Dinge bewegen und erfolgreich sein können, wenn wir hart genug arbeiten und uns engagieren, stellt sich sowohl im Rahmen des Studiums als auch auf Ebene der institutionellen Veränderung als Mythos heraus. Er verschleiert zum einen, dass Personen unterschiedlich positioniert und mit unterschiedlichen Privilegien ausgestattet sind, die ihren universitären Erfolg beeinflussen. Wer etwa neben dem Studium arbeitet, ist einer Doppelbelastung ausgesetzt, die andere Ausgangsbedingungen für universitären Erfolg schafft. Andererseits übertüncht der Mythos des „Man-muss-es-nur-Wollen“ auch die Tatsache, dass strukturelle Veränderungen viel persönlicher Mehrarbeit, des Verbrauchs emotionaler Ressourcen und unbezahlter Arbeit bedürfen. Progressive Ideen und der Wille zu verändern reichen nicht aus, wenn institutionelle Strukturen diese Veränderungen nicht zulassen.

Ermüdung mit System

Diese Realität ist ermüdend. Sie hat jedoch auch System. Die Philosophin Sara Ahmed beschreibt in ihren Büchern On Being Included (2012) und Living a Feminist Life (2017), wie Diversitätsarbeit innerhalb von Institutionen erschwert oder für andere Interessen missbraucht wird. Ahmed macht darauf aufmerksam, dass Personen, die Probleme innerhalb von Institutionen ansprechen, oft als Störenfriede wahrgenommen werden. Anstatt auf die sichtbar gemachte Schieflage einzugehen, verlagert sich der Fokus der Institution darauf, diese Kritik als ungerechtfertigt und jene, die sie vorbringen, als überempfindlich darzustellen.


Hinzu kommt das Paradox der gleichzeitigen „Unsichtbarkeit“ und „Hypervisibilität“, welches etwa der Sammelband Scrutinized but not recognized: (In)visibility and hypervisibility experiences of faculty of color aufgreift. Personen, die Merkmale aufweisen, welche die homogene Institution als divers einstuft, sind in dieser Diversität „hypervisible“ und werden auf ihre soziale Identität reduziert. Ihre tatsächliche Arbeit, beispielsweise ihre Forschung, wird hingegen nicht wahrgenommen. Hypervisibilität kann auch zu „Wissensausbeutung“ führen, wie sie beispielsweise Nora Berenstain in Epistemic Exploitation beschreibt. Marginalisierte Personen werden dabei wiederholt konsultiert, um spezifische Aspekte ihrer Lebensrealitäten zu erklären. Oft passiert dies auch vor dem Hintergrund, dass ihnen nicht geglaubt wird, bis sie in der Form von „Trauma Porn“ minutiös ihre Erfahrungen beschreiben.


Missbräuchlich ist laut Ahmed Diversitätsarbeit, wenn sie als reines Lippenbekenntnis nur noch zu PR-Zwecken dient. Schlagworte wie „Chancengleichheit“, „Inklusion“ und „Diversität“ werden bereitwillig herangezogen, um Institutionen einen offenen und progressiven Anstrich zu verleihen. Dahinter steckt jedoch häufig wenig. Einzelschicksale werden als Erfolgsgeschichten inszeniert, während struktureller Wandel, der vielen helfen könnte, auf sich warten lässt. Auch das Konzept der „Intersektionalität“ – das Beachten der Mehrfachdiskriminierung von Personen – scheint in vielen Gleichbehandlungsgremien und Berufungskommissionen noch keinen Einzug gefunden zu haben. Oft wird beispielsweise nur der Faktor „Geschlecht“ beachtet, wohingegen andere Diskriminierungsebenen, wie Klassismus oder Rassismus, übersehen werden.
Ahmed benennt diese Probleme mit der Metapher „Throwing Feathers at Brick Walls“, um die Trägheit sozialen Wandels innerhalb von Institutionen zu markieren. Mit Federn gegen Backsteinmauern vorgehen – dies spiegelt auch unsere Erfahrung als Feminist*innen in der Institution „Universität“ wider. Wie also gegen eine sich verbreitende Resignation ankämpfen? Wie engagiert bleiben, wenn das Engagement selten belohnt wird und emotionale Ressourcen sich erschöpfen? Ein erster Schritt kann sein, Allianzen zu schließen und zu merken, dass Widerstand gegen althergebrachte Strukturen nicht allein geleistet werden muss. Zudem ist es wichtig, die eigenen Grenzen im Blick zu behalten und es sich auch zu erlauben, nicht alle Kämpfe auszutragen (Stichwort: „Rest is Political“). Wir plädieren dafür, lästig zu bleiben, ohne sich selbst auszubrennen. Ein Kilo Federn sind ein Kilo Federn mehr.

Flora Löffelmann & Sonja Riegler