MALMOE

Gespräch mit Erde brennt

Bruno, Pressesprecherin von Erde brennt, führt uns vorbei am Info- und Welcome Desk, an den Securitys, die sie zum eigenen Schutz bestellt haben, vorbei am Awareness-Team und der Küche, in der gerade Mittagessen für alle vorbereitet wird, in den besetzen Hörsaal C3 am Campus der Universität Wien. Seit Mittwoch, dem 16.11., sind sie hier, um ihren Forderungen Gehör zu verschaffen.

Bruno: Ich bin eigentlich Philo-Studentin und seit ein paar Monaten bei Erde brennt dabei. Wir sind jetzt bei Tag drei der Besetzung des Hörsaals C1 am Campus. Im Moment sitzen wir gerade hier im Hörsaal und es finden die ersten Aktions- und Arbeitsgruppen statt. Eben hatten wir noch mit neun neuen Leuten Onboarding. Das heißt, wir wollen unsere Organisationsstruktur offenlassen, damit sie bei uns mitmachen können. Später wird es einen Vortrag zu epistemischer Gewalt geben, also der Frage, wie Wissensproduktion ausschließt und diskriminiert, bestimmtes Wissen also nicht verhandelt wird. Wir leben immer noch in kolonialen Strukturen und es ist wichtig, dass wir als Studierende unseren universitären Raum hinterfragen und sehen, welches Wissen wir in unseren Räumen nicht zirkulieren lassen.


Wir sind hier, weil wir gesehen haben, dass wir mit unseren Protestformen nicht weiterkommen: wir sind seit Jahren auf Demos und Klimastreiks gewesen. Wir haben aber nicht mehr den Luxus, dass wir darauf warten können, bis etwas passiert. Wir müssen jetzt handeln. Deswegen sind wir einen Schritt weitergegangen und jetzt hier.
Gleichzeitig laufen im Moment auch die Verhandlungen für die Finanzierung der Universitäten. Wir haben ein unglaubliches Prekariat an den Universitäten, was die Lehrenden betrifft. Daneben haben die Teuerungen dazu geführt, dass ein Bildungssystem weiter befeuert wird, das eh schon privilegiertere Gruppen bevorzugt. Bildung wird vererbt. Wir müssen Bildung für alle erreichen. Deswegen sind wir auch hier, denn die Uni ist kein unschuldiger Ort.


Uns ist wichtig, dass wir die Krisen nicht vereinzeln, so wie wir uns als Personen nicht vereinzeln wollen. Krisen sind intersektional verknüpft. Das System an sich – der Kapitalismus – ist das Problem. Deshalb können wir Klimapolitik nicht nur als Klimapolitik betrachten. Wir brauchen den Aspekt der sozialen Gerechtigkeit, weswegen wir auch von „Klima-Gerechtigkeit“ sprechen. Wenn wir etwa den Ausstieg aus fossiler Energie fordern, dann müssen wir es gleichzeitig schaffen, dass sich dadurch unsere Gesellschaft nicht spaltet. Wir wollen in einer Gesellschaft leben, die das tragen kann. Deswegen brauchen wir auch neue Steuern. Wir müssen Reiche endlich vernünftig besteuern. Genauso fordern wir, dass Mieten wieder leistbar werden – also alle ein Recht auf Wohnen haben. Wir müssen das gemeinsam verhandeln. Es geht nicht, dass wir in Einzelstdebatten an ein paar Stellschrauben drehen. Wir müssen das System an sich angehen. Das bedeutet neben Klima eben auch Wohnen, Diskriminierung oder auch demokratische Beteiligung als Themen anzusprechen.


Es gibt einzelne Verbindungen mit der Audimax-Besetzung. In unserer Orga hatten wir relativ früh schon Leute, die dazugekommen sind, welche 2009 schon beteiligt waren. Gestern zum Beispiel sind auch zwei Väter mit ihren Kindern vorbeigekommen und wir haben uns zusammengesetzt und alte Fotos angeschaut. Unser Hörsaal sieht nach und nach aus wie damals. Es war schön zu sehen, dass es Verbindungen gibt und sich die Leute immer noch dafür interessieren. Die Bologna-Reform (Anmerkung der MALMOE: welche mitunter die damaligen Proteste ausgelöst hat) ist mittlerweile einfach zum Paradigma geworden. Es fühlt sich an, als dürften wir gar nicht mehr darüber reden, dass Bildung anders sein könnte. Die Studierenden haben zum Teil auch gar kein Bewusstsein mehr dafür, dass Studieren mal anders war, dass wir nicht konstant im ECTS-Hamsterrad sein müssten.


Gleichzeitig sehen wir aber auch: Wir sind nicht Uni brennt, wir sind Erde brennt. Als Erde brennt wollen wir die Krisen nicht vereinzeln. Wir wollen nicht allein als Gruppe relativ privilegierter Studierenden sagen, dass wir uns nur bei den Universitäten für bessere Lehre und für nahbare Bildung einsetzen. Wir können nicht nur für uns kämpfen. Wir müssen unsere Kämpfe verbinden und für alle ein besseres Leben schaffen.