MALMOE

Antifa-2020-Prozess: Urteil im Sinne der Repressionsbehörden?

Ungebrochene Repression gegen antifaschistisches Engagement

„Refugees Welcome“ und „Jin Jiyan Azadî“ steht auf den Ordnern vor ihnen geschrieben, einer trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift „Nie wieder Faschismus“ – aus ihrer politischen Überzeugung machten die sieben Angeklagten nie ein Geheimnis, ganz im Gegenteil. Doch wie kam zu diesem Prozess, unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen im Wiener Schwurgerichtssaal, und wieso muss er ganz klar als Kriminalisierung von Antifaschismus benannt werden?
Am 7. März 2020 veranstaltete die Sozialistische Jugend (SJ) einen Infostand im Resselpark, um für den bevorstehenden feministischen Kampftag zu mobilisieren. Später an dem Tag fand eine Kundgebung der neofaschistischen „Identitären“ statt. Kader dieser Gruppierung näherten sich dem Infostand der SJ, woraufhin es zu einer Auseinandersetzung kam, bei der unter anderem Pfefferspray gegen Linke eingesetzt wurde, eine weitere Person aus dem Umfeld der Neofaschisten hatte sogar ein Messer dabei. „Wir sind froh, dass auch andere AntifaschistInnen vor Ort waren, die unsere Aktion als Sammelpunkt für einen Gegenprotest nutzten. Sie stellten sich dort zwischen unsere AktivistInnen und die Angreifer, wo es die Polizei versäumt hat“, verlautbarte die SJ kurze Zeit nach dem Vorfall. Zwei Tage später veröffentlichte die Wiener Polizei eine Videoaufnahme inklusive eigener Einordnung, wonach der Angriff von Linken ausgegangen sei, auf Twitter. Eine Wertung, die sich durch die Ermittlungen und letztendlich durch den Prozess und das Urteil zog. Des Weiteren wurde einzelnen Angeklagten vorgeworfen, sich im Mai bzw. August an Angriffen auf Personen aus dem Umfeld der „Identitären“ bzw. deren Tarnorganisation „Die Österreicher“ beteiligt zu haben.
Diese Auseinandersetzungen waren der Startschuss für ein überbordendes Ermittlungsverfahren gegen aktive Antifaschistinnen. Auf Basis des umstrittenen „Mafiaparagrafen“ versuchte der Verfassungsschutz, eine kriminelle Vereinigung herbeizukonstruieren. Observationen, eine Hausdurchsuchung, mehrere Festnahmen, durchgeführt von der Spezialeinheit Cobra, sowie die anschließende Auswertung von Datenträgern und Handys führten wiederholt zu Eingriffen in das Privatleben der Beschuldigten. Neben der von den einzelnen Betroffenen erlebten Repression diente dies auch der Einschüchterung der antifaschistischen Szene in Wien und darüber hinaus. Durch das Bedrohungsszenario dieser Ermittlungen fühlte man sich schnell an den Tierschutzprozess erinnert. In diesem Fall kam es zwar nicht zur Anklage wegen des Vorwurfs der „kriminellen Vereinigung“ bzw. „Organisation“, vor Gericht mussten sich dennoch sieben, sich teilweise nicht kennende Personen wegen versuchter Sprengung einer Versammlung, (teilweise) versuchter (schwerer) Körperverletzung und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten. Nach vier Verhandlungstagen, über 20 Zeuginnen und der mehrfachen Betonung, dies sei kein politischer Prozess, kam es am 20. Oktober 2022 zu Teilverurteilungen und einem Freispruch. Die bedingten Haftstrafen zwischen vier und 14 Monaten sind noch nicht rechtskräftig, die Angeklagten haben Rechtsmittel angemeldet. Auch wenn die mündliche Urteilsbegründung der Richterin sehr kurz ausfiel und einige ihrer Beweggründe noch nicht klar sind, so zeigte sich dennoch, welchen Zeuginnen sie mehr Glauben schenkte. Obwohl sowohl anwesende Journalistinnen als auch Personen der SJ aussagten und das Überwachungsvideo der Polizei zu verpixelt war, um einzelne Angeklagte zweifelsfrei zu identifizieren, erfolgten hier Verurteilungen.
Polizei- und Verfassungsschutzbeamt*innen wird vor Gericht mehr geglaubt, und dies gilt es auch in diesem Fall zu kritisieren. Denn der Ermittlungsdruck, so hieß es auch von der Verteidigung, ging eindeutig vom Verfassungsschutz aus. Letztendlich muss dieser die eigene Arbeit wegen einer vermeintlichen Gefahr durch „die Antifa“, wie es in jedem VS-Bericht zu lesen ist, rechtfertigen. Während sich die Waffenfunde in Österreich häufen, die extreme Rechte die Corona-Proteste für sich zu nutzen wusste und ein Terrorist am 2. November 2020 vier Menschen tötete, stellt sich die Frage, ob die Prioritätensetzung der Ermittlungsbehörden nicht die falsche war und ist.
Dass vor allem Gegenproteste in den letzten Jahren immer wieder zu kriminalisieren versucht wurden, setzt sich mit dem Urteilsspruch fort und fügt sich in die ungebrochene Repression antifaschistischen Engagements in Österreich. Dabei ist es genau dieses Engagement, das sich gegen extrem rechte Bewegungen und Strukturen in Österreich auflehnt und Aufklärung über sie vorantreibt. Danke, Antifa.


Mahriah Zimmermann (prozess.report)